Tränen wohin das Auge reicht. Vor lauter Aufregung fällt es in diesen Tagen einigen wohl schwer eine waschechte Vorfreude auf die Tage der Kölner Gaming-Messe aufzubauen, denn Trübsal blasende Kritiker lassen an keiner Stelle Raum für positive Worte zum nur noch rund einen Monat entfernten Event. Fehlende Namen auf der offiziellen Ausstellerliste scheinen die Attraktivität der gamescom nun nämlich schon seit Wochen ins Bodenlose sinken zu lassen. Ohne große Unternehmen, als gäbe es nicht genügend von ihnen, bleibt offenbar kein Anlass mehr für einen Besuch in Köln. Eine Haltung, die wiederum zum Aufschreien einlädt, denn bei der eigenen Enttäuschung belässt man es in vielen Fällen nicht.
Erst wenn der letzte Mitmensch vom finalen Todesstoß der jungen Messe überzeugt ist, wird aufgehört mit Messerstecherei. Mit gutem Grund aber trägt die Spielemesse nicht den Namen Nintendocom oder Segacom. Die gamescom ist mehr als Schauplatz des Marketings der Global Player, umso grausamer die Reduzierung auf deren Präsenz. Unser Aufruf: Lernt die gamescom lieben für all das, was sie ist, nicht nur für das, wofür sie beworben wird!
Leider ist der Fehler von den Verantwortlichen selbst gezüchtet. Umso schwerer fällt es heute auf die weiteren Vorteile der gamescom einzugehen. Schließlich war die hauseigene Freude über die Zusagen großer Unternehmen in den letzten Jahren selbst so gigantisch, dass sie ohne Umschweife für das Öffentlichkeitsbild der Messe instrumentalisiert wurden. Und auch nach dem in letzter Zeit aufgekommenen Unmut weckt man nicht den Eindruck, als habe man eine andere Antwort auf die Absagen als die Enthüllung weiterer Aussteller. Wundern, wieso das stundenlange Anstehen in den Reihen der großen Hallen allen Ernstes der Anreiz schlechthin für den langen Weg nach Köln sein soll, kann man sich allemal. Irgendwann erblickt das gelobte, gar vergötterte Videospiel ohnehin das Licht der Welt – und nach 30 Minuten im eigenen Besitz ist man ohnehin schlauer über das Produkt als nach vier geduldigen Stunden im Stehen. So erstrebenswert, dass es das Faultier Mensch nur deswegen von Zuhause weg bewegt, kann der vorzeitige und exklusive, kurze Blick auf die virtuellen Welten also rationalem Denken nach nicht sein. Genau so wenig ist eine Absage eines Unternehmens daher auch kein Grund zur Wut und überproportionalen Enttäuschung.
Einen zur Anwesenheit verpflichtenden Vertrag über 100 Jahre haben Publisher mit den Messebetreibern unseres Wissens nach letztlich nicht am Laufen. Umso größer unserer Missgunst all denjenigen gegenüber, die an dieser Stelle mit dem gerichteten Zeigefinger versuchen, den Ruf der vergangenen Aussteller zu ramponieren. Es bleibt auch eine Entscheidung, die ein Unternehmen fällen darf. Akzeptanz zu lehren, ist aber bekanntlich ein schwierigeres Unterfangen – und so wird es die neumodisch „Hater“ genannten Prediger auch weiter geben. Mit etwas gesundem Verstand ausgerüstet gibt es unserer Meinung nach aber keinen Anlass, sich von der gedrückten Stimmung einfangen zu lassen. Wir haben gute Gründe, die einen Abstecher in die Hochburg des noch schlummernden Karnevals rechtfertigen.
