Artikel

Hearthstone: Test: Genialer Schachzug oder billiger Kartentrick?

Blizzard hat es mal wieder geschafft: Ein Genre popularisiert, das vorher nur mäßig beachtet wurde (PC-Kartenspiele). Man hat ein Spiel erschaffen, an dem so schnell niemand vorbeikommt. Hearthstone ist in aller Munde, dabei wollte zu Anfang niemand so wirklich was von dem Titel wissen. Nachdem das kostenlose Online-Sammelkartenspiel jüngst in die Open Beta gewechselt ist und sich laut Entwickler nur noch wenig an den Karten ändern wird, können wir nun getrost resümieren, wie gut Hearthstone letztendlich nun wirklich ist. Über drei Monate befand sich der erste Free-2-Play-Titel von Blizzard im geschlossenen Betatest und auch wir hatten ausgiebig Möglichkeiten, einen Blick auf das Kartenspiel zu werfen. Bereits in unserem Jahresbericht 2013 haben wir Hearthstone als einen der Hits überhaupt hervorgehoben und an dieser Haltung hat sich bisher wenig geändert.

Ein Kartenspiel!?!

Exakt so werden die Zuschauer auf der PAX East 2013 geguckt haben, als Blizzard seine große Enthüllungsbombe platzen ließ. Man hatte mit allem gerechnet: Erweiterungen für World of Warcraft und Diablo oder sogar erste Informationen rund um das neue MMO Titan. Als dann aber mit Hearthstone ein kostenloses Sammelkartenspiel angekündigt wurde, war die Laune erst mal im Keller. Sollte dieses Frischgeborene von Blizzard ein fataler Misserfolg werden? Weit gefehlt, denn Hearthstone kam an. Sogar so gut, dass Zugänge für die Closed Beta für über 100 Euro auf eBay über den Tisch gingen. So etwas gibt es sonst nur bei ganz heißer Ware. Blizzards Kartentricks wissen zu faszinieren und sind auch gar nicht so neu. Das offizielle Trading Card Game zu World of Warcraft existiert schon viele Jahre und wurde anfangs eifrig gespielt. Allerdings sah Blizzard wohl auf dem analogen Markt keine Zukunft mehr und so stampfte man das eine Spiel ein, um daraus ein Onlinegame zu machen. Der Plan ging auf, denn Hearthstone gehört zurzeit zu den begehrtesten Neueinsteigern in der E-Sport-Szene. Das hat auch seinen Grund: Hearthstone macht nämlich verdammt viel Laune und obendrauf noch süchtig – wie wir es von guten Blizzard-Spielen eben gewohnt sind.

Hearthstone in a nutshell

Das Konzept von Hearthstone funktioniert nach dem bekannten „Leicht zu lernen, hart zu meistern“-Prinzip. Zwei Spieler sitzen sich an einem virtuellen Tisch gegenüber. Jeder von ihnen hat 30 Karten im Gepäck, von denen er zu Anfang drei Stück zieht und nach Bedarf ein Mal austauschen kann. Danach entscheidet der Zufallsgenerator, wer den ersten Zug machen kann. Der andere Spieler erhält eine zusätzliche Karte. Beide Kontrahenten verfügen über 30 Lebenspunkte, die auf null reduziert werden müssen. Hier kommen nun die Karten ins Spiel, denn jeder Spieler verfügt über einen pro Runde ansteigenden Manapool. Bis zu 10 Mana können regulär erreicht werden. Exakt so funktioniert auch das Ziehen. Jede Karte benötigt eine gewisse Anzahl Mana. Ist der Vorrat des Spielers erschöpft, muss er seinen Zug beenden.

Die Kartendecks sind in verschiedene Klassen aufgeteilt und natürlich hat jede ihre ureigenen Fähigkeiten. Da das ganze Spiel direkten Bezug auf World of Warcraft nimmt, entsprechen auch die Deckklassen derer im erfolgreichen MMO. Wir haben also Krieger, Magier, Priester, Paladin, Schamane, Schurke, Jäger und Hexenmeister. Zu jeder Klasse gehört ein Satz spezifischer Karten, damit zum Beispiel der Magier auch sehr starke Zauber wirken kann, während der Jäger eher von einer großen Sammlung Wildtieren lebt. Dazu gesellen sich noch unzählige reguläre Karten, die jede Klasse benutzen kann. Insgesamt 30 Stück wandern dann in das Deck und damit geht es in die Schlacht. Optional gibt es auch vorgefertigte Basisdecks für Neueinsteiger. Diese erweisen sich aber schnell als extrem unausgeglichen. Das Zusammenstellen eines eigenen Decks ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Partie Hearthstone.

