Es ist eine Geschichte von Pioniergeist und von Erfolg, aber leider auch vom Scheitern: Sony Online Entertainment wurde am 02. Februar samt aller wichtigen Lizenzen an die Investmentfirma Columbus Nova verkauft und nennt sich nun Daybreak Games. Mit dem Wechsel wurde aber auch klar, dass der einstige Riese in der MMO-Branche längst alle glücklichen Tage hinter sich gelassen hat. Es wirkt wie ein Anfang vom Ende und viele Fans fragen sich: Wie soll es in Zukunft weitergehen?
Noch im vergangenen Jahrtausend, im Jahr 1999, um genau zu sein, erschien mit EverQuest eines der ersten namhaften Online-Rollenspiele auf der Bildfläche. Mit bis zu 450.000 aktiven Spielern (Stand 2003) galt das Onlinespiel lange Zeit als eines der erfolgreichsten MMORPGs und umfasste vor allem in den USA eine riesengroße Fanbase, deren gewaltige Ausmaße noch lange ein Benchmark in der Branche blieben. Hinter dem Hit-Titel stand das Entwicklerstudio Sony Online Entertainment, das seiner Zeit ebenso Vorreiter wie auch Marktführer in diesem Segment war. EverQuest war nämlich nicht nur ein MMO, es war DAS MMO schlechthin. Sein Erfolg wurde erst Jahre später durch World of Warcraft übertrumpft.
Wir befinden uns mitten in den 2000ern, wie diese Dekade mittlerweile genannt wird, und es herrscht Goldgräberstimmung in der Onlinespielewelt. Mit der flächendeckenden Verbreitung des Hochgeschwindigkeitsinternets und dem Aufkommen der Flatrates sind dem dauerhaften Zocken dieser Games keine Grenzen mehr gesetzt. Anstatt sich in viele Bereiche auszubreiten, entschied sich SOE daher dafür, sich dem aufstrebenden Onlinemarkt zu verschreiben und wurde einer der wichtigsten Pioniere auf diesem Sektor. Neben EverQuest erreichten auch Star Wars Galaxies oder der MMO-Shooter PlanetSide Kultstatus und verschafften SOE einen sehr guten Ruf. Mit EverQuest 2 wollte man dem Ganzen die Krone aufsetzen und auch gleichzeitig gegen World of Warcraft anstinken, das ja ungefähr zur gleichen Zeit erschienen ist. Dabei galt EQ2, bedingt durch Sonys Erfahrung, lange als definitiver Anwärter auf diesen Thron. Allerdings wurde daraus nichts, wie wir heute ja wissen.
Denn so gut auch die ersten Spiele bei den Fans ankamen, so schlecht lief es dann, geeignete Fortsetzungen zu finden. Wirft man einen Blick auf die Historie der Veröffentlichungen, so findet man viele bekannte Namen, die allesamt nicht gut in Erinnerung geblieben sind. The Matrix Online zum Beispiel, Free Realms oder Vanguard: Saga of Heroes. Die Liste an gescheiterten MMOs wurde immer länger und der einzige wirkliche Bringer blieb EverQuest – ein Franchise, das seine Fans hauptsächlich in den USA hat. Außerhalb von Amerika bekam Sony Online Entertainment nämlich schon lange keinen Fuß mehr auf den Boden.
Die einzigen Lichtblicke bildeten hier der Coop-Hit Payday: The Heist sowie das anfangs erfolgreiche Superhelden-MMO DC Universe Online und die Fortsetzung PlanetSide 2, die es sogar ins Guinness Buch der Rekorde schaffte. Dennoch konnte SOE sich nicht vor der allgemeinen Depression des MMO-Sektors schützen und stellte seine Titel seit 2011 systematisch auf Free2Play-Modelle um. Zwischenzeitlich versuchte man sich weiter als Publisher von Fremdentwicklungen, wie zum Beispiel Wizardry Online, doch auch hier scheiterte man rasch an mangelndem Interesse und unausgereiften Spielen.
Ein frischer Kurs musste her und daher wollte man sich erneut auf sein altes Steckenpferd, die EverQuest-Reihe, verlassen. Bereits 2010 schon erstmals erwähnt, enthüllte man auf der SOE Live 2013 mit EverQuest Next und Landmark zwei Titel, mit denen Sony Online erneut durch Innovation punkten wollte. Hinter Landmark verbarg sich das Konzept, eine Art Minecraft-Gameplay in moderner Voxelgrafik und mit MMO-Features umzusetzen. EverQuest Next soll eine komplett neue Generation MMORPG werden und seine Spieler durch frische Features, unter anderem mit einer lebendigen Welt, verführen. Beide Spiele sind mit einem Free2Play-Modell angekündigt, Landmark befindet sich derzeit im Early-Access.
