Ein prominenter Redakteur des US-amerikanischen Videospielmagazins IGN soll eine Review plagiiert haben. Die Wortwahl seines Textes ähnele einem Video, das ein kleinerer YouTuber zwei Wochen zuvor veröffentlichte. IGN sprach dem Redakteur die sofortige Kündigung aus.
Wie gut, solide oder schlecht ein Spiel sowie dessen unterschiedlichen Facetten sind, darüber klären seit jeher sowohl amateurhafte als auch professionelle Reviewer auf. Sie spielen einen Titel, in der Regel noch vor Release, bewerten einzelne Aspekte und veröffentlichen dann ihre ganz persönliche Meinung. Eine Review ist somit immer subjektiv, entspricht stets der Einstellung des jeweiligen Reviewers und ist in keinem Falle objektiv – entgegen vieler Vorstellungen.
Damit ein Reviewer tatsächlich seine Meinung wiedergeben kann, muss er sich zuvor aber ausführlich mit dem jeweiligen Spiel auseinandersetzen. Ein Redakteur des US-amerikanischen Videospielmagazins IGN scheint genau dies nicht getan zu haben: Dem für den Nintendo-Bereich zuständigen Filip Muicin wird vorgeworfen, einen Großteil seiner Review zum soeben erschienenen Dead Cells plagiiert zu haben.
Geklaut statt selbst erbaut
Betroffen ist der Betreiber des YouTube-Kanals Boomstick Gaming, der vor Ausbruch der Vorwürfe etwas weniger als 10.000 Abonnenten aufwies. In einem Video beschwerte er sich darüber, dass IGN seine Review nahezu vollständig übernommen habe – mit leicht verändertem Wortlaut. Während Muicins – sowohl schriftlicher als auch in einem Video festgehaltener – Test am Montag erschien, veröffentlichte Boomstick Gaming seinen bereits am 24. Juli, also satte zwei Wochen zuvor.
Der YouTuber bekam von der Review nur wenige Stunden später mit und verglich den Wortlaut sowie die Textstruktur in einem seperat angefertigten Video. Muicin soll das gesamte Grundkonstrukt kopiert haben und dabei „auf dem Level eines Schülers“ Wörter geändert haben, um das Plagiat zu vertuschen.
STRG + C, STRG + V
Sagen wir es so: Nachdem wir die beiden Texte miteinander verglichen, kamen auch bei uns Zweifel auf. Muicin scheint tatsächlich auf dreiste Art und Weise plagiiert zu haben, wie die von Boomstick Gaming erfolgten Vergleiche zeigen (Wortlaut):
Boomstick Gaming: Dead Cells takes the progression of a metroidvania and integrates it into this procedurally generated action rogue lite…
Filip Muicin: It takes the progression system of a metroidvania and transforms it into a procedurally generated action rogue lite…
Boomstick Gaming: In Dead Cells you will need to kill your way through a labyrinth of levels all punctuated by boss encounters that starts off quite linear but the more you play the more routes and game mechanics open up to you. You might not be able to make it to the final boss on your current run but if you can manage to salvage some blueprints for some new gear or better yet, a ability altering rune, it makes it all worth your while….
Filip Muicin: In Dead Cells you fight your way through a ever changing labyrinth of levels with branching paths, your almost guaranteed not to make it all the way through on every run, but as your efforts lead you to blueprints that unlocked new gear, it makes it all worth your while….
Boomstick Gaming: In most games of this genres your coolest skills and spells are often set to stricky long recharge timers or a limited mana system but in Dead Cells, your abilities have incredibly quick recharges and allow you to seamlessly integrate these gadgets in normal encounters and doesn’t make you feel penalized for using your cool stuff. This combat system is fast, fluid, responsive and one of the most rewarding representation of 2d combat of the entire genre.
Filip Muicin: Most games limit your most useful skills with long cool down timers or a limited mana system but Dead Cells encourages you to use your deadliest gadgets with a fast recharge timer. It never punishes you using your best tactics. Fights are fast, fluid, responsive and hands down one of the most gratifying representations of video combat i've ever experienced.
Boomstick Gaming: Dead Cells only falters slightly with some repetition setting in, especially on the early areas and during longer play sessions. The enemy designs here are interesting and fun to fight but in the first level alone you will probably have killed the same enemy about 50 times already and that same enemy will be used throughout various levels.
Filip Muicin: Dead Cells does falter slightly with some repetition but its only felt in its earlier areas and during extended play sessions. While early level enemies are a good introduction and make for fun and interesting fights early on, you can only kill so many zombies before it starts feeling a little stale.
Boomstick Gaming: Dead Cells figures out and intriguing way to have your rogue lite and metroidvania experience all in one by focusing on your failures and urging you to try something new the next time.
Filip Muicin: Dead Cells strikes a perfect and engaging balance between the metroidvania and rogue lite experiences by focusing on your failures and urging you to experiment when you do fail.
Als ob die Situation nicht schon problematisch genug wäre, es handelt sich zudem auch noch um die erste Review, die Muicin eigenständig für IGN schrieb. Der von ihm zusätzlich erstellte Video-Test sei ebenfalls eine Premiere gewesen, auf deren Reaktion er „sehr gespannt“ sei – wie er nur wenige Stunden vor Veröffentlichung twitterte.
