Das Action-RPG Horizon: Zero Dawn stellt die Brücke zu einer neuen Marke und einem andersartigen Weg dar, den Guerrilla Games momentan einschlägt. Es handelt sich hierbei um das erste Rollenspiel der Killzone-Macher. Warum es der Videospielindustrie gut tut, neue Marken auszuprobieren und zu etablieren, möchten wir euch in unserem Test zum Fantasy-Epos näher bringen.
Guerrilla Games konnte mit der Killzone-Reihe einen vollen Erfolg landen. Heute gibt es unzählige Ableger, die an den Erfolg anknüpfen sollten. Allerdings ist das Ausschlachten einer Marke zum Problem einer ganzen Industrie geworden. Es wird sich auf dem Erfolgsrezept ausgeruht, das eine stetig währende und funktionierende Formel beinhaltet. Doch auch nach dem zwanzigsten Ableger einer Spielereihe wird eine funktionierende Formel nicht immer neue Spieler einfangen können, wo auf der anderen Seite parallel die alteingesessenen Fans einer Reihe zumeist vom Überfluss des Angebots gesättigt sind oder dies eines Tages so empfinden könnten.
Das heißt nicht, dass so ein Konzept nicht funktioniert, aber hin und wieder ist es wichtig, frischen Wind durch den Spielemarkt wehen zu lassen. Obgleich dieser Schritt in nachvollziehbarer Weise auch immer mit einem gewissen Risiko verbunden ist. Ob eine Marke von den Spielern angenommen wird oder nicht, muss sich dann von Grund auf neu zeigen. Doch gerade in Zusammenarbeit mit Sony konnten diverse Spielehersteller schon für den einen oder anderen Erfolgshit sorgen. Guerrilla hat sich entschieden ein Rollenspiel zu produzieren und mit ihren vorhandenen Fähigkeiten haben die Entwickler genau ins Schwarze getroffen.
Aloy, die Ausgestoßene
Allem voran benötigt es für ein funktionierendes Rollenspiel starke Charaktere, die vom Spieler wohlwollend aufgenommen werden – einen im besten Fall berühren. In Horizon: Zero Dawn dreht sich alles um die zentrale Figur Aloy. Als kleines Kind verstoßen von ihrem Stamm, kämpft sie sich durch eine kalte und erbarmungslose Welt. Es gilt das nackte Überleben, denn die Welt – obwohl es 1000 Jahre in der Zukunft angesiedelt ist – hat sich zu einem gewissen Maße zurückentwickelt. Die Menschen leben als Jäger und Sammler, in einem Bund innerhalb einzelner Stämme, zusammen. Doch die Postapokalypse sieht vor, dass alte Maschinen, die als autonome Lebensform sehr weit fortgeschritten sind, mit den Menschen in Koexistenz auf dem Planeten leben.
Mensch und Maschine teilen sich die Welt, die der Steinzeit zu ähneln scheint und Aloy muss ihr Dasein als Einzelgängerin fristen. Doch eben dieser Umstand macht sie zu dieser einzigartigen und starken Kriegerin, die im erwachsenem Alter bereit ist jeden Kampf zu bestreiten. Und starke Kämpfer werden in dieser rücksichtslosen Welt gebraucht, wie sich sehr bald herausstellen sollte.
Doch neben Aloy gibt es noch andere Figuren, die eine wichtige Rolle für den Handlungsrahmen einnehmen. Rost, ebenfalls Ausgestoßener des Stammes, nimmt die Rolle des Mentors ein und kümmert sich um die kleine Aloy, während niemand anderes mit ihr sprechen darf. Ein großes Mysterium entsteht um den Verbleib ihrer Mutter. Wer war sie und warum musste Aloy ohne sie aufwachsen?
Das sind zentrale Fragen des Handlungsbogens. Rost wird nicht nur ihr Mentor, sondern auch eine Vaterfigur. Andere Charaktere, wie die Urmütter der Stämme, treten auf und sorgen für den entsprechenden Dialog. Insgesamt gibt es immer wieder Figuren mit einem Alleinstellungsmerkmal und reellem Wiedererkennungswert innerhalb der einzelnen Stämme. Diese werden beispielsweise in manchen Quests bereits im Vorfeld angekündigt, was den Spannungsbogen leicht anzieht, bis der Spieler ihnen zu gegebener Zeit über den Weg läuft.
Von Welten und Geschichten
Doch was wären starke Figuren ohne ein entsprechendes Setting und einem geeignetem Spielplatz? Guerrilla Games hat sich mithilfe der Grafik-Engine Decima selbst übertroffen und ein grafisches Konstrukt geschaffen, das einem Bilderbuchgemälde ähnelt. Nicht nur das namensgebende Morgengrauen in seichtem Rot versetzt den Spieler in Staunen. Der grundlegende Aufbau der postapokalyptischen Welt birgt unzählige Geheimnisse, die entdeckt werden möchten. Allem voran gibt es ein dynamisches Wettersystem und einen Tag- und Nachtwechsel. Dabei taucht der Tag die Umwelt in genauso schöne Farben wie die Nacht, die mit einem wunderschönen Sternenhimmel zu überzeugen weiß.
Das Story-Geflecht spiegelt sich zudem im Aufbau der Karte wider. Die Postapokalypse hat Spuren auf der Welt hinterlassen. Und die Rede ist nicht nur von den alten Maschinen, die ihr überall auf der Welt vorfindet, sondern auch vom direkten Level-Design. Obgleich es sich um eine fantastisch aussehende Welt handelt, die überwiegend Natur beinhaltet, sehen wir alte Konstrukte und die Zeichen der alten Welt. Das können verrostete Stahlträger von alten Gebäuden oder gar ein alter Panzer sein, den wir erst nach näherem Hinsehen als solchen entlarvten.
