Die Suche nach neuen MMOs, MMORPGs und anderen Onlinespielen endet auf Kickstarter nicht selten in blankem Kopfschütteln. Mit ihren merkwürdigen Präsentationen und Finanzierungszielen beweisen Entwickler immer wieder ihr fehlendes Verständnis für das Geschäft.
Gerade einmal acht Tage hat ArtCraft Entertainment benötigt, um über eine Million US-Dollar für die Entwicklung des MMOs auf Kickstarter zu sammeln. Das Team aus Austin beweist damit das richtige Gespür für den Markt, die Interessen der Spieler und die Prozesse der Entwicklung. Ausführlich zeigt die Präsentation von Crowfall Artworks und Screenshots, liefert Informationen über die Spielwelt, die Erfahrung der beteiligten Entwickler und die Gameplay-Features. All dies gibt es schön strukturiert in verschiedenen Textabschnitten, die mit ebenso schön anzusehenden Grafiken voneinander getrennt werden. So lässt ArtCraft einen die Risiken, die mit einem solchen Crowdinvestment verbunden sind, vergessen und schafft zumindest das sichere Gefühl, dass es den Beteiligten ernst ist um ihr Spiel.
Nicht allen Studios oder Privatpersonen scheint derart viel an dem eigenen Projekt gelegen. Verständlich ist, dass einzelne Videospiele sich in frühen Entwicklungsstadien befinden und mit Bildmaterial erst in Monaten zu rechnen sein kann. Selbst hier verpassen die Entwickler aber nur allzu gerne die Chance, ihre Vision in einem begeisternden Text aufleben zu lassen. Doch ist das nicht die einzige Ursache für den Genickbruch, dem Nutzer von Kickstarter irgendwie immer wieder unterliegen. Wir zeigen euch am Beispiel einiger Games daher die peinlichsten und häufigsten Fehler, die eher für Spott und Lacher statt für fließende Dollar sorgen.
Standardfall 1: 500 US-Dollar für ein MMORPG
800.000 US-Dollar wollte ArtCraft für Crowfall. Bei anderen erfolgreichen Kickstarts wie Camelot Unchained (2 Millionen Dollar) standen ebenfalls auf den ersten Blick extreme Summen im Raum. Sicherlich hängt es von der finanziellen Situation des verantwortlichen Studios ab, ob Hunderttausende oder Millionen Dollar benötigt werden. Schließlich gibt es fernab von Kickstarter genügend andere Finanzierungsquellen. Dabei sollten Entwickler vorsichtig sein und sich selbst vor falschen Finanzierungszielen bewahren. Bestes Beispiel für die Folgen falscher Versprechungen ist derzeit wohl Peter Molyneux, der für sein Godus versprach, keinen Publisher ins Boot zu holen und wegen der dahin schwindenden Mittel letztlich doch der Versuchung unterlag. Spott und Häme waren für die angekratzte Entwicklerikone garantiert. Erfolgreiche Entwickler stapeln besser nicht zu tief.
Kuriose Fälle finden sich auf Kickstarter zur Genüge. Eli McCloud sucht unter dem Titel "My Homemade MMO" 90 Dollar, um sich den Avatism MMO Creator auf Steam zu kaufen und ein Onlinespiel zu schaffen, das er nur mit seinen Freunden spielen möchte. Als Belohnung gibt es für die Geldgeber einen persönlichen Dankesbrief oder ein Concept Art. Kein schlechter Deal, wenn man einer fremden Person, die Amateur ist und sich nicht einmal ihre Arbeitszeit vergüten lassen möchte, einfach nur einen sehr merkwürdigen Wunsch erfüllen möchte.
Andere Entwickler scheinen es mit ihren geringen Budgets deutlich ernster zu meinen. "Fallen Hero Rising" braucht 550 Dollar für ein "neueres und günstigeres MMORPG". "Hast du Dich jemals in einer Welt verloren gefühlt, die sich so stark von anderen Welten unterscheidet, dass es dich überhaupt nicht juckt, verloren zu sein?" heißt es hier zur Einleitung. Es folgt eine nicht ganz filmreife Reihe an leeren Phrasen. Viele wichtige Schlagwörter fallen natürlich. Fallen Hero Rising bietet angeblich etwa großartige Musik und ein völlig neues Gameplay. Obwohl nur 550 Dollar nötig sind und die Entwicklung damit eigentlich weit fortgeschritten sein müsste, zeigt man nur Ingame-Material, das nicht einmal eine Alpha verdient. Das Geld wird benötigt für den Kauf der Engine und die Bezahlung eines Server Hosts. Alles, was zwischen dem Kauf der Engine und dem offiziellen Serverbetrieb passiert, scheint völlig ohne Geld zu funktionieren. Gemäß dem Präsentationsvideo scheint die Entwicklung immerhin einigermaßen fortgeschritten, sofern man matschige Grastexturen auf flachem Land, einige zufällig auftauchende Bäume und eine leblose Stadt als Fortschritt bezeichnet.
