Als im Jahr 2008 Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels in die Kinos kam, waren sich relativ viele Kritiker*innen und Fans weitgehend einig, dass die verspätete Fortsetzung unnötig war. Und zudem nicht sonderlich gut. Aber hat das Hollywood davon abgehalten, noch einen weiteren Teil auf die Leinwand zu klatschen? Na, ja.
Für einen Moment schon. Einen sehr langen Moment. Aber man hat sich wohl darauf geeinigt, dass nach 15 Jahren genügend Gras über die Sache wachsen konnte und es an der Zeit ist, den stark gealterten Actionhelden wieder mystische Antiquitäten ausgraben zu lassen. Indiana Jones und das Rad des Schicksals kommt entsprechend am 29. Juni 2023 in die Kinos.
Und soll die Filmreihe, die bereits 1981 ihren Anfang nahm, zu einem Ende führen. Was er in gewisser Weise auch tut, doch vor allen Dingen beweist dieser Film, dass kein Franchise vor den Nekromanten der Traumfabrik sicher ist und, dass Hauptdarsteller*innen irgendwann für ein Sequel oder Prequel nicht einmal mehr am Leben sein müssen.
Indiana Jones und das Rad des Schicksals: Unsere spoilerfreie Kritik zu Indiana Jones 5
Das Beeindruckendste an diesem Film, bei dem zum ersten Mal weder George Lucas noch Steven Spielberg abseits eines Ehrentitels beteiligt waren, ist nämlich nicht das Schauspiel, die Handlung oder die Action, sondern die Fähigkeit der Filmeschöpfer*innen, Darsteller*innen und Szenerien komplett am Computer entstehen zu lassen.
Ein ordentlicher Batzen von Indiana Jones 5 zeigt uns beispielsweise einen Harrison Ford, wie er vor Jahrzehnten ausgesehen hat und dieses De-aging ist mittlerweile richtig gut geworden. Gruselig gut. Das gleiche gilt für einen Großteil der Landschaftsaufnahmen und Actionszenen, die ebenfalls Ausgeburten des CGI sind, was man ihnen aber kaum bis gar nicht ansieht.
Wer also mal sehen möchte, was für einen gigantischen Sprung die Tricktechnik gemacht hat, sollte einen Kinobesuch in Erwägung ziehen. Genauso wie alle, die Indiana Jones 4 gesehen und geliebt haben. Ansonsten hat das Werk von Regisseur James Mangold aber nicht viel zu bieten. Keine Frage, die Fortsetzung sieht grandios aus, ist aber erzählerisch unterdurchschnittliche Kost.
Die aufgewärmte Suppe aus einem anderen Jahrhundert mag schmackhaft aussehen und hat auch einen sehr markanten Wiedererkennungswert, ist aber gleichsam ungewöhnlich zäh und hinterlässt einen faden, fast schon unangenehmen Nachgeschmack. Einfach schon deswegen, weil sich bei den Zutaten genauso wenig Mühe gegeben wurde wie beim Abschmecken und Verfeinern.
Will sagen, „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ ist ein extrem fauler Film, dem der Effekt stets mehr Wert ist als jegliche Logik. Und ich spreche nicht von der Logik unseres Alltags, in welchem es anscheinend keine magischen Artefakte mit göttlichen Kräften gibt, sondern der Logik im Filmuniversum selbst. Und vor allen in Detailfragen.
Einige Entscheidungen von relevanten Charakteren sind nicht einmal dann nachvollziehbar, wenn man sich betrinkt und den Kopf mehrmals gegen die Wand haut. Details widersprechen sich gegenseitig im Dauertakt und manch eine „überraschende“ Wendung zog man aus so großer Distanz an den Haaren herbei, dass der Schopf längst vom Schädel gerissen wurde.
Der bürokratisch ausgearbeitete Erzählstil führt durch lose aneinandergereihte Szenen, die in einem Finale münden, das optisch zwar sehr ästhetisch anmutet, aber beinahe so wahnwitzig sinnentleert ist wie die Aliens am Ende von Teil 4. Harrison Ford macht zwar, genauso wie die meisten seiner Kollegen und Kolleginnen, einen erstklassigen Job, aber was bedeutet das schon?
Selbst ein motivierter Ford, der sich tatsächlich sichtbar Mühe gibt und zusammen mit Bösewicht-Darsteller Mads Mikkelsen ordentlich was bietet, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Film keinen Sinn ergibt und sich kaum bis keine Mühe in so ziemlich allen Bereichen gibt, die nicht als Effekthascherei bezeichnet werden können.
Der beinahe schon klassische Indiana-Jones-Ansatz macht diese Wahrnehmung nur noch schlimmer. Ihr wisst schon: Die Helden erreichen etwas, dann tauchen die Bösewichte auf und nehmen ihnen den Erfolg weg, dann überflügeln die Guten wieder ihre Gegenspieler, die gewinnen dann aber doch, nur, um direkt wieder zu verlieren.
Am Ende fragt man sich, ob die Hauptfigur überhaupt irgendeinen Einfluss auf den Ausgang der Geschichte hatte oder ob die komplette Heldenreise nur dem Selbstzweck diente, dem Versuch, mit Nostalgie Geld zu drucken. Hübsch, keine Frage, actionreich, auf jeden Fall, aber gleichzeitig so clever wie der durchschnittliche Jugendroman.
Pro:
- Gute Actionsequenzen
- Erstklassiges CGI
- Harrison Ford und Mads Mikkelsen
- Jede Menge gelungener Fanservice
- Gute Musikuntermalung
Kontra:
- Schrecklicher Erzählstil
- Viele Logikfehler
- Widerspricht sich in Detailfragen selbst
- Schwer nachvollziehbare Charaktermotivationen
- Äußerst plumpe Handlung
Nun, ihr habt unseren Standpunkt sicherlich schon erraten. Wenn ihr bisher alle Filme rund um den Charakter Indiana Jones gesehen und gemocht habt, steht einem Besuch im Kino trotzdem nichts im Weg, denn „Indiana Jones 5“ folgt in beinahe jedem Bereich der ursprünglichen Unterhaltungsstrategie und überrascht mit manch einer interessanten Eigenidee. Ist ansonsten aber sinnentleertes Popcornkino.