Abseits dessen gibt es bestimmte Ruinen und Brutstätten, die euch in ein vollkommem anderes Setting – in die vergangene Welt der Menschheit oder der Maschinen – werfen. Ausfallene Dynamik steckt nicht nur in den Figuren, dem Gameplay und dem Quest-Design, sondern auch im Level-Design und der Umgebung. Das macht das Spiel auch abseits der Grafik so fantastisch.
Und für alle Fragezeichen in Hinsicht auf das technische Update der PS4 Pro: Hier können wir direkt Entwarnung geben! Die Version auf der PS4 Pro kann zwar mit einigen zusätzlichen Details auftrumpfen, allerdings tut es der normalen Version auf der regulären PS4 keinen Abbruch. Es ist neben Uncharted 4 das bis dato bestaussehendste Spiel auf der PlayStation 4. Die Decima-Engine und der technische Fortschritt in der Entwicklung machen es zu diesem malerischen Kunstwerk.
Via Quest-Design zum Erfolg
Auf der einen Seite gibt es die lineare Reihe der Hauptquests, die für das Voranschreiten der Geschichte wichtig ist. Hier werdet ihr immer wieder mit liebevoll inszenierten Cutscenes begrüßt, sodass sich das Geflecht und die Geheimnisse um Aloy, ihre Mutter und die gesamte Welt Stück für Stück auflösen. Abseits dessen haben die Entwickler jedoch eine wichtige Einteilung der Side-Quests vorgenommen. Die Angst vor einem umfangreichen Rollenspiel fundiert oft in repetitiven Aufgaben, die keinen Gehalt bieten und im schlechtesten Falle sogar gesichtslose Puppen als Nebenfiguren implizieren. Um von typischen Aufgaben weg zu kommen, haben sich die Entwickler gedacht, dass sie die Side-Quests also in einzelne Kategorien unterteilen.
So könnt ihr nun selbst entscheiden, ob ihr euch einer einfachen Nebenaufgabe widmet, die zum Glück keine leeren Figuren vorsieht, sondern auch hier tiefer in die Welt und die Thematik der verschiedenen Stämme einführt oder ob ihr anderen Aufgaben gewachsen seid.
Beispielsweise gibt es eine Kategorie, die sich nur mit einer ganz bestimmten Gattung der Maschinen befasst. Dann wären da noch die Jagdgebiete, die verschiedene Jagdaufgaben beinhalten oder gar die sogenannten "Brutstätten". Hier wird es besonders interessant, aber aus Spoiler-Gründen möchten wir nicht näher auf diese Kategorie eingehen. Ferner gibt es noch Banditenlager oder beispielsweise Gebiete, die mit korrumpierten Maschinen befallen sind, die es zu säubern gilt. Die Einteilung der Quests sorgt nicht nur für Entscheidungsfreiheit, sondern auch für anhaltende Motivation. Die Abwechslung und der Aufbau der Aufgaben ist hier der Schlüssel zum Erfolg.
Differenziertes Gameplay: Jäger und Sammler
Ein gutes Rollenspiel ist immer so gut wie seine Figuren, allerdings darf es auch an einem adäquaten Gameplay nicht mangeln. Und die Rede ist nicht von der obligatorsichen Auswahl der Entscheidungen, die ein Spieler in bestimmten Situationen treffen kann, sondern von einem funktionierenden Gameplay, das sich anders und spaßig anfühlt. Guerrilla Games hat diesbezüglich genug Ideen in petto, sodass sie auch hier dem einen oder anderen Rollenspiel einiges voraushaben.
Selbst im allseits beliebten Mass Effect aus dem Hause BioWare kam es hin und wieder zu schlauchigen Leveln und die Action-Gameplay-Einlagen wurden zum Teil von den Spielern als zu lang oder störend eingestuft. Bei Horizon: Zero Dawn hatten wir dieses Gefühl zu keinem Zeitpunkt. Doch wie kommt das?
Guerrilla hat eine zauberhafte Brücke geschlagen, die auf dem Element des Jagens und Sammelns basiert. Als Jäger fühlen wir uns unseren Urinstinkten gegenübergestellt und dürfen dabei auf die Jagd nach übergroßen Sci-Fi-Monster-Maschinen gehen. Die Anzahl der einzelnen Gegnertypen ist begrenzt, aber bietet gerade so viel Abwechslung, dass dem Spieler nie langweilig wird. Im Gegenteil, das Entdecken einer neuen Art wird stets als Freude empfunden, da es uns immer wieder vor neue Herausforderungen stellt. Die Kämpfe sind nicht sonderlich einfach gestrickt, sodass der Spieler kluges Köpfchen im Umgang mit den Waffen beweisen muss. Es gibt tatsächlich nur altertümmliche Waffen wie den Bogen, eine Steinschleuder oder einen Speer, womit ihr diese Monstrositäten erlegen müsst.
Aber auch hier gibt es diverse Einfälle, um dem Spieler entgegenzukommen. So könnt ihr beispielsweise einen Kampf vorbereiten, indem ihr im Vorfeld entsprechende Fallen auslegt oder mit einem bestimmten Fund aus der alten Zeit einen Scan durchführt, der euch die einzelnen Schwächen und Stärken der Gegner verrät.
Wichtig hierbei ist auch, dass es nicht bei einem Rüstungsteil oder einer Waffe bleibt. Wie wir es aus Rollenspielen wie World of Warcraft etc. gewohnt sind, werden die Waffen zufällig gedropt und in Kategorien wie gewöhnlich oder sehr selten eingestuft. Umso seltener eine Waffe ist, desto stärker und mächtiger ist sie am Ende.