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It Takes Two ist der neue Streich der Hazelight Studios und damit ein weiteres vielversprechendes Koop-Abenteuer der A Way Out-Entwickler. Nachdem uns der Vorgänger aus einem Gefängnis ausbrechen ließ, entführt uns der neue Titel in die verrückten Abgründe von Codys und Mays gescheiterter Ehe. Klingt dramatisch, ist es eigentlich auch, wurde allerdings in ein humorvoll-buntes Duo-Abenteuer mit allerlei Beschäftigung und viel Teamwork gepackt.
Da es zwei braucht, haben wir uns im Doppelback in die kunterbunte Story von „It Takes Two“ fallen lassen, um herauszufinden, ob das Game tatsächlich so einzigartig und abwechslungsreich ist, wie versprochen wurde. Auf der Suche nach der Antwort, wurden wir mehr als einmal ausgiebig überrascht und sind zu einem klaren Schluss gekommen.
Dr. Hakim: Man liebt oder hasst ihn
Dr. Hakim, das magische Buch der Liebe und die Tränen von Tochter Rose sind der Auslöser dafür, dass die beiden Hauptfiguren Cody und May aus ihrem schnöden Alltag gerissen und in zwei süße, kleine Puppen verwandelt werden. Das Ziel: die Eltern wieder miteinander vereinen. Cody ist fortan ein klotziger Tonklumpen und May ein holziges Strickbündel. Trotz ihrer neuen Form können die beiden rennen und springen wie kleine Flummis und müssen ihre Körpergröße und neuen Fähigkeiten einsetzen, um den Zauber wieder rückgängig zu machen.
Damit sie in dem Abenteuer keine Abkürzung nehmen können, stellt sich ihnen Love-Doc Hakim in den Weg, dessen Auftauchen sich stets mit einer leidenschaftlich gezupften Gitarre ankündigt. Synchronisiert wird das Liebesbuch von Game Director Joseph Fares höchstselbst und das spürt man. Das geschwätzige Buch nimmt ebenso wenig ein Blatt vor den Mund wie sein Sprecher. Das mag man entweder oder verdreht wie Cody und May genervt die Augen. Die beiden Spielcharaktere sind dagegen umso umgänglicher und machen es einem sehr leicht, sich mit seiner Spielfigur anzufreunden.
Die perfekte Gameplay-Balance
Kooperative Games müssen so gut sein, dass sie einen nicht dazu bringen, dem/der anderen Mitspielenden nach ein, zwei gescheiterten Versuchen an die Gurgel springen zu wollen. „It Takes Two“ schafft das. Man neidet dem Koop-Buddy in keinem Moment seine individuelle Fähigkeit oder hat das Gefühl, die falsche Seite gewählt zu haben. Beide fühlen sich jederzeit gleichwertig und vor allem wichtig an. Statt zu Schuldzuweisungen regt das Spiel eher dazu an, einen zweiten Spieldurchlauf starten zu wollen, um das Gameplay noch einmal von der anderen Seite zu erleben: Wiederspielwert? Check!
Damit wird das Koop-Spiel seinem Namen wirklich gerecht. Keiner der beiden Spieler*innen fühlt sich lange nutzlos, sondern kann stets seinen Teil zum Vorankommen beitragen, ohne den Spielfluss bei mangelndem Skill allzu lange aufzuhalten. Denn auch in Sachen Schwierigkeitsgrad ist „It Takes Two“ unglaublich entgegenkommend und bildet in Kombination mit der fantastischen Steuerung eine perfekt ausbalancierte Herausforderung, egal ob bei Rätseln, Hau-Drauf-Fights oder Jump-’n‘-Run-Passagen.
Lediglich die Bosskämpfe haben es wirklich in sich und verlangten uns bisweilen mehr als einen Anlauf ab, um das Game fortsetzen zu können. Denn in diesen Kämpfen gipfelt das namensgebende Prinzip der Zusammenarbeit in „It Takes Two“. Wer hier nicht kommuniziert oder das eigene Überleben in den Fokus stellt, wird wahrscheinlich scheitern. Allerdings sind die Checkpoints so fair platziert, dass man sich nicht weinend zusammenkullern und den Controller verzweifelt in die Ecke werfen will. Mit Teamwork geht schlussendlich alles!
Minigames statt Sammelgegenstände
Wer nun fürchtet zwischen all dem Gewusel und Gerätsel potenzielle Collectibles zu verpassen, kann beruhigt sein. Auf sowas legt Hazelight Studios nämlich keinen Wert und hat keinerlei sammelbare Gegenstände eingebaut, deren Suche uns künstlich länger ans Spiel fesseln sollen.