Des Pudels Kern in diesem Spiel ist die Synergie des Zusammenspiels der einzelnen Karten. Diese verfügen nämlich über verschiedene Fähigkeiten. Die meisten besitzen einen Angriffs- und einen Verteidigungswert. Damit können gegnerische Karten oder eben auch der andere Spieler attackiert werden. Zusätzlich gibt es noch unzählige Attribute, wie zum Beispiel „Spott“, damit der Gegner gezwungen ist erst diese Karte anzugreifen, oder Zaubermacht, um eben den Effekt von Zauberkarten zu steigern.

Grundlegend unterteilen sich die Karten in verschiedene Typen. Es gibt Dienerkarten, deren Wesen ebenfalls allerhand Boni besitzen können, Zauberkarten, um magische Effekte oder Attacken zu wirken, Geheimniskarten, die verdeckt gespielt und nur unter bestimmten Voraussetzungen aktiv werden, sowie Waffenkarten, die dem Spieler einen eigenen Angriffswert verleihen. Zusätzlich verfügt jede Klasse über eine eigene Fähigkeit. Magier und Jäger teilen Schaden aus, Priester heilen Diener oder sich selbst, Paladine rufen einen Diener herbei, Krieger geben sich Rüstung, Druiden Rüstung und Angriff, Schurken legen einen Dolch an, Schamanen rufen ein zufälliges Totem und Hexenmeister fügen sich selbst Schaden zu, um eine weitere Karte ziehen zu können.

Wem das schon zu kompliziert ist, dem dröhnt jetzt bestimmt gleich der Kopf, denn die Karten haben auch noch verschiedene Qualitätsstufen. Angefangen von normalen, über seltene, bis hin zu epischen und legendären Karten gibt es hier Rangordnungen. Aber auch hier hat Blizzard mitgedacht. Zwar besitzen zum Beispiel epische Karten starke Effekte und Attribute, aber diese sind nicht in jedem Fall positiv für den Spieler. Oft muss man hier auch mit Entbehrungen leben. So zum Beispiel vernichtet die Karte „Todesschwinge“ alle Karten auf dem Feld und auf der Hand. Allerdings sind damit auch die eigenen gemeint. Wer also schon die besten Stücke seines Decks verspielt hat, sollte diese Karte wohl lieber nicht spielen. Für Sammler gibt es noch zusätzlich goldene Karten. Diese haben keine speziellen Boni, sehen aber besser aus und sollen die Spielerfahrung symbolisieren.

Exakt hier liegt der Teufel im Detail. Es gibt quasi unendlich viele Möglichkeiten, seine Karten strategisch auszuspielen. Aber auch genau das macht den Reiz von Hearthstone aus. Jede Partie verläuft anders, jeder Gegenspieler hat seine eigene Taktik. Das Wort Strategie wird ganz groß geschrieben. Während man anfangs noch eher unbeholfen durch den Kartendschungel tappt, erwischt man sich schnell dabei, wie man seine Decks auf ein bestimmtes Ziel ausrichtet und immer verwachsener mit den Karten wird.

Tutorial und Spielmöglichkeiten

Natürlich müsst ihr nicht erst Kartenwissenschaften studieren, bevor ihr Hearthstone spielen könnt. Ein kurzes Tutorial leitet euch durch eure ersten Runden und erklärt euch das grundlegende Spielprinzip. Der Einstieg ist also leicht, wobei der Weg zum Meister noch hart und lang wird. Aber eben dadurch entwickelt sich auch diese Sucht nach dem Kartenspiel. Schnell sind erste Runden gewonnen, neue Karten erhalten und der Drang, noch eine weitere Partie zu spielen, sehr groß. Hier ist Blizzard exakt das gelungen, was bei Diablo 3 nicht so recht klappen wollte. Das Spiel fesselt uns und aus „nur schnell eine Runde spielen“ wird nicht selten ein ganzer Abend.