Erste Untersuchungen werden eingeleitet
Nur wenige Stunden, nach dem die Plagiatsvorwürfen inzwischen viral gingen sind, reagierte IGN auf deutliche Art und Weise: Sowohl der Test auf der Website als auch das Video wurden komplett offline genommen. Ein kurzes Statement wies darauf hin, dass man sich der Situation bewusst sei und Untersuchungen einleitete:
„Als eine Gruppe von Autoren und Kreativen, die unsere eigene Arbeit und die anderer in unserem Bereich schätzen, nimmt die IGN-Redaktion Plagiate sehr ernst. Angesichts der Bedenken, die unsere Review zu Dead Cells betreffen, haben wir sie vorläufig entfernt und Untersuchungen eingeleitet.“
Kurios ist Filip Muicins Rolle innerhalb des IGN-Magazins: Er ist nicht nur als Redakteur für den Nintendo-Bereich zuständig, sondern obendrein noch Moderator des beliebten „Nintendo Voice Chat“-Podcasts. Die nächste Aufzeichnung sollte am Donnerstag erfolgen, erneut mit ihm vor der Kamera.
Dazu wird es wohl nicht kommen.
Filip Muicin wird gefeuert
Rund 24 Stunden später veröffentlichte das Magazin ein ausführliches Statement, um die weiteren Maßnahmen zu erläutern. Dabei verkündete man unter anderem, dass man sich von Muicin getrennt habe.
„Wir haben die Vorwürfe gegen einen unserer Autoren untersucht, die unsere Review zu Dead Cells betreffen. Nachdem wir uns ausreichend Zeit nahmen, um die Sache zu investigieren, sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass es wesentliche Ähnlichkeiten zwischen der vor Wochen veröffentlichten und unserer Review gibt, die nicht zu entschuldigen sind und einer Depublizierung würdig sind. Auch wenn wir als Community oft dieselben Gefühle und Wortwahl teilen, um all die Spiele zu beschreiben, die wir lieben, überschritt dieser spezielle Sachverhalt einen Schritt zu weit und entspricht nicht unseren redaktionellen Standards. Wir entschuldigen uns bei allen Lesern, Entwickler Motion Twin und ganz besonders bei dem als Boomstick Gaming bekannten YouTuber, dass wir nicht in der Lage waren, unsere Standards einzuhalten.“
„Wir nehmen unseren Review-Prozess ernst. In den meisten Fällen spielen Tester den Singleplayer oder die Story eines Spiels zumindest einmal komplett durch und verbringen zusätzliche Zeit damit, Gameplay-Aufnahmen zu erstellen und Video-Inhalte für unsere Reviews weiterzugeben. Auch wenn unser "Dead Cells"-Reviewer das Spiel komplettierte und sich, wie auch viele andere unserer Mitarbeiter, begeistert zeigte, ist diese Review an sich einfach inakzeptabel. Wir haben uns von dem mit der Review betrauten Autor getrennt und werden in dieser Woche eine neue Review veröffentlichen. Wir werden unermüdlich arbeiten, um sicherzustellen, egal ob ihr unseren Reviews zustimmt oder auch nicht, dass ihr daran glauben könnt, jedes einzelne Wort sei nichts anderes als die ehrliche Meinung unserer Kritiker. Nichts ist uns wichtiger als euer Vertrauen.“
Prominente Mitarbeiter wie Brian Altano, Miranda Sanchez, Max Scoville und der von uns äußerst geschätzte Peer Schneider haben sich bereits ausdrücklich gegen die Review positioniert.
Wie Muicins Zukunft in der Branche und im Allgemeinen aussieht, bleibt abzuwarten. Bislang wollte er sich nicht zu den Vorwürfen und seinen unerklärlichen Motiven äußern.
Eine knifflige Situation
Zugegeben, wir haben lange darüber nachgedacht, ob wir über diesen Fall überhaupt berichten sollten. Auch wenn die Beweise erdrückend sind, brodelte die Gerüchteküche unaufhörlich, während die Kollegen von IGN nicht einmal über die Zeit verfügten, auf die gesamte Situation zu reagieren. Wir bekamen in der Nacht von Montag auf Dienstag erstmals von der Sache Wind, da war angesichts der Zeitverschiebung in der IGN-Redaktion schon längst der Feierabend eingeläutet. Alles weitere musste also am heutigen Morgen (Ortszeit) geklärt werden. Eine stressige Situation für alle Beteiligten.
Wir halten die Berichterstattung jedoch für äußerst wichtig – gerade, weil viele Spieler zahlreichen Tests professioneller Kritiker inzwischen nicht mehr vertrauen. Gerne wird behauptet, dass diese schlichtweg gekauft wurden, um für eine positive Berichterstattung zu sorgen. Als Redaktion, die sich rund um die Uhr damit beschäftigt, können wir diese Anschuldigung guten Gewinnens verneinen.
Die eingangs erwähnten Worte treffen jedoch weiterhin zu: Eine Review ist grundsätzlich immer subjektiv, eine objektive Meinung (wie der Begriff schon ausdrückt) existiert in diesem Fall nicht. Wichtig ist nur, die eigenen Ansichten ausreichend zu begründen und nicht pauschal auf einen Aspekt einzudreschen.
In unseren Augen kann IGN selbst die Schuld nicht zugeschoben werden: Selbst beim Regidieren der Review ist es einfach unmöglich, den Text mit einem vor zwei Wochen erschienenen Video zu vergleichen, das obendrein eine verhältnismäßig kleine Zielgruppe erreichte. Jedes andere Magazin könnte dies ebenfalls nicht verhindern. Klar, als Unternehmen wird sich IGN verantwortlich zeigen müssen, wirklich fair ist dies dennoch nicht.
So brenzlich die Situation auch ist: Leider fehlt auch hier die Reflektion.