Kratos kehrt zurück – älter, weiser und erwachsener denn je! Erstmals tritt der Geist Spartas mit seinem Sohn Atreus in den Mittelpunkt der Erzählung. Nun scheint auch das God of War-Franchise auf der aktuellen Konsolengeneration angekommen zu sein. Oder läutet es bereits die nächst mögliche Generation ein? Warum wir God of War mitunter für das beste Spiel auf der PlayStation 4 halten, erfahrt ihr nachfolgend in unserem Testbericht.
God of War feiert sein Debüt auf der PlayStation 4 und das mit einem Paukenschlag. Über fünf Jahre Entwicklungszeit investierte das Sony-Team von Santa Monica Studio in den Titel. Nun steht der Release vor der Türe und da stellt sich bei solch einem Setting zu Recht die Frage, ist God of War noch God of War?
Im Vorfeld gab es diverse Stimmen, die über die Zukunft des Franchises besorgt schienen, aber an dieser Stelle geben wir allem voran Entwarnung. Kratos hat einen Hechtsprung in die richtige Richtung gemacht und platziert sich so ein ganzes Stück vor diversen anderen Action-Adventures der aktuellen Konsolengeneration. Tatsächlich hatten wir keine gezielte Erwartungshaltung und dennoch ist der Titel in vielerlei Hinsicht so konzipiert, dass er uns als Spieler genau da abholt, wo wir schon lange verweilen mussten. God of War ist eine Symphonie aus Gameplay, Narrativ und audiovisuellem Konstrukt, das seinesgleichen sucht. Wir dürfen uns fortan mit Kratos in ein magisches Abenteuer stürzen, auf das viele Fans einer nordischen Mythologie schon lange gewartet haben.
Nordische Mythologie: Eine nötige Brücke
Ninja Theory hat mit Hellblade: Senua’s Sacrifice gezeigt, wie eine Interpretation der neun Welten der nordischen Mythologie aussehen kann. Hier haben wir unsere Zeit in Helheim verbracht, dem Reich der Totengöttin Hel. God of War geht noch einen Schritt weiter und präsentiert eine eigene Darstellung der neun Welten, die über den Weltenbaum Yggdrasil verbunden sind. Den Kriegsgott Kratos verschlägt es nun erstmals und allem voran nach Midgard. Doch das wird nicht die einzige Welt sein, die ihr zu Gesicht bekommen werdet. Die Welten, die ihr betreten dürft, bieten jeweils ein einzigartiges Artdesign, das unsere Vorstellungen übertroffen hat. Alte Geschichten rund um Odin, Freya, Thor und weitere nordische Götter erwachen hier buchstäblich zum Leben. Noch nie hat der Kampf gegen ein Nachfahre Thors so viel Spaß gemacht – wir können uns aber auch kaum entsinnen, jemals einen der Götter in solch einer Form begegnet zu sein.
Wir räumen ein, dass der Ansatz, Kratos ein Stück weit älter zu gestalten und ihn auf die nordische Mythologie loszulassen, vom Grundgedanken her vorerst absurd klingen mag. Aber die narrative Verbindung und die sinnbildliche Brücke, die über seine verstorbene Frau zum gemeinsamen Sohn Atreus führt, bietet den nötigen Anker, der das Setting dennoch kredibil erscheinen lässt. Und der Verbund von Kratos und Atreus bietet einen weiteren Aspekt im Spielgerüst, der für diese einzigartige Erfahrung unerlässlich ist. Das Vater-Sohn-Gespann ist ein schwieriges Geflecht, bestehend aus einem Kriegsgott als Vater und einem Sohn, den jungen Atreus, der es nicht immer einfach mit seinem Vater hat. So wächst er doch in einer erbarmungslosen Welt auf, in der jeder Schritt den Tod bedeuten könnte.
Hier spüren wir das erste Mal den Sprung des Franchises. Denn die Vaterrolle zwingt Kratos erwachsener und weiser aufzutreten sowie unentwegt konzentriert zu handeln. Dieser Ansatz im Verbund mit seiner Erfahrung und den Erlebnissen in der Vergangenheit: Schnell wird klar, dass nicht nur der Sohn einen regen Entwicklungsprozess im Laufe des Spiels durchmachen muss. Auch Kratos, wie es nahezu jedes Elternteil auf dieser Welt kenne dürfte, fällt es nicht immer ganz leicht, die richtigen Worte zu finden oder den Wünschen von Atreus nachzugehen. Das Gespann stellt sich als allumfassende Aufgabe für beide Seiten heraus, die am Ende der Erzählung in einer perfekten Figurenkonstellation aufgeht.
