Die vorherige Episode hatte es bereits angekündigt, in der dritten Folge von „Life is Strange 2“ machen Daniel und Sean Halt auf einer Haschfarm. Dass sich der Stopp nicht als die beste Idee entpuppt, dürfte bereits zu Beginn an klar sein. Dotnod nimmt dabei auch in Wastelands kein Blatt vor den Mund und spricht Themen an, die in Videospielen bislang eher stiefmütterlich behandelt wurden. Ob das französische Studio zur Halbzeit noch immer das hohe Niveau der beiden ersten Folgen halten kann, klären wir in unserem Test auf PlayNation.
Bevor ihr zu lesen beginnt, möchten wir euch darauf hinweisen, dass ihr in jedem Fall die ersten beiden Episoden zu „Life is Strange 2“ gespielt haben solltet. Auf Spoiler, die den weiteren Verlauf der Handlung verraten könnten, werden wir in unserem Artikel nach Möglichkeit verzichten.
Lange ist es her
Rund fünf Monate hat es gedauert, ehe LiS-Fans mit Wastelands die mittlerweile dritte Episode zu Life is Strange 2 serviert bekommen. Bereits bei der vorherigen Folge Rules schien es so, dass die Franzosen den ursprünglich geplanten Termin nicht halten konnten. Das bevorstehende Weihnachtsfest ließ eher vermuten, dass die Folge beim Spieler eigentlich noch vor den Festtagen auf der Festplatte hätte liegen sollen.
Da ist es insgesamt wenig verwunderlich, dass ein Großteil der Spieler dem Release der finalen Episode entgegenfiebert, um alle fünf Folgen ohne größeren, zeitlichen Abstand und damit möglichst in einem Rutsch zu erleben. Denn eines haben die rund drei Stunden lang unterhaltenden Mosaikteilchen jedes Mal gemeinsam: Am Ende wartet ein fieser Plot-Twist, der es faustdick hinter den Ohren hat und den Spieler in der Regel vom Schreibtischstuhl oder der Couch hauen soll. Da können sich die mehreren Monate Wartezeit härter als der eigentliche Plot-Twist entpuppen.
Erwachsen werden
Doch trotz der recht weiten Abstände zieht Wastelands binnen weniger Minuten in den Bann des Episoden-Adventures, das wie ein Roadmovie aufgebaut ist. Auf dieser Reise der Diaz-Geschwister Daniel und Sean wird dabei auch vor schwierigen Themen und vermeintlichen Tabus keinen Halt macht.
War es zu Beginn vor allem ein Balanceakt zwischen Politik, Rassismus und Geschwisterliebe, rücken die Mannen von Dontnod in der dritten Episode das Erwachsenwerden beider Spielfiguren als zentrales Element in den Mittelpunkt. Während Sean immer wieder damit hadert, ständig auf seinen jüngeren Bruder aufpassen zu müssen und diese Verantwortung als eine schwere Last empfindet, die unablässig auf seinen Schultern ruht, hat sich auch für Daniel einiges verändert.
Durch die Geschehnisse der letzten Wochen wird ihm klar, dass seine Kindheit vorbei ist und er selbstständiger werden muss. Erschwerend kommt hinzu, dass er sich von seinem Bruder vernachlässigt fühlt. Bereits vor dem schrecklichen Vorfall in der ersten Episode tat sich Daniel schwer damit, dass Sean zunehmend Zeit mit seinen Freunden verbrachte. Nun scheint sich genau dies zu wiederholen. Schließlich machten beide am Ende der zweiten Episode die Bekanntschaft mit den beiden Ausreißern Finn und Cassidy.
Durch eine Aneinanderreihung unglücklicher Zufälle fliehen die Geschwister aus dem kleinen, verschlafenen Ort Beaver Creek, in dem sie ihre Großeltern besucht hatten und treffen später erneut auf die zwei Teenager.
Jobben auf der Haschfarm
Um genügend Geld für ihre Reise nach Mexiko zu verdienen, schließen sich Daniel und Sean der Gruppe an und landen durch Finn, der ein gutes Wort für beide einlegt, inmitten einer kleinen, versteckten Haschfarm nahe des Redwood Nationalparks im US-Bundesstaat Kalifornien als „Erntehelfer“.
Inmitten des aus riesigen Mammutbäumen bestehenden Waldes, hat sich die Gruppe ein Lager gebaut, bestehend aus Zelten, einer provisorischen Dusche und einer notdürftigen Toilette. Durch einen Generator müssen die Teenager nicht einmal auf Strom verzichten und können morgens sogar einen heißen Kaffee genießen.
Die bunte Gruppe setzt sich aus den unterschiedlichsten Charakteren zusammen, wobei jeder seine ganz eigene Geschichte besitzt, die ihn schließlich in das Camp geführt hat.
Das Lager wirkt wie ein Auffangbecken für junge Menschen, die in ihrem bisherigen Leben weniger Glück hatten oder denen ihr bisheriges Leben zu langweilig war und auf der Suche nach einem echten Abenteuer sind.
Die Gitarre spielende Cassidy aus der vorherigen Episode beispielshalber, erzählt abends am Lagerfeuer von ihrem Vater, der als Meth-Junkie ihren damaligen Freund verprügelte. Ein normales Leben kann sie sich nicht vorstellen. Viel lieber gibt sie sich ganz der Musik hin und reist umher, um möglichst viel von der Welt zu sehen. An einen bestimmten Ort binden, möchte sie sich nicht.
Finn wird von Sean als „der grüne Philosoph“ beschrieben. Dadurch, dass er alles über Gras weiß, arbeitet er immer wieder für die Haschfarm, konsumiert allerdings auch selbst Drogen. Mit seinen Rastalocken passt er perfekt in das Bild eines Ausreißers, der einen gänzlich anderen Blick auf die Welt besitzt.
Daniel und Sean scheinen im ersten Moment nicht in diese Welt zu passen, doch die Brüder haben sich durch die lange Reise und das bisher Erlebte ebenfalls spürbar verändert – nicht nur in optischer Hinsicht. Denn Daniels deutlich längeren Haare symbolisieren recht gut, wie lange die beiden bereits unterwegs sind, aber auch wie sich die beiden Brüder charakterlich verändert haben. Das gemeinsame Campleben und die Arbeit auf der Farm hat die völlig unterschiedlichen Figuren zusammengeschweißt. Man hilft sich gegenseitig und erfüllt Aufgabe für die Allgemeinheit – ein wenig wie in einer gut funktionierenden WG oder einer Bedarfsgemeinschaft.