Mit dem 2014 spontan enthüllten Zombie-MMO H1Z1 versuchte man sich zuletzt ungewöhnlich mutig daran, den aktuellen Trend der Survival-MMOs aufzugreifen und musste sich prompt mit Ideenklau-Anschuldigungen aus der DayZ-Community herumärgern. Auch hier setzt SOE auf Free2Play, wobei die aktuelle Version in Form eines Early-Access (ähnlich wie bei Landmark) gekauft werden muss. Kurz nach dessen Veröffentlichung gab es bereits erste Kritik und Pay2Win-Vorwürfe, welche Sony Online Entertainment aber schnell aus dem Weg räumen konnte. H1Z1 ist derzeit das Aushängeschild des Entwicklers.
Im Februar 2015 folgten schließlich eine ganze Reihe von Hiobsbotschaften: Zuerst wurde am 02. Februar bekannt, dass sich Sony von seiner Tochterfirma trennt und das Studio nun unter dem Namen Daybreak Games agiert und bei Investor Columbus Nova untergekommen ist. Die Gründe dafür liegen wohl auch darin, dass SOE finanziell am Ende war. Die meisten Onlinespiele wurden bereits 2014 eingestellt und nur noch die wenigen etwas erfolgreicheren Titel durften überleben. Der Umschwung im Unternehmen wurde von den Mitarbeitern eher durchwachsen aufgenommen, wie auf Twitter immer wieder zwischen den Zeilen zu lesen war.
Der härteste Schock traf kurz darauf die Community von EverQuest, die mit David Georgeson ihr „Gesicht“ verlor. Der Chefentwickler hatte die Marke jahrelang in der Öffentlichkeit vertreten und stand selbst immer mit sehr viel Euphorie hinter den beiden neuen Titeln EverQuest Next und Landmark. Gerade die Zukunft von Next ist seither unsicher, da von einigen Umstrukturierungen die Rede ist, auf deren Details man aber nicht weiter einging. Aus den Tweets sowie Äußerungen von beiden Seiten ging klar hervor, dass Georgeson entlassen wurde und daher unfreiwillig das Team verlassen musste. Damit verlor EverQuest seinen wichtigsten Mann.
Aber auch die Community von PlanetSide 2 musste heftig schlucken, als ihr Mastermind, Matt Higby, vor wenigen Tagen bekannt gab, sich von Daybreak Games zu trennen. Diesen Schritt plante er wohl schon etwas länger und die aktuelle Situation hätte nun den finalen Schritt zur Entscheidung gegeben. Wie auch Georgeson war er sehr aktiv im Umgang mit der Community. Sein Weggang hinterlässt ein wenig den trüben Geschmack eines Traumes, der langsam aber sicher seinem Ende entgegen siecht.
Nun stellt sich die Frage, wie es in Zukunft mit Daybreak Games weitergeht. Aktuell sieht es eher danach aus, als ob die Ratten das sinkende Schiff verlassen. Die meisten Versuche der Entwickler, den Erfolg von EverQuest zu reproduzieren, scheiterten auf lange Sicht und auch das aktuelle Portfolio kränkelt ziemlich vor sich hin. Die Entscheidung, mit H1Z1 ein Zombie-MMO zu veröffentlichen, resultiert wohl vor allem auch aus der Not heraus, nicht den Anschluss an den Markt verlieren zu dürfen.
Viele Fans bangen nun um den großen Traum von EverQuest Next – darum, dass das Next-Gen-MMO wie eine Blase zerplatzt. Dem spielt negativ entgegen, dass es nach der Ankündigung sehr still um das MMORPG geworden ist. Der Fokus liegt hier, in Sachen Öffentlichkeitsarbeit, ganz dick auf Landmark – vor allem natürlich wegen dessen Nähe zum Indiehit Minecraft. EverQuest Next hingegen fällt leider dem Unmut des MMO-Genres zum Opfer. Die Begeisterung über die Enthüllung hielt sich arg in Grenzen und konnte nicht die Strahlkraft erreichen, die man von so einem Titel erwartet hätte. Daher ist Next in den Köpfen der Community überhaupt nicht präsent. Sollte man hier nicht dringend die Informationswelle auf ihren Weg schicken, ist ein Scheitern praktisch vorprogrammiert.
Daybreak Games braucht sehr viel frischen Schwung und dringend einen neuen Hit, damit dieser traditionsreiche Entwickler nicht sehr bald von der Bildfläche verschwindet. Aktuell sieht alles nämlich exakt danach aus, als ob man schon die Nägel für seinen eigenen Sarg bestellt hat.