Stattdessen setzt „It Takes Two“ unter anderem auf 25 optionale Minispiele. An ihnen kann man für ein zusätzliches Kräftemessen Halt machen oder sie getrost links liegen lassen. Für mehr als ein kurzweiliges Best-of-Three hat es bei uns auch nicht gereicht, denn die kleinen Games sind bewusst simpel und damit nicht sonderlich spektakulär gehalten. Wer nachträglich aber doch Lust auf eine Runde Hau-den-Cody, Tauziehen oder Rodeo bekommt, kann die Spiele nach einmaliger Entdeckung losgelöst vom Hauptspiel zocken.
Hinzu kommt die Suche nach den vielen liebevollen Verweisen auf andere Videospiele, Filme und Serien, zu dem beispielsweise der äußerst spontane Einschub eines „Street Fighter“-Kampfs oder ein Easter Egg zu A Way Out zählen. Oder auch die kryptisch formulierten Trophäenbeschreibungen, die auf ihre ganz eigene Weise zum Erkunden, Drücken, Probieren, Rätseln und Kombinieren anregen. Mehr als einmal haben wir einen Erfolg freigeschaltet, indem wir einfach in „It Takes Two“ umhergerannt und tausende Dinge probiert, geschubst, gedrückt oder angeklickt haben.
Was passiert, wenn ich diesen Knopf drücke?
Wer drauf steht, in Spielen auf Knöpfchen zu drücken und an Hebeln zu ziehen, ist in „It Takes Two“ übrigens genau richtig. Nicht immer ist jedes Element wichtig für den Fortlauf der Geschichte, Spaß macht es trotzdem, weil man immer wieder andere Effekte erwarten kann. Es scheint ohnehin oft so, als würde sich kein Mechanismus im Spiel doppeln, weil immer wieder ein neues, kreatives Feature ins Spiel eingeführt oder verändert wird.
Hat man sich eben noch mit explosiven Geschossen einen Weg gebahnt, muss man seine Waffe fortan als alternativen Antrieb für ein Floß zweckentfremden. Schweben wir gerade noch schwerelos im Raum, muss May plötzlich kopfüber laufen und Cody seine Größe ändern, um das Vorankommen zu sichern. Dabei wechseln sich Rutschen, Klettern, Springen und Fahren mit Rennen, Schießen und Hüpfen ab, ohne pure Überforderung auszulösen. Denn die dynamischen Wechsel sind so intuitiv und klug gestaltet, dass Änderungen in „It Takes Two“ stets selbsterklärend und überaus logisch sind.
Okay wow, das hätte ich jetzt nicht erwartet
Insgesamt mischt der Koop-Titel ganze Genre zu einem Feuerwerk aus Puzzle, Plattformer, Shooter und Jump-’n‘-Run mit einer alltäglich wirkenden Story, ohne auch nur ansatzweise alltäglich zu sein. Ganz im Gegenteil. Obwohl die Ausgangsgeschichte nicht die kreativste Basis zu bilden scheint, ist alles was danach kommt umso kreativer und ein wahres Feuerwerk an Gameplay-Überraschungen. Überhaupt ist die Story nicht elementar für den Spielspaß, das zeigt auch die Möglichkeit die bisweilen recht langen Zwischensequenzen überspringen zu können. Die Interaktion zwischen Cody und May reichen als Informationsquelle häufig aus.
Viele bezaubernde Momente, wie der magisch-schöne Ritt auf dem Rücken eines Fischs oder der Spaziergang durch ein Kaleidoskop sorgen dabei für unzählige, fesselnde „Wie cool“-Momente und eine Menge Überraschungen. Nicht wegen unvorhersehbarer Plot-Twists, sondern wegen all der Abwechslung die „It Takes Two“ mit all seiner Gameplay-Vielfalt bietet. Zusätzlich verzaubert die grafische und bisweilen entschleunigte Schönheit des Spiels, die genau zum richtigen Zeitpunkt, die Ruhe und Gelassenheit bietet, die wir brauchten, um munter weiterzukämpfen, zu hüpfen und zu rätseln.
Abwechslung erhaltet ihr übrigens auch dadurch, dass eure Bildschirmseite, nicht immer eure Bildschirmseite bleibt. Immer wieder gibt es Situationen, in dem ihr auch die Split-Screen-Seite eurer*s Partner*in im Auge behalten müsst oder in denen sich eure beiden Bildschirmhälften zu einer vereinen. Auch hier belohnt „It Takes Two“ lösungsorientiertes Arbeiten, statt Panik zu schieben oder sich über den Fehltritt des Koop-Mates aufzuregen.