Action-Gameplay, Schlüssel zum Erfolg?
Atreus ist es demnach auch, der euch im Kampf mit seinem Bogen tapfer zur Seite steht. Primär ist Kratos mit der Leviathanaxt ausgerüstet, die für mächtige Frostangriffe sorgt, und sein Sohn ist im Kampf nicht nur passives Beiwerk. Aktive Befehle während der einzelnen Schlachten zeigen, was sein Nachfahre schon in jungen Jahren leisten kann. Dabei schmiegt sich der Aspekt ganz wundervoll in den Rest des actiongeladenden Gameplays ein. Das Kampfsystem fährt mit einigen Grundangriffen auf, die durch Atreus und mächtigen Fertigkeiten der Leviathanaxt ergänzt werden. Ein reger Wechsel im Kampfstil sieht den Axtkampf und den Faustkampf vor, sobald ihr eure Axt auf einen mächtigen Feind schleudert. Das Beste aus Devil May Cry, Dark Souls und mit einem Fertigkeiten-Brett ausgesattet, das wir beispielsweise aus Horizon Zero Dawn kennen, sorgt dafür, dass Kratos im Kampf mit gigantischen Trollen und weiteren Wesen der neun Welten die nötige Mitte findet.
Ein simples Crafting-System, das euch nicht an ein humorvolles Zwergen-Duo vorbeiführt, bietet wie fast alles in God of War nicht zu viel und nicht zu wenig. So könnt ihr neue Waffen herstellen, eure Ausrüstung verstärken oder diverse Zauberkräfte erforschen. Hierbei fällt ein weiteres Detail ins Auge. Dadurch dass der Titel nicht mit unzähligen Waffen und Kleidungsstücken um sich wirft, freuen wir uns über jedes neue Item, das wir nach ausgeklügelten Kämpfen erhalten. Das Aufrüsten der Fertigkeitspunkte umfasst zudem die Kraft von Atreus. So werdet ihr langsam, aber spürbar stärker mit beiden Charakteren.
Perfektes Pacing in der Videospielwelt
Nun müssen wir einen kleinen Sprung machen und uns andere, zeitgemäße Spiele ins Gedächtnis rufen. Die aktuellen Titel strotzen nämlich nur so vor Fallen, in die Entwickler immer wieder allzu gerne hineintappen. Doch die Spieler haben sich an diversen Normen bereits satt gegessen. Lange vorbei scheint die Zeit, wo „Open-World“ als moderne Marketing-Floskel zu keiner Ankündigung fehlen durfte – die Spieler sind es leid, Aufgaben abarbeiten zu müssen. Das Videospiel-Pacing wird durch vermeintliche Open-World-Einlagen gestört, der Rhythmus geht flöten. Mass Effect Andromeda und zu Teilen auch Horizon Zero Dawn litten unter solchen Problemen. Nervige Nebenaufgaben, die zum Teil unendliche Male wiederholt werden müssen, sind eine Folge der etablierten Normen und nur ein Beispiel im repetitiven Alltag moderner Videospiele.
Doch God of War bricht hier metaphorisch das Eis, die Entwickler haben das Pacing-Problem der aktuellen Generation erkannt und lassen es in God of War nicht aufkommen.
So dürfen wir als Spieler nun auf eine Reise blicken, die zu keiner Zeit langweilig inszeniert oder repetitiv erscheint. Anstatt auf eine Open-World blicken wir auf eine sich entwickelnde Welt. Jede Nebenaufgabe ist sinnvoll integriert und zu Teilen so stark inszeniert, dass es sich anfühlt, als könnten sich die aktuellen Geschehnisse gut und gerne als zusätzlicher DLC verkaufen. Hier heißt es also, alle Aufgaben mitnehmen, denn sonst verpasse ich etwas als Spieler und das möchte ich natürlich nicht! Wichtig ist hierbei auch die nötige Mitte aus Stresssituation, Entschleunigung, inhaltliches Vorankommen und Exploration zu bieten. Die Entwickler zeigen beispielhaft, wie lang ein Rätsel oder eine Zwischensequenz dauern darf, damit der Wille in uns nicht erlischt, immer weiter vorankommen zu wollen und auf der anderen Seite nicht gelangweilt zu werden. Mit Hilfe des perfekten Pacings erscheint God of War würdig, eine neue Messlatte für AAA-Titel der nächst größeren Generation zu legen, die aus Spielersicht längst überfällig scheint. Und das ist nur ein Faktor, den sich die Entwickler aus Hollywood abgeschaut haben.
