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Halo: Combat Evolved Anniversary: Eine Dekade Magnum-Terror und Plasmagranaten

Kinder, wie die Zeit vergeht! Ganze zehn Jahre ist es her, dass Bungies Halo: Combat Evolved zum Launch der XBOX das Lineup als Speerspitze anführte und Ego-Shooter auf der Konsole ein ganzes Stück salonfähiger machte. Kurzum, Halo war eine Revolution. Jetzt lässt Microsoft den Goldjungen, der noch weit vom Stimmbruch und den ersten Bartstoppeln entfernt ist, in Zusammenarbeit von gleich drei Entwicklerstudios wieder hervorholen und stellt ihn mit dem Zusatz Anniversary als vollwertiges Remake mit LIVE-Anbindung und Achievements für die XBOX 360 ins Regal. Aber hat der Master Chief es immer noch drauf und können wir den Titel in guter Erinnerung behalten?

Der Kampf um die Zukunft

Den media-in-res-Anfang Marke "Raumschiff wird von größerem Raumschiff verfolgt" kennt man vielleicht noch aus einem wahnsinnig erfolgreichen SciFi-Film, auch im Falle von Halo blickt man nach mehreren Jahren des storytechnischen Ausbaus des Universums und besonders nach dem zu Gemüte führen der Prequels etwas besser durch. Die Streitkräfte der Menschheit haben auf dem Planeten Reach eine üble Niederlage gegen die Covenant, einen Bund strenggläubiger Alienrassen, erleiden müssen und mit der Pillar of Autumn steuert nun das letzte überlebende Schiff dieser Schlacht nach einem Blindsprung in den Slipspace auf einen ominösen Ringplaneten zu, leider immer noch mit der Allianz an den Hacken. Also wird kurzerhand der Master Chief aus dem Kälteschlaf geholt, damit er den gegnerischen Streitkräften gehörig in den Hintern tritt. Bei dem Master Chief handelt es sich um einen Spartan, einen mit kybernetischen Implantaten ausgestatteten Supersoldaten, der für die nächsten zehn Stunden euer Protagonist sein wird. Gerne auch mit einem Freund vor der Konsole oder mit insgesamt vier Spielern über Xbox LIVE. Der gute Chief ist ein ziemlich gesichtsloser Kerl, das Reden wird in der Regel von seinem KI-Sidekick Cortana übernommen. Redegewandheit ist nun einmal nicht die Stärke von unserem wortkargen Hauptcharakter, ihm liegt dagegen der Kampf im Blut.

Nach Abschluss des ersten Kapitels inklusive Tutorial findet ihr euch auf der Ringwelt Halo wieder, auf der auch die Allianz Stellung bezogen hat. Ihr sollt mehr oder weniger im Alleingang als fehlerfreier Cowboy den Krieg zugunsten der Menschheit entscheiden, was gar kein so einfaches Unterfangen ist. Eure Feinde sind nämlich keine dämlichen Schießbudenfiguren mit aufgepinselter Zielscheibe auf der Stirn, sondern gehen bei Gefahr in Deckung oder rücken gemeinsam vor und drängen euch in die Enge, auch vor dem Gebrauch von Granaten schrecken sie nicht zurück. Außerdem sind die Fieslinge in ein hierarchisches System aufgeteilt, so gehen die kleinen Grunts bereits nach wenigen Treffern über den Jordan, die Eliten dagegen verlangen nach deutlich mehr Kampfgeschick und regenerieren sich aufgrund ihres Energieschildes mit der Zeit. Die KI von Halo konnte bereits 2001 beeindrucken und auch heute macht sie noch eine ausgesprochen gute Figur. Die meiste Zeit seid ihr alleine unterwegs, hin und wieder gesellen sich ein paar Marines dazu, die jedoch keine allzu große Hilfe sind und in der Regel der nächsten Gegnerwelle nicht standhalten können, sodass ihr kurzerhand wieder ein einsamer Wolf seid.

Dadada-daaaaa, dadada-daaaaa, dadada-DAAAAA…

Mit dem Gameplay konnte Halo im Bereich der Ego-Shooter viele Impulse setzen, da zahlreiche Titel der folgenden Jahre mehrere Features aus dem Spiel übernommen haben, z.B. die selbst aufladenden Schilde und den fliegenden Wechsel eurer Bewaffnung. Da der Chief nur zwei verschiedene Waffen gleichzeitig tragen kann, müsst ihr leergeschossene Knarren regelmäßig gegen neue Schießprügel eintauschen. Das erfolgt schnörkellos über den X-Knopf, ihr könnt jede vor euch liegende Waffe, auch die eurer Gegner, aufheben und der Wechsel on-the-fly im laufenden Gefecht geht nach kurzer Zeit über ins Blut. Unentbehrlich ist auch der Kolbenschlag, bei dem ihr auf Knopfdruck dem Gegenüber eins mit eurer ausgerüsteten Waffe überzieht. Möglich gemacht wird das alles durch die präzise und simple Steuerung, das Button Mapping wurde als Standard für Konsolen-Shooter übernommen. Nur die Fahrzeug-Steuerung mit den beiden Analog-Stick ist unfassbar schwammig und wird bis heute in der Reihe konsequent beibehalten. Wer einen Warthog punktgenau manövrieren kann, hat einen Orden verdient. Gelegenheiten euch über die Fahrzeug-Steuerung aufzuregen habt ihr in fast jedem Kapitel, da ihr immer wieder auf enterbare fahrbare Untersätze wie einen Jeep oder Vehikel der Covenant stoßt, die ihr entern und dann steuern dürft.

