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Mit dem interaktiven Teenie-Slasher Until Dawn legte Supermassive Games 2015 womöglich noch unbewusst den Grundstein für den Episoden-Horror der Dark Pictures Anthology. Nach Man of Medan im August 2019 und Little Hope vor gut einem Jahr steht nun mit House of Ashes bereits der dritte Teil in den Startlöchern auf PC, PlayStation und Xbox.
Wir haben das Action-Adventure, das wie üblich eine komplett eigenständige Geschichte erzählt, bereits vor dem Launch mehrfach durchgespielt. Im Folgenden möchten wir euch spoilerfrei erklären, weshalb Fans der Horror-Reihe am neuen Schauplatz im Irak zwar teils ganz anders, aber nicht weniger auf ihre Kosten kommen.
Fünffacher Überlebenskampf
Wer die ersten beiden Episoden der „Dark Pictures Anthology“ kennt, hat bereits eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie „House of Ashes“ funktioniert. Da die neue Episode inhaltlich zwar kleine Bezüge zu „Man of Medan“ und „Little Hope“ herstellt, es sich jedoch um ein komplett eigenständiges Spiel handelt, möchten wir euch das grundlegende Spielkonzept dennoch kurz erläutern:
Ihr schlüpft in der Story-Kampagne, die optional auch in einer Art Couch-Party- sowie zu zweit im Online-Koop-Modus gespielt werden kann, abwechselnd in die Rollen von fünf Helden. Diese steuert ihr bei der Erkundung der Levels relativ frei aus der Verfolgerperspektive und beeinflusst den im Kern linearen Verlauf der Story vornehmlich durch Dialogentscheidungen und im Rahmen von kleinen Quick-Time-Events. Davon hängt einerseits die Beziehung der einzelnen Spielfiguren untereinander ab, vor allem aber, ob sie das Ende lebend erreichen oder auf dem Weg dorthin einen meist ziemlich grausam inszenierten Tod sterben.
Ein Spieldurchgang allein beschäftigt euch mit circa fünf Stunden erneut nicht allzu lang, das Entscheidungssystem sorgt jedoch für einen hohen Wiederspielwert. Stirbt beispielsweise einer der Charaktere oder einer der nicht selbst steuerbaren Begleiter früh, verändern sich die späteren Kapitel teils drastisch und gewähren etwa Zugriff auf ganz andere Dialog- und sonstige Entscheidungsoptionen.
Tatsächlich mag die Komplexität des Systems ein vergleichbares Niveau erreichen, wenigstens gefühlt geht „House of Ashes“ jedoch einen Schritt weiter. Denn in den vorherigen Episoden hatten wir deutlich stärker den Eindruck, schon nach einem Durchgang alles Wesentliche erlebt zu haben. In „House of Ashes“ lohnen sich Experimente hingegen mehr, wobei selbst vermeintliche Kleinigkeiten häufig Konsequenzen großer Tragweite erzeugen.
An welchen Stellen ihr besonders wegweisende Entscheidungen trefft, macht „House of Ashes“ wie schon die Vorgänger sichtbar, ohne euch zu verraten, was genau sich dort durch diese oder jene Wahl verändert. Blind ins Verderben laufen müsst ihr ebenfalls nicht. Wer die Umgebung genauer inspiziert, schaltet wie gehabt sogenannte Vorahnungen frei, die einen dezenten Hinweis auf eine potenzielle Todesszene und wie man diese vielleicht überleben kann gibt, ohne dass darunter die Atmosphäre leidet.
Tiefgründige Soldaten statt Klischee-Cast
Während das grundlegende Spielkonzept von „House of Ashes“ mit dem der Vorgänger identisch ist, gibt es auch einige deutliche Unterschiede. Das gilt nicht bloß für das neue Setting, das euch im Jahr 2003 wenige Wochen nach dem Einmarsch der US-Amerikaner in den Irak und schließlich in einen uralten unterirdischen Tempel führt, in dem ihr von dämonenartigen Kreaturen gejagt werdet.
Allein schon das Charakterensemble ist völlig anders. In „House of Ashes“ spielt ihr nämlich überwiegend Angehörige des US-Militärs respektive der CIA, die in besagtem Tempel das Versteck von Saddam Husseins vermeintlich gehorteten Massenvernichtungswaffen vermuten. Frei von Klischees sind CIA-Mitarbeiterin Rachel oder der arrogante Marine Jason zwar nicht. Anders als etwa die Studentengruppe in „Little Hope“ wirkt das Quintett in „House of Ashes“ jedoch weit weniger wie eine aus irgendeinem Horror-Streifen der 1980er entlehnte Gruppe. Auch die lose Einbettung in den historischen Kontext des letzten Irakkriegs trägt deutlich zur Glaubwürdigkeit bei – soweit das in Anbetracht von mörderischen Dämonen eben möglich ist.
