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Kolumne: Mehr Mut zur Kürze: Wenn Spielen zur Fleißarbeit wird

Intensiv, knackig und bitte ohne zu viele Extras: Unser freier Autor Olaf Bleich hat die Nase voll von aufgepusteten Blockbustern und Open-World-Blendern. Stattdessen wünscht er sich mehr Mut zur Kürze!

Zeit ist Geld. Das wusste bereits Benjamin Franklin und veröffentlichte diese Weisheit in dem 1748 erschienenen „Ratschläge für junge Kaufleute“. In der Welt der Computer- und Videospiele ist dieser Gedanke aktueller als jemals zuvor. Egal ob Red Dead Redemption 2 oder The Division 2 – Videospiele stehlen uns auf charmante Art und Weise Zeit und Geld. Je länger wir uns nämlich mit nur einem Spiel beschäftigen, umso weniger Luft bleibt für andere Spiele oder Zeitvertreibe.

Das moderne Spiel fesselt an Computer oder Konsole und lässt einen nicht mehr so schnell los. Doch so schön Raids mit Freunden in Destiny 2 und lange Fortnite-Ausflüge sein mögen, ich wünsche mir wieder mehr kurze Spiele. Ich möchte nicht erst das Endgame erreichen oder stundenlang Blümchen pflücken und die Welt erkunden. Ich will keinen stummen, selbstgebauten Helden. Ich sehne stattdessen geradlinige Abenteuer herbei, die mich von der ersten Minute mit ihrer Geschichten fesseln und mich nach dem Abspann emotional berührt und begeistert wieder ausspucken.

So viel Spiel und so wenig Zeit

80 Stunden „Assassin’s Creed: Odyssey“, 120 Stunden „Red Dead Redemption 2“ und dann auch noch die unzähligen verballerten Stunden in Loot-Shootern wie „Destiny 2“, „Anthem“ oder „The Division 2“. Mainstream-Spiele saugen meine Freizeit auf wie ein Schwamm. Und so sehr ich mich von Geschichten und Charakteren gefangen nehmen möchte, so ertappe ich mich doch immer wieder dabei, wie ich mich der Monotonie des Alltags ergebe. Das bedeutet: Lange Wege, looten und leveln.

Spiele verkommen immer mehr zur Fleißarbeit. Da ackere ich mich durch sich ständig wiederholende Muster. Die Belohnung: Hier eine neue Kanone, dort ein hübschere Rüstung. Selbst in stärker Story basierten Titeln wie eben „Assassin’s Creed: Odyssey“ oder „Red Dead Redemption 2“ zerreißt der rote Faden immer wieder inmitten der schieren Größe der Spielwelt.

Live Services als Problem für das Storytelling

Doch es geht noch schlimmer: Das Marketing-Wort der Stunde heißt Games as a Service. Das bedeutet: Regelmäßige Updates versorgen die Titel mit neuen Inhalten – mal neue Spielmodi wie etwa Firestorm für „Battlefield 5“ oder auch neue Maps, Waffen sowie Skins. Was sich vordergründig nach einem guten Deal anhört, ist aber eine perfide Methode, mir nur noch mehr Zeit zu stehlen.

Entwickler und Publisher wollen euch nämlich an ihre Produkte binden. Doch schon Dichter Friedrich Schiller warnte „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“: Live Services beeinflussen eure Art zu Spielen und – noch schlimmer – den Aufbau moderner Programme. Zuletzt beklagte sich Uncharted-Autorin Amy Hennig darüber, dass der Trend Games as a Service in Sachen Story-Telling für Probleme sorgt.

Im Klartext bedeutet das: Mehr, mehr, mehr. Und für mich als Spieler: Weniger, weniger, weniger. Durch den zunehmenden Fokus auf immer weniger Spiele beraube ich mich um tolle Erfahrungen und zugleich sorgt die Industrie dadurch eigenständig dafür, dass kleinere und mittlere Produktionen gar nicht mehr gesehen werden. Warum denn etwa ein „A Plague’s Tale: Innocence“ zocken, wenn doch der nächste Raid für „The Division 2“ auf dem Plan steht?

Ich jedenfalls wünsche mir mehr Mut zur Kürze und zu konsequenten Entwicklerentscheidungen. Damit auch in Zukunft noch Titel wie „A Way Out“ oder „What Remains of Edith Fitch“, aber auch AAA-Story-Games wie „The Last of Us“ und „Uncharted“ erscheinen und auf der großen Bühne glänzen können.

Olaf Bleich

Seit über 20 Jahren Spielejournalist, der sich in Polen die Hand gebrochen und trotzdem weiter Artikel geschrieben hat. Videospielgeschmack mäandert zwischen Shootern, Spaß und Stardew Valley – abgesehen davon besitzt er eine obskure Vorliebe für Wrestling.
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