Legt man die Original-Disc für die alte XBOX, die dank Abwärtskompatibilität ohne Murren abgespielt wird, in die Konsole ein, stößt man im Jahre 2011 unweigerlich auf folgende Erkenntnis: Die Grafik ist veraltet, und zwar so richtig. Deswegen hat man sich bei dem Remake sehr viel Mühe gegeben die Kampagne optisch zeitgemäß aussehen zu lassen, ansonsten hielt man sich mit Änderungen vornehm zurück. Das Ergebnis ist sehr ansehnlich und besonders die hohe Texturauflösung lässt altbekannte Spielabschnitte geradezu fremd erscheinen, vor allem hilft die neue Ausleuchtung bei der Orientierung in machen Passagen weiter. Zwar reicht die Optik nicht an Halo: Reach heran, jedoch steckt sie viele der erhältlichen HD-Remakes in die Tasche. Wie in den beiden Monkey Island-Remakes könnt ihr mit einem Druck auf den Back-Knopf zurück zu der alten Grafik wechseln, was nicht ganz so flüssig erfolgt wie in Guybrushs Abenteuern und knapp anderthalb Sekunden dauert. Im laufenden Spiel lässt sich jederzeit zwischen der alten und der neuen Grafik hin- und herschalten, da das Remake auf dem Code des Originals basiert. Leider bedeutet das auch, dass ihr mit gelegentlichen Slowdowns beim Laden der Levelabschnitte rechnen müsst. In jedem Kapitel wurden übrigens in der modernen Variante Videoterminals versteckt, die die Hintergründe eures Aufenthaltes auf Halo weiter beleuchten.

Eine Magnum sie zu knechten…

Score und Sprachausgabe blieben weitestgehend unberührt. Unsinnigerweise hat man für die deutsche Synchro ausgerechnet den Part des Master Chiefs, der vielleicht insgesamt vier Zeilen an Text hat, von jemand anders vertonen lassen, während gerade Charaktere wie Cortana oder Sgt. Johnson eine(n) neue(n) Sprecher(in) dringend nötig gehabt hätten. Dafür hat man sämtliche Waffensounds von Skywalker Sounds neu einspielen lassen und besonders die Waffen des UNSC haben einen brachialen Klang. Highlights des Arsenals umfassen die Waffen der Allianz, die statt Blei Energieprojektile verschießen und die Plasmagranaten, die am Feind haften bleiben. In den Schatten gestellt werden sie jedoch alle von der Magnum, die wirklich lächerlich viel Wumms hat. Nach einer Salve Headshots müssen auch die härtesten Gegner kapitulieren, nicht umsonst posiert der Chief auf dem Cover des Spiels mit diesem Power-Püsterich. Sternstunden des Leveldesigns sind die weitläufigen Außenareale, die gut die Hälfte der Kampagne ausmachen. Die andere Hälfte besteht aus schlauchförmigen Gängen nach dem Baukastenprinzip, die nach kurzer Zeit öde und zu häufig wiederholt werden. Definitiver Tiefpunkt ist das Kapitel "Die Bibliothek", welches die mit acht Stunden ohnehin recht knapp bemessene Kampagne unnötig in die Länge zieht.

Der Multiplayer lässt sich am ehesten als ein Map-Pack für Halo: Reach beschreiben. Wählt ihr den Punkt im Hauptmenü aus, wird zunächst der Ladebildschirm von Reach gezeigt und der Titel erscheint als zuletzt gespielt in eurer Profilliste. Für den Mehrspielermodus hat man sechs klassische Maps, darunter Beaver Creek und Damnation, in der Engine von Halo: Reach mit Jetpacks, Assassinations etc. nachgebaut, eine Firefight-Karte gibt es obendrauf dazu. Der Besitz einer Goldmitgliedschaft ist sehr zu empfehlen, da gerade das Social Network "Halo: Waypoint" viele interessante Features für online spielende Halo-Fans bereithält. Pflichtbewussterweise hat man einen Downloadcode beigefügt, mit dem man die Inhalte auch für Reach herunterladen kann. Profis können die Kampagne nun auch mit Schädel-Multiplikatoren in Angriff nehmen, was insbesondere auf dem Schwierigkeitsgrad "Legendär" ein einziger Zahnarztbesuch ohne Betäubung ist. Abgerundet wird das Fan-Paket mit ein paar belanglosen Kinect-Spielereien, einem 3D-Modus und einem Master Chief-Panzer für euren Avatar. Bei einem Preis von 40 Euro ist das angemessen, alternativ schiebt ihr einfach Halo: Kampf um die Zukunft in das Laufwerk der XBOX 360.

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