Mehr Panik-Action als Jumpscare-Grusel
Das männlich dominierte Ensemble, Rachel ist die einzige spielbare Heldin, und dessen meist militärischer Hintergrund, verändern aber auch die Art des Horrors und des Actionanteils allgemein deutlich – womit wir nicht die Anzahl an QTEs an sich meinen. Prinzipiell erwarten euch in „House of Ashes“ zwar dieselben Formen von Reaktionsspielchen wie in den Vorgängern, also etwa das Hämmern auf den Aktionsknopf, wenn ihr zum Beispiel eine Tür aufbrecht, oder ein gut getimter Klick auf die richtige Aktionstaste, um beim Schleichen keinen Krach zu machen. Deutlich häufiger aber kommen QTEs vor, bei denen ihr schnell ein Fadenkreuz auf einen Gegner verschieben müsst, um diesen mit Waffengewalt abzuwehren.
Das macht das Geschehen nicht weniger intensiv. Das Mehr an Krachbumm verdrängt die subtileren Gruselanteile aber zugunsten von mehr Panik-Action stark in den Hintergrund. Das hat jedoch gerade für die unter euch, die klassische Jumpscares nicht sonderlich schätzen, einen Vorteil: die reduziert Supermassive Games nämlich noch einmal deutlich.
Was sich ebenfalls ändert, ist die Schwierigkeit. Hatten die ersten beiden Episoden nämlich noch einen festen Schwierigkeitsgrad, könnt ihr beim Start nun aus drei Stufen wählen. Die mittlere entspricht in etwa dem Anspruchsniveau der Vorgänger. Die leichtere könnte man als Story-Modus verstehen, bei dem selbst die Reaktionsfähigkeit grobmotorischer Spieler*innen nicht überstrapaziert wird. Die höchste Einstellung ist deutlich schwieriger und für die Mehrheit der Gamer recht herausfordernd. Wir finden das Angebot sehr löblich, denn gerade bei QTEs ist es mit einer Schwierigkeitsstufe kaum möglich, den Bedürfnissen aller gerecht zu werden. Schade nur, dass diese Voreinstellung nur beim Start eines neuen Durchgangs verfügbar ist und ansonsten bis zum Ende nicht mehr verändert werden kann.
Next-Gen-optimiert mit kleinen Macken
Ein Novum für die „Dark Pictures Anthology“ stellt auch die Optimierung für die neuen Konsolen von Sony und Microsoft dar – „Little Hope“ erschien wenige Wochen vor Launch von PS5 und Xbox Series X/S ausschließlich für die vorherige Generation. Dabei profitiert ihr allerdings nur zum Teil von der höheren Leistungsfähigkeit auf Next-Gen, im Wesentlichen nur von den schnellen SSDs. Konkret gibt es auf der neuen Konsolengeneration also kürzere Ladezeiten und weniger sichtbare Texturnachlader zu Beginn einer neuen Spielszene – ein früher typisches Problem der Unreal Engine, das die meisten anderen Entwickler mit der aktuellen Version allerdings besser im Griff haben als Supermassive Games.
Hundertprozentig geglückt ist die Optimierung im Zusammenhang damit nicht, wobei sich dies mit dem in unserer Testversion noch nicht verfügbaren Day-One-Patch noch ändern könnte. Die beim Vorgänger noch relativ lang sichtbaren Ladebalken erscheinen genau genommen nur noch für den Bruchteil einer Sekunde, verschwinden aber nicht vollständig. Nicht schlimm, aber eben nicht perfekt für ein bruchloses Spielerlebnis.
Was ebenfalls auffällt ist, dass die reinen Grafikassets auf allen Plattformen identisch zu sein scheinen, was auch die nahezu deckungsgleiche Installationsgröße der Versionen auf PS4 und PS5 zeigt. Es gibt also auch auf den Next-Gen-Plattformen hier und dort ein paar vergleichsweise grob aufgelöste Texturen – und nicht nur dort, wo es nicht ins Auge fällt –, die man für die leistungsstärkeren Plattformen sicherlich mit besseren Varianten hätte austauschen können.
Kleine Probleme wie hier und dort zittrig oder unnatürlich wirkenden Animationen gibt es ebenfalls noch. Die ändern aber wie schon in „Little Hope“ unterm Strich nichts an der hohen Qualität insbesondere der fast immer lebensechten Mimik oder den tollen Licht- und Schatteneffekten. Via Patch abgestellt werden müssen auch ein paar Soundfehler, die jedoch praktisch ausnahmslos die gute, vollständige deutschsprachige Lokalisation betrifft. Dabei geht es primär um einzelne Sprachsamples, die auch in der deutschen Fassung auf Englisch wiedergegeben werden. Aber auch in Bezug darauf gilt: Kleinigkeiten, die der Atmosphäre nicht wirklich schaden und die zudem noch per Update gefixt werden könnten.