Richten darf man sein Augenmerk nämlich nicht nur auf Produktpaletten und nach großen Namen, auch die Sehnsucht nach dem „Lebensgefühl gamescom“ lohnt sich. Denken wir an unsere Eindrücke der letzten Jahre, dann verbinden wir mit der gamescom keine Hallen schweigender Einzelgänger, die in Warteschlangen ihre persönlichen Minuten der Erfüllung abwarten. Wie bei einer Europameisterschaft geht es vor allem um das hochgelobte „Wir-Gefühl“ einer Gemeinschaft gleichen Interesses. Der Austausch von Erfahrungen, Erwartungen, Hoffnungen und eigenen Feature-Vorlieben ist der Stoff, aus dem die gamescom gemacht hat. Videospiele sind nämlich nicht nur Produkte, sondern auch ein diskutables Thema. Es lohnt sich, Menschen zu treffen, die wohlmöglich eine andere Sicht auf das aktuelle Geschehen haben. Bei der angesprochenen Reduzierung auf Unternehmensmarken gehen dann leider dieses Lebensgefühl tragende Events wie das „gamescom Festival“ oder „gamescom event level“ unter. Über diese Aktionen gilt es sich auch zu informieren, schon kehrt die Vorfreude in Windeseile zurück. Sich einmal dem in der Öffentlichkeit noch vielerorts verbreiteten Image des nerdigen Gamers entziehen und den Hobby-Alltag nach außen tragen, hier liegt auch mitunter der Kern des Events.
Tags lässt sich die gamescom unsicher machen, abends lädt wohlmöglich die Stadt selbst zu entspanntem Miteinander ein. Blickt man zurück, sind dies die Erinnerungen, die man wohlmöglich mit ehemaligen Aufenthalten in Köln oder Leipzig verbindet. Die für den Moment und einen Zeitraum gefeierten Spiele landen im Nachhinein selbstverständlich trotzdem im Regal – und es ist gut, wenn die gamescom als Spielemesse die Vorfreude noch weiter entfacht. Dennoch sind manche Spiele irgendwann nicht mehr wundersam exklusiv, sondern selbstverständlich „veröffentlicht“ und durchgespielt. Auf eine Zeit mit Freunden kann man sich hingegen immer besinnen.
Wir verraten es nur ungern, doch um Spiele geht es in den Hallen der Kölnmesse nicht nur und auch nicht immer nur vordergründig. Wer gerne Schlange steht, darf sich dieses Denken natürlich bewahren. Tatsächlich bilden die Spiele zwar den Rahmen des Ereignisses, halten aber in allen Fällen für mehr her. Macht man sich tatsächlich nur des Informationshungers wegen nach Köln auf, so kann man in Betracht ziehen, zuhause zu bleiben. Hier ist man oftmals schneller an den Enthüllungen und Trailern dran, als man es auf der gamescom inmitten großer Gänge jemals sein könnte. Heimkinosystemen und Full-HD-Fernsehern sei Dank. Viel interessanter kann da einfach nur sein, sich anzusehen, was sich die kreativen Köpfe einfallen lassen, um die leeren Hallen zu füllen. Atemberaubende Stände und Lichteffekte, Bühnenshows, T-Shirts, Hardware und andere Präsente für die Fans. So hatte die Gameforge-Frogster-Bühne im letzten Jahr einen großen Bühnenbereich zu bieten, mit wuchtigen Beats und auch Florian Kamolz als erfahrenen Entertainer. Hier hielt man auch an, ohne einen sonderliches Interesses an Runes of Magic, Eligium oder Strar Trek zu haben.
Wer zudem ein ungetrübtes Spielerherz in seiner Brust trägt, den interessieren nicht nur Microsoft und Konsorten, sondern auch die kleineren Studios und deren mit großer Hingabe produzierten Kreationen. Verspieltheit, Ungesehenes und Ungeahntes neu kennenlernen, wer diese Grundidee des elektronischen Spielens in Zeiten der großen Bumm-Bumm-Effekt-Knallerei nicht aus seiner Seele verloren hat, kann auch 2012 Spaß auf der gamescom haben und wohlmöglich ein innovative Produktidee für sich entdecken, die bisher Gesehenes in den Schatten stellt. Titel wie Minecraft oder Deponia begeistern uns nicht umsonst. An einem groß zelebrierten Stand von THQ hat man genannte Spiele noch nie gefunden.
Letztlich definiert aber jeder für sich selbst, womit er die gamescom verbindet und ob sie reine Produktschau ist. Wer noch hadert mit seinem Besuch und dafür vor allem nicht anwesende Unternehmen verantwortlich macht, der kann sich nach dem wahren Mehrwert der gamescom fragen. Tolle Spiele sind ohne Sega oder Nintendo nicht vom Aussterben bedroht. Sollten finanzielle oder berufstechnische Barrieren keine Rolle spielen, lässt sich unserer Meinung nach ein bedenkenloses Ja daher allemal nach Köln richten. Man sieht sich.