Gespielt werden kann entweder ganz regulär gegen einen zufälligen Spieler mit in etwa gleichstarkem Deck, gegen die KI – in Form von Übungsspielen – oder gegen Freunde aus der Battle.net-Liste. Im Modus „Spielen“ schaltet ihr mit jedem Sieg einen Rang frei und könnt so in der internen Liste, die leider noch nicht einsehbar ist, weiterkommen. Zusätzlich gibt es bald noch eine hauseigene eSport-Ladder. Diese ist bisher noch in der Testphase, wird aber zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Wer eine noch größere Herausforderung will, kann sich für 150 Gold für die Arena anmelden. Hier wird nicht mit den eigenen Karten gespielt, es muss ein einmaliges Deck aus einer Reihe vorgegebener Karten ausgewählt werden. Hier erhält jeder Zugriff auf sehr starke Karten und hat keine Möglichkeit, eigene mitzunehmen. Gleiche Voraussetzungen für alle also. In der Arena geht es darum, möglichst viele Spiele zu gewinnen. Hat man dreimal verloren, ist man draußen. Als Belohnung gibt es immer einen Gratis-Booster und Entzauber-Reagenzien, später auch Gold.

Auch wenn am Grundprinzip des Spiels in den einzelnen Modi nicht gerüttelt wird, stört das nicht. Die Abwechslung liegt hier in der Ungewissheit. Welche Taktik der nächste Gegner spielen wird, wie die Karten auf die Hand kommen und welche Strategie man selbst fahren muss. Bei Hearthstone ist praktisch jede Runde anders.

Wie kommt man an die Karten?

Ähnlich wie bei einem echten Sammelkartenspiel erhält man neue Karten in sogenannten Boostern. Die kosten entweder 100 Gold für eine oder 2,69 Euro für zwei Packungen. Wer mehr auf einmal will, muss Euro ausgeben. Bis zu 44 Packungen für 44,99 Euro können erkauft werden. Ist das Pay-2-Win? Hierüber streiten sich nun die Geister. Praktisch ist es möglich, sich seine Karten über Levelaufstiege, die Arena oder mit dem erhaltenen Gold, durch das Erfüllen von Quests, zu besorgen. Im Internet gibt es auch einen Haufen Guides für Basiskarten-Decks, mit denen man schon sehr weit im Spiel kommt, ohne Geld auszugeben. Wer natürlich schnell an sehr gute Karten kommen möchte, der muss in die Tasche greifen. Interessant ist dabei, dass der Modus „Spielen“ nach Deckstärke auswählt, ihr also keine Gegner zugewiesen bekommt, die nur epische Karten besitzen. In der Arena können ebenso keine eigenen Karten verwendet werden, dafür gibt es hier aber Packungen und Gold als Belohnung. Quests werden jeden Tag frisch serviert. Entweder muss man eine bestimmte Anzahl Siege mit einer Klasse erziehen, Diener töten oder Schaden verursachen. Auch hier gibt es Gold als Belohnung. Ebenso dafür, wenn man drei Siege erreicht hat. Eine weitere Methode an neue Karten zu kommen liegt darin, unbrauchbare oder doppelte Karten zu entzaubern. Zusammen mit den Reagenzien aus der Arena kann man dann alle Karten im Spiel auch selbst herstellen. Bei besonders hochwertigen Exemplaren dauert es natürlich seine Zeit, bis man alle Materialen zusammen hat.

Aus unserer Sicht hat Hearthstone ein sehr faires Spielsystem, bei dem quasi niemand benachteiligt wird. Man kann natürlich Geld ausgeben, muss es aber nicht. Beide Parteien können in den höchsten Rängen mitspielen. Hier ist Blizzard, neben Valve und Riot Vorreiter für die goldene Zukunft des wirklich fairen Free-2-Play.

Eine große Besonderheit bei Hearthstone ist, dass Eltern über die Freigabe-Einstellungen des Battle.net die Ausgabe von Geld für ihre Kinder sperren können.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"