Die Liste der peinlichen 500-Dollar-Fauxpas lässt sich wohl beliebig weiterführen. So zum Beispiel mit dem Pre-Alpha-Funding von "Recay". Seine 500 Dollar hat der Macher Brian Morrison tatsächlich zusammen bekommen. Damit will der Entwickler Künstler bezahlen, die ihm Artworks und Titel für den Soundtrack beisteuern. Die nächste Funding-Phase auf Kickstarter soll dann das nötige Geld für Werbung, Repräsentation und Animation liefern. Geld für Werbung ehe das Spiel auch nur ein bisschen an Gameplay zu bieten hat. So lieben wir das! Diese Kreativität. Dieses unorthodoxe Verhalten. Davon können sich andere wohl nur eine Scheibe abschneiden. Auch beim Mittelalter-MMORPG "Adrenaline", dessen Verantwortlicher sich auf Kickstarter einfach nur "jon" nennt, geht es um Minimalbeträge. 3.000 US-Dollar werden gefordert. Gebraucht werden diese für Personalkosten, Werbung, Serverkosten und andere günstige Angelegenheiten wie Webseiten und Domains. Bei der Investitionssumme dürfen willige Zahler nur zwischen 200 US-Dollar, 200 US-Dollar und 200 US-Dollar wählen. Dafür gibt's aber auf jeden Fall eine Lifetime-Mitgliedschaft in dem MMORPG, das man nicht mal auf einem Screenshot bewundern darf.
Standardfall 2: 900.000 US-Dollar, aber keine Zeit für 2.000 Wörter
Andere Entwickler haben verstanden, dass so ein Onlinespiel verdammt teuer werden kann. Jetzt fehlt nur noch das Verständnis für Leidenschaft, Visionen und das Geschäft an sich. "World War 3 Online" braucht 900.000 Dollar für den virtuellen dritten Weltkrieg, in dem es mit Alien-Superkräften und Mech-Robotern gegen die islamische Regierungsform des Kalifats geht. Durch dämonische Kräfte wurde der Prophet Mohammed wiederbelebt. Das Ganze, das ganz offensichtlich ein schlechter Scherz ist, kommt nur mit wenigen Worten aus. Bei einem derartigen MMORPG tut es noch nicht einmal weh, dass bei der Forderung nach fast einer Million Dollar nicht einmal Zeit für eine ausführliche Spielbeschreibung bleibt. Auch kommt das merkwürdige Projekt bei der Einschätzung der Risiken schnell auf den Punkt. Es bestehe die Gefahr, dass World War 3 Online politisch inkorrekt sein könnte, heißt es.
Andere Spiele, wie "Star Born Online", belassen es ebenfalls bei einer Kurzpräsentation. Hier locken viele Aufzählungen zum Klick auf den "Pay"-Button, denn wer kann schon zu Features wie "Komplexes Wirtschaftssystem" oder "Weltraum-Erkundung" "NEIN!" sagen. Auch hier fehlt bedauerlicherweise eine wirkliche Vision, die den Entwicklern derart wertvoll ist, dass sie sich Zeit für eine ausführliche Erklärung nehmen. Stattdessen gibt es im Video Szenen einer kleinen Mondlandschaft, die die 100.000 US-Dollar wohl irgendwie organisieren sollen. Verrückt diese Entwickler. Auch bei "Combat Ready" regiert der blanke Wahnsinn. Über der Präsentation thront ein herrlich verpixeltes Bild eines Soldaten auf coolem Motorrad. Darunter gibt es die wichtigsten Infos zum Gameplay. Spieler wird man hier töten, Teams beitreten und an Checkpoints respawnen. Geile Sache, muss man sagen, denn das hat es in dieser Form noch nie gegeben. Wir hoffen, dass die geforderte eine Million Australische Dollar zusammenkommen, denn gerade den geplanten Newsletter sehen wir als wegweisendes Feature. Hier lässt Kickstarter einen wirklich ratlos zurück und man stellt sich die Frage, ob das Team jeden Scherzkeks sein Projekt vorstellen lässt. Denn derartige Games schaden nicht nur dem Ansehen der Crowdfunding-Plattform, sondern rauben in der Suche auch ernstzunehmenden Entwicklern die Bühne.
Standardfall 3: Hier … ein Bild. Bewundere es.
Etwas enttäuscht waren wir in der Redaktion, dass es mit "Pirates Online (Working Title)" nicht geklappt hat. Pirates Online ist nicht nur ein Paradebeispiel für Standardfall 2, denn die Projektbeschreibung geht nicht einmal über zwei Zeilen, sondern auch Aushängeschild einer ganz anderen Generation von Kickstarter-Projekten. Dies sind Projekte, die mit einem merkwürdigen Standardbild auszukommen versuchen, für welches sie vermutlich nicht einmal die Bildrechte besitzen. Dabei geht die Kritik hier erneut nicht einmal gegen die "Entwickler", denn es handelt sich ganz offensichtlich erneut um einen Witz. Aber die großartige Idee "Kickstarter" verdient hier ein Eingreifen der Mitarbeiter.
Nicht immer ein ernster Vorschlag
So zeigt sich, dass das Problem von Kickstarter nicht unbedingt immer darin liegt, dass hier Möchtegern-Entwickler unterwegs sind. Das Problem liegt wohl eher darin, dass leicht zu erkennende Scherzkekse nicht aufgehalten werden. Die Plattform verpasst die Chance, sich noch stärker als Anlaufstelle für hochwertige, erfolgreiche Investments zu platzieren. Immerhin verdient man auch an erfolgreich finanzierten 500-Dollar-Schrottgames seine Provision. Da kann das Unternehmen im Hinblick auf sein Image dankbar für Spiele wie "The Wizarding World Online" sein, die eine derartige Lizenz-Katastrophe sind, dass der ganze Spott den Entwicklern zukommt und Kickstarter verschont bleibt.