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Fragments of Him: Eine Geschichte über Liebe, Verlust und Emotionen

Fragments of Him von Entwickler und Publisher Sassybot erzählt die Geschichte des jungen Mannes Will, der unerwartet an den Folgen eines Autounfalls stirbt. Zurück bleiben nicht nur seine Hoffnungen und Träume, sondern auch Menschen, die sein Leben teilten und nun versuchen mit dem Verlust klarzukommen. Fragments of Him berichtet von Verlust und Trauer, aber auch von dem Weg zu sich selbst zu finden und von den vielen kleinen Momenten im Leben, während denen wir Spuren in den Herzen anderer hinterlassen.

Und plötzlich sind wir tot

Es hätte ein Tag wie jeder andere sein sollen. Wir – in der Rolle eines jungen Mannes namens Will – greifen nach unserem Schlüssel, verlassen die Wohnung und halten kurz inne. Uns bleiben mehrere Möglichkeiten, uns zu verabschieden. Weil wir wissen was kommt, sagen wir der Person, die wir zurücklassen, dass wir sie lieben und wünschen ihr einen schönen Tag, eine Entscheidung, die uns später noch beschäftigen wird. Dann verlassen wir das Gebäude, steigen in unser Auto und fahren los. Verkrampft sitzen wir da und können kaum hinsehen, bis es schließlich soweit ist: Ein Knall, der Bildschirm wird schwarz und wir sind tot. Und damit beginnt Fragments of Him von Entwickler und Publisher Sassybot erst richtig.

Wir springen einige Momente zurück, sind wieder Will, lebendig, zweifelnd, hoffend. Wir denken nach über die Beziehung zu unserem Partner Harry, realisieren, dass wir den guten Dingen in unserem Leben viel zu wenig Aufmerksamkeit schenken und überlegen dem Mann in unserem Leben einen Antrag zu machen. Erste Zweifel fokussieren sich vor allem auf unsere Großmutter: Ob sie wohl bei einer gleichgeschlechtlichen Trauung dabei sein würde?

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Über Anforderungen und die Kraft, trotzdem seinen Weg zu gehen

Szenenwechsel. Wir lernen besagte Großmutter kennen, schlüpfen in ihre Haut und sind gelinde gesagt nicht besonders glücklich darüber. Denn die Frau ist keine Sympathieträgerin, zeigt sie sich zwar durchaus auch liebevoll, urteilt aber auch fortlaufend über Sohn, Schwiegertochter und Enkel und impft Letzterem wiederholt ein, dass ein großer Junge nicht zu weinen habe. Unser Herz zieht sich krampfhaft zusammen, als wir hören wie Will trotz Schmerzen versucht tapfer seine Tränen zu unterdrücken, nur um ihr zu gefallen. Er wird älter, entwickelt sich weiter, besagte Dame tut dies kaum. Fast bitter betont sie mehrmals ihr Missfallen darüber, dass Wills Ansichten etwas offener als ihre eigenen sind. Immer wieder heißt es, dass man sich anzupassen habe, um im Leben etwas zu erreichen, dass es sich nicht gehöre anderen seine Emotionen zu zeigen. Angepasst, unauffällig, normal, so hätte sie den Jungen gerne. Immer mehr Linien fügen sich wie von selbst zu unserem Bild von Will hinzu und zeichnen das Abbild eines Heranwachsenden, der sanft und gutmütig ist und niemanden verletzen möchte, trotz allem aber seine Ansichten vertritt und so hin und her gerissen ist.

Als die Großmutter zufällig beobachtet, dass Will einen Mann küsst, äußert sie sich bestürzt. In der Öffentlichkeit, wo jeder sie sehen kann? Sie habe ja immer gewusst, dass seine Ansichten ihn mal in Schwierigkeiten bringen würden… „Nach allem, was ich für ihn getan habe“, heißt es da, scheint sie doch das Gefühl zu haben, dass Will sich hier sein Leben ruiniert. Eine Lücke tut sich auf zwischen Enkel und Großmutter, die sich auch bis zu seinem Tod nicht vollkommen schließen wird. Ein dummer Grund, so sagt sie später selbst, aber diese Einsicht kommt zu spät. Ob er wusste, wie sehr sie ihn liebte? Die Frage bleibt unbeantwortet.

Wenn Liebe nicht genug ist

Wir treffen auf Sarah, die Ex-Freundin, die sich im College in Will verliebte und ihn schließlich schweren Herzens an Harry freigab, weil sie sich für den, den sie liebte ein glückliches Leben wünschte. Es ist ihre Selbstlosigkeit und der Schmerz auf beiden Seiten, die uns das erste Mal die Tränen in die Augen schießen lassen. Der Druck auf der Brust ist schon länger da, unterschwellig und doch immer präsent und mit jeder Szene steigt unsere Traurigkeit langsam an.

Ein Spiel, das wehtut

Teilweise sind wir verwirrt darüber, so viel über die Zeit vor dem Unfall zu erfahren, hatten wir doch damit gerechnet, den Hauptteil des Spiels in die Trauerbewältigung zu investieren. Als wir aber jetzt zurück in die Anfangsszene kehren und diese erneut durchleben, macht alles Sinn. Denn wir haben ohne es zu bemerken eine Beziehung zu Will aufgebaut, haben den gutherzigen jungen Mann in unser Herz geschlossen. Jeder Klick fällt jetzt deutlich schwerer und als wir uns verabschieden, tut uns dies tatsächlich körperlich weh. Wir sind gezwungen erneut ins Auto zu steigen und Will auf seinen letzten Metern zu begleiten. Der Wasserpegel auf dieser Seite des Bildschirms steigt bedrohlich und als der Bildschirm erneut schwarz wird, kullern die ersten Tränen. Aber es ist nicht genug, reicht nicht, um den Druck in unserer Brust loszuwerden. Eine Pause ist uns nicht vergönnt.

