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Warum ich Immortals: Fenyx Rising mehr liebe als Zelda: Breath of the Wild

Normalerweise wollte ich diesen Vergleich nicht wagen und jedes Spiel am Gaming-Horizont als die individuelle Schneeflocke betrachten, die sie sein sollte. Dass Immortals: Fenyx Rising allerdings überraschend viele Ähnlichkeiten zu Zelda: Breath of the Wild aufweist, ist nach meinem ausführlichen Test wahrlich nicht mehr von der Hand zu weisen.

Warum mich Immortals trotz all der Parallelen dennoch mehr überzeugt hat als Zeldas BOTW, erkläre ich euch in meiner Review zu dem lockerflockigen Action-Adventure.

Mein Kryptonit: Die kunterbunte Sagenwelt der griechischen Antike

Wahrscheinlich möchten mich Zelda-Fans bereits jetzt für meine Aussage schelten, denn ich bevorzuge nicht das allseits beliebte Breath of the Wild, den Launchtitel für die Nintendo Switch, der sich vor positivem Feedback beinahe überschlagen hat.

Nein, es tut mir wirklich leid, bei BOTW ist der Funken einfach nicht übergesprungen und das sage ich als einstige leidenschaftliche Zelda-Spielerin. „Immortals: Fenyx Rising“ hat mich dagegen umso mehr erreicht, mit seiner nicht weniger farbenfrohen Spielwelt, dem lässigen Gameplay und vor allem: dem Setting der Mythenwelt des antiken Griechenlands.

Immortals Fenyx Rising Spielwelt
Das Spiel ist wirklich wunderschön anzuschauen und zeigt die griechische Götterwelt in ganzer grafischer und farbfreudiger Pracht. © Ubisoft

Zugegeben: Ich bin ein wenig vorbelastet. Immerhin bin ich große Liebhaberin der griechischen Mythen und habe mir immer Spiele gewünscht, die sich diesem Thema etwas näher und dennoch unbeschwert widmen. Entsprechend glücklich war ich bereits über Assassin’s Creed Odyssey, das sich ebenjener Epoche ausführlich annimmt. Hier kam mir der Fantasy-Anteil allerdings ein wenig zu kurz. „Immortals: Fenyx Rising“ füllt diese Lücke nun und ist meiner Meinung nach das ideale Spiel für die Langeweile zwischen den Festtagen. Doch beginnen wir von vorn.

Dürfen wir vorstellen: Fenyx

Die Götter des griechischen Pantheons sind entmachtet. Nach langer Gefangenschaft konnte sich Bösewicht Typhon an seinen Peinigern rächen und hat den höchsten Göttern das genommen, was sie ausmacht: Ihre lasterhafte Essenz. Im Zuge dessen wurden Menschen versteinert, die farbenfrohe Welt ins Verderben gestürzt und durch Risse in den Tartaros von bösartigen Kreaturen und Monstern heimgesucht.

Die letzte Hoffnung trägt den Namen Fenyx, die als männlicher Protagonist oder weibliche Protagonistin mit wahlweise männlicher oder weiblicher Synchronstimme auftreten kann. Ganz so festgelegt wie bei Link ist das Ganze also schon mal nicht, sondern lässt Anpassungen bei Geschlecht, Körper, Gesicht und Frisur zu. Nicht, dass ich etwas gegen Links blonden Haarschopf hätte, aber die Möglichkeit für ein wenig Individualisierung ist schon cool.

Immortals Fenyx Rising Charakter Link Zelda
Immortals erlaubt euch die Individualisierung eures oder eurer Fenyx. Folgenschwerere Entscheidungen müsst ihr im Spiel jedoch nicht treffen. © Ubisoft

Egal wie Fenyx aber schließlich aussieht oder klingt: Sie (in unserem Fall) fühlt sich ganz und gar nicht bereit, die Götterwelt zu retten und sieht sich eher im Schatten ihres heldenhaften Bruders. Dennoch macht sie sich auf, um die Prüfungen zu bestehen und sich gegen Typhons Machtübernahme zu stellen. Begleitet wird Fenyx‘ Heldengeschichte dabei von einer Erzählstimme oder besser gesagt zwei, die dem Game seine humorvollen Glanzmomente schenken.

Wenn ein Spiel sich selbst parodiert

Bei den Erzählern handelt es sich übrigens um Prometheus, der eigentlich seriös durch die Geschichte führen möchte, und Zeus, dem Göttervater, der die Story stets durch mehr oder weniger qualifizierte Kommentare ergänzt. Sogar die Tipps im Ladebildschirm werden von Zeus-Zitaten garniert, die uns mehr als einmal zum Lachen gebracht haben.

Generell ist einer der größten Stärken von „Immortals: Fenyx Rising“ wohl die Tatsache, dass sich das Spiel selbst nicht wirklich ernst nimmt. So werden hier auch die griechischen Götter keineswegs heroisiert, sondern als das dargestellt, was sie sind: lasterhafte Wesen, die den Menschen ganz und gar nicht unähnlich sind. Und genau das will Typhon bestrafen.

Immortals Fenyx Rising Typhon
Erinnert euch Typhon zufällig auch an einen Balrog aus Herr der Ringe? Hat Ubisoft da wohl auch stibitzt? © Ubisoft

Die lockere Aufarbeitung der griechischen Mythen vermischt sich dabei mit unserem Zeitgeist samt popkultureller Anspielungen und ergibt viele witzige Situationen und unverblümte Kommentare. Kenner des antiken Stoffs profitieren hier übrigens von ihrem Hintergrundwissen und erhalten einen kleinen Verständnis- und demensprechenden Humorbonus.