Cineastische Annäherung und Artdesign
In vergangenen Teilen konnten wir viel von der griechischen Mythologie erleben und uns in zahlreiche Schlachten mit übergroßen Wesen und göttlichen Abbildern stürzen. Diese überproportionalen Begegnungen gibt es auch in God of War, allerdings sind sie subtiler und nicht nur als Feinde im Spiel implementiert worden. Beispielsweise dienen sie als Teil der lebendigen Kulisse, was in dieser Form nur mit der aktuellen Technik möglich scheint (auch wenn wir uns wundern müssen, dass so viel Power überhaupt in einer PS4 steckt, haut das Artdesign uns visuell um). Ein Gespräch mit der übergroßen Weltenschlange, der Midgardschlange Jörmungandr, zu führen, sorgt für entsprechende Gänsehautmomente. Oder beispielsweise einen gefallenen Riesen erst aus der Ferne und dann jedes Haar des vereisten Bartes im Wind wehen zu sehen, es gefühlt anfassen zu können, hinterlässt eine einzigartige Erfahrung im Artdesign. Solche Momente werden allen Spielern nachhaltig im Gedächtnis bleibt.
Doch um diese fabelhafte Kulisse richtig in Szene zu setzen, greifen die Entwickler auf ein wichtiges Stilmittel zurück. Sie unterstreichen einen schleichenden Prozess, der Spiele und Kinofilme immer weiter zueinander führt. Mit gekonnten Kameraeinstellungen und dem richtigen Wechsel von der statischen zur dynamisch schwungvollen Kinokamera bieten sie eine cineastische Annäherung, die wir bisher selten in Videospielen zu Gesicht bekamen. Doch nur so können sie scheinbar den maximalen Gebrauch von solch einem digitalen Spielplatz machen und den Spielern so zeitgleich das Gefühl der absoluten Nähe zu den beiden Hauptfiguren suggerieren. Es fühlt sich an, als stünden wir als Spieler daneben. In Zukunft werden wir womöglich noch viele weitere Spiele sehen, die auf etablierte Stilmittel zurückzuführen sind, die in der Kinowelt bereits Alltag geworden sind.
Meckern auf hohem Niveau
Doch auch wenn wir God of War als Top-Titel der aktuellen Konsolengeneration einstufen können, ist dieser Titel nicht gänzlich frei von Punkten, die uns als Vielspieler auffallen und an denen wir uns stören könnten. So wirkt die Hilfestellung, die uns mit Atreus beim Lösen von Rätseln oder im schlichten Kampf gegeben wird, zum Teil sehr inflationär und störend. Das eine oder andere Rätsel würden wir dann doch gerne mit unserem eigenen Grips lösen, doch die Entwickler zweckentfremden unseren kleinen Partner hierfür ein Stückchen zu häufig, weil keine Frustration entstehen soll. Auf der anderen Seite könnte es beispielsweise noch zwei bis drei mehr Soundfiles geben, wenn Kratos stirbt. Es sind jene Situationen, wo die gleichbleibende Aussage nach einigen Stunden und unzähligen Toden immer wieder ertönt. Auf die Dauer wirkt das leider zu repetitiv.
Immersive Funktionen
Wir empfehlen für das optimale Erlebnis das HUD auf immersiv zu stellen, denn das bietet beim Eintauchen mit solch einer gewaltigen Inszenierung diverse Vorteile. Auch wenn ihr so auf die Lebensanzeige der Gegner verzichten müsst, habt ihr in den meisten Kämpfen sowieso keine Zeit, auf diese noch zu achten. Warum? Beispielsweise kann eine einzige Feindkombination so vernichtend sein, dass der Kampf für Kratos umgehend beendet scheint. Konzentration und die richtige Taktik bei abwechslungsreichen Gegnerbegegnungen sind der Schlüssel zum Erfolg.
Auf den Hexenkompass verzichten wir zudem, da wir das Nachschlagen eines Weges lieber mit einem Blick auf die Karte verbinden, ohne immer vorgesetzt zu bekommen, wo es gerade lang geht. Selber denken und eigene Wege planen fördert die Immersion. Zumal die Welt an nahezu jedem Punkt so einzigartig wirkt, dass ihr euch sowieso kaum verlaufen werdet. Und wenn das Spiel uns diese Wahl lässt, dann können wir sie gut und gerne nutzen. Das Tolle daran ist, dass ihr so uneingeschränkt auf ein modernes, audiovisuell starkes God of War blicken könnt, wo höchstens noch die Lebensanzeige und die Fertigkeiten eurer Figur stören können. Doch diese werden außerhalb des Kampfes sowieso ausgeblendet, damit ihr die volle Pracht der Umgebung genießen könnt und die Effekte in God of War werden euch umhauen. Versprochen!