Als wir schließlich miterleben wie sehr die Hinterbliebenen leiden und verzweifelt versuchen die Erinnerungen aus ihrem Alltag zu vertreiben, weil es zu sehr schmerzt, wird der Kloß im Hals fast unerträglich groß. Erlösung bleibt uns verwehrt, denn der Titel verzichtet auf aufgesetzte Rührseligkeiten, die das große Tränenfass endgültig zum Überlaufen gebracht hätten. Wir bleiben zurück mit einer Mischung aus dumpfer Traurigkeit, Rührung und Nachdenklichkeit.

Auf der Suche nach dem Gameplay

Und genau hiervon lebt das Spiel. Zugegeben, es wirkt merkwürdig Fragments of Him als Spiel zu bezeichnen, denn Gameplay ist kaum vorhanden. Es ist mehr eine interaktive und recht lineare Geschichte, bei der wir uns per Tastatur oder Maus fortbewegen, gelb aufleuchtende Objekte anklicken und so Audiosequenzen auslösen und Stück für Stück mehr erfahren. Viel Spielraum bleibt uns dabei nicht, die Interaktionsmöglichkeiten sind begrenzt und wir folgen dem jeweiligen Charakter wie ein an ihm klebender Schatten durch seine Erinnerungen und Gedanken. Die grundlegende Storyline ist hierbei denkbar einfach, es gibt keine atemberaubenden Wendungen und keine reißerischen Enthüllungen. Wer darauf wartet, dass ihm die Emotionen auf dem Silbertablett präsentiert werden, wird diesen Titel vermutlich gelangweilt und ohne eine einzige Träne zu vergießen verlassen. Entwickler Sassybot präsentiert hier sehr unaufdringlich die entsprechenden Reize und Schlüsselmomente und überlässt es uns, was wir aus ihnen machen.

Wie wird man sich an uns erinnern?

Immer mal wieder drängen sich uns Fragen auf. Wir haben uns mit liebevollen Worten verabschiedet, weil wir wussten, was gleich passieren würde und eine möglichst positive Abschiedserinnerung kreieren wollten. Im Alltag tun wir dies oft nicht, gehen routinemäßig oder manchmal sogar im Streit auseinander. Das hinterlässt einen faden Beigeschmack bei uns und wirft die Frage nach dem „Warum?“ in den Raum. Aber wir verbleiben nicht nur mit schlechtem Gewissen, wir denken auch zurück an die Menschen, die wir gehen lassen mussten und die durch ihren Einfluss auf uns noch immer hier sind. Wir fragen uns, wie man sich an uns erinnern wird und welche Spuren wir wohl einmal hinterlassen werden oder schon haben. Am Ende bleiben wir sehr nachdenklich und mit dem Bedürfnis, unsere Lieben heute ein wenig enger um uns zu scharen, zurück.

Technische Schwierigkeiten

Wir treffen allerdings auch auf das eine oder andere Problem, das uns im Extremfall sogar komplett um diese Erfahrung hätte bringen können. So ist es zwar amüsant mal kurz über die Menschenmasse zu fliegen und es fällt auch nicht weiter auf, dass sich im Garten der Großmutter einige Texturen ungünstig überlappen, allerdings spielte sich das Hauptproblem vor dem tatsächlichen Start des Titels ab. Dieser war nämlich auf dem – eigentlich ausreichend ausgestatteten – Laptop nicht möglich, da das Spiel immer wieder abstürzte. Aufgrund Zeit- und Ideenmangels wechselten wir so zu unserem Rechner, ärgerlich ist das Ganze natürlich trotzdem. 

Farben und Töne für eine bedrückende Atmosphäre

Fragments of Him ist nur in englischer Sprache erhältlich, aufgrund entsprechender Untertitel und der gut gemachten Synchronisation wirft dies bei uns aber keine Verständnisprobleme auf. Die untermalende Klaviermusik ist gut gelungen und sorgt gleichzeitig für eine traurige und beruhigende Atmosphäre. Die einzelnen Szenen sind von mehr oder weniger langen Ladebildschirmen unterbrochen, welche es erschweren, das jeweilige Gefühl in den nächsten Moment mitzunehmen, entsprechende musikalische Unterstützung hätte hier vermutlich schon Abhilfe geschaffen. Die Umgebung ist wenig farbenfroh, tatsächlich reiht sich hier Grau an Grau und doch sind die vielen unterschiedlichen Kulissen einfach… schön, was einen interessanten Kontrast zwischen ansprechendem Ambiente und bedrückender Atmosphäre kreiert.

Der Titel ist derzeit nur für PC für 19,99€ auf Steam zu haben (bis zum 10. Mai 2016 für 17,99€), eine Xbox One- und PS4-Version sollen aber folgen. Die Spielzeit ist mit gut zwei Stunden vergleichsweise kurz, genügt aber völlig, um die Geschichte angemessen zu vermitteln und lässt den Spieler etwas emotional ausgelaugt vor dem heimischen Bildschirm zurück.

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