Bei „Zelda: Breath of the Wild“ erleben wir eine klassische Heldenreise, die häufig melancholisch-heroisch ist, weshalb Fenyx Rising dagegen bisweilen eher wie eine selbstbewusste Parodie wirkt, die das farbenreiche Äußere in der Story widerspiegelt. Das heißt allerdings nicht, dass „Immortals: Fenyx Rising“ nicht auch ernstere Töne anschlagen kann und mehr oder wenige tiefschürfende Momente mit zeitlosen Weisheiten bereithält.

Warte, das kenne ich doch!

Ja, und an dieser Stelle endet das Schneeflocken-Dasein von „Immortals: Fenyx Rising“. Denn wenn wir uns das Gameplay genauer besehen, wird klar, dass Ubisoft hier ein ganz klein wenig vom Nintendo-Kuchen genascht hat. Rätsellösen im düsteren Dungeon, an dessen Ende eine Fähigkeitenaufwertung wartet? Ausdaueranzeige beim Klettern, Fliegen und Kämpfen? Murmelschieben, Pferde und Hirsche als Reittiere zähmen und praktische Slowmotion-Pfeile? Vier große Mächte retten, um zum bösen Endboss zu gelangen? Kennt ihr? Ja, ich auch, nämlich aus BOTW.

Immortals Fenyx Rising Murmel Kugel BOTW
Eine ruhige Kugel schieben? Das kennen wir so ähnlich aus Zelda. © Ubisoft

An all diesen Features hat sich Fenyx Rising bedient, das Ganze nur mit dem Setting entsprechend verpackt. Statt einem Gleitschirm gibt es hier eben Daidalos‘ Flügel, statt magnetischem Hebeskills helfen uns Herakles magische Armschienen. Skill-Aufwertungen erfolgen in Immortals durch den Segen griechischer Götter, Verbesserungen von Ausdauer und Lebensanzeige gibt es mit Zeus‘ Blitzen, Ambrosia oder Charons Münzen statt der Zelda-typischen Schreine und Runen. Zu guter Letzt wird die Map in Fenyx Rising durch das Erklimmen hoher Spots aufgedeckt und das allgemeine Movement und die Paraden in beiden Spielen könnten glatt Geschwister sein.

Womit man allerdings ebenso Parallelen zu „Assassin’s Creed“ ziehen kann, die bei den Odyssey-Entwicklern nicht allzu weit hergeholt sind. Das Verstecken im hohen Gras, Schleichangriffe und einen Vogel als hilfreicher Begleiter kennen wir immerhin auch aus der Assassinen-Reihe. Bekannte Sounddateien und Bewegungsmuster erkennen wir deshalb ebenfalls wieder, weshalb sich AC-Spieler schnell an die Steuerung gewöhnen sollten. Schlussendlich dominieren jedoch stets die BOTW-Vibes, die den Spielspaß nahezu garantieren.

Eine Hybrid aus Ubisoft und Nintendo

Ich habe es versucht, aber „Immortals: Fenyx Rising“ und „Zelda: Breath of the Wild“ sind untrennbar miteinander verbunden. Zu ähnlich ist das grundlegende Gameplay und die allesrettende Reise eines Helden durch eine offene, farbenprächtige und entdeckungswürdige Spielwelt. Wesentlicher und für mich entscheidender Unterschied sind jedoch Setting und Grundtonus, der mir weitaus mehr Unbeschwertheit und Verbindungsaufbau ermöglichte als BOTW.

Versteht mich nicht falsch: „The Legend of Zelda: Breath of the Wild“ ist ein großartiges Spiel und ehrlich gesagt bin ich mir sicher, dass es „Immortals: Fenyx Rising“ ohne den Switch-Titel gar nicht geben würde. Open-World-Maestro Ubisoft hat das Rollenspiel nur auf einer von mir präferierten Grundlage errichtet, aber auch kleinere hauseigene Ergänzungen getätigt, wie die sinnlosen Daily-Quests, nüchternen Herausforderungen und UbiStore-Inhalte, die ich dagegen nicht wirklich gebraucht hätte.

Immortals Fenyx Rising Alter Seher Priester
Ein weiser alter Mann? Kommt einem von den ersten Blick auch bekannt vor, dieser zugedröhnte Herr hier scheint jedoch eher Parodie als Weisheit zu verkörpern. © Ubisoft

Denn eigentlich bietet Fenyx Rising bereits genug Inhalt, um sich ein Weilchen in dem Spiel aufhalten zu wollen. Auch wenn das Welterkunden uns manchmal damit bestraft, zu früh an einem Rätsel anzukommen, das erst später lösbar wird. Die Nebenquests oder das Töten fieser Bestien machen trotzdem Spaß, die Schwierigkeit beim Rätsellösen ist angenehm und die Story nimmt dann und wann witzige Wendungen. Dafür brauchen wir keine Online-Herausforderungen, stimmt’s Nintendo?

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Cynthia Weißflog

Eigentlich Elbennymphe der Unsterblichen Landen, die sich bei PlayCentral.de als Videospiel- und Buchliebhaberin tarnt. Löffelt beim Artikeltippen exzessiv Nussmus und führt eine Dreiecksbeziehung mit Geralt und Yennefer. Rollenspiel-Enthusiastin, die in CS:GO grundsätzlich keine Hühner tötet.
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