Was bringt die Zukunft?
Die vierte Episode von „Life is Strange 2“ hat also selbst eher wenig zu bieten und bereitet uns nur auf das vermeintlich große Finale vor. Von diesem bin ich zum aktuellen Zeitpunkt allerdings noch nicht ganz überzeugt. Klar gibt es noch einige Fragen und Reibungspunkte zu klären. Doch ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein Ende gibt, das alle Faktoren zufriedenstellend zusammenführt. Gerade die Beziehung zwischen Daniel und Sean wirkte an vielen Stellen einfach zu verbogen, zu kaputt, um noch ein Ende zu erreichen, das für mich zufriedenstellend ist. Da ist es mir – wie schon in der ersten Staffel – egal, ob es ein Happy oder Bad End ist.
Ein Beispiel, das mir ein besonderer Dorn im Auge war: Seit den ersten Gefahren im Leben von Sean und Daniel, habe ich versucht den größeren Bruder so zu spielen, dass er vorsichtig ist und seinen kleinen Bruder anhält, seine Macht geheim zu halten. Diese Entscheidungen hatten aber kaum Auswirkungen, wie sich gerade in der vierten Episode zeigt. Denn um die Geschichte spannender zu machen, muss Daniel Fehler mit seinen Kräften begehen und sich, ehrlich gesagt, blöd anstellen. Sonst entstehen keine spannenden Plotpoints.
Und genau dort liegt das Problem der Macher. Hatten sie mit Life is Strange noch ein Geheimnis in einer kleinen Vorstadt und damit Schauplatz und Geschichte abgesteckt, ist die offene Straße in der zweiten Staffel einfach viel zu groß. Zumindest in der Theorie, denn die riesige Welt wird stark beschränkt. Sean und Daniel hetzen seit Seattle eigentlich nur von A nach B, wobei bei B dann der nächste große Plot-Punkt samt Twist oder die nächste Eskalation auf sie wartet. Das vermittelt zwar die Not, in der sich die Wolfsbrüder befinden, lässt aber nur wenig Potenzial, Entscheidungen mit echter Tragweite zu implementieren.
Die Themen, die die Entwickler von Dontnod mit ihrem Spiel ansprechen sind ohne Zweifel wichtig. Sie zeichnen ein Bild eines kaputten Amerikas, das in Hass, Rassismus und einem (trotz alledem) unerschütterlichen Glauben droht zu versinken. Wie fiktiv oder real das Ganze ist, sei dabei jedem selbst überlassen. Doch die Themen sind dabei nicht organisch miteinander verknüpft. Es fühlt sich so an, als würden die Verantwortlichen nur eine Art Geisterbahn für uns geschaffen haben, auf der wir zwar von den einzelnen Gefahren erschreckt, aber nie langfristig bis aufs Mark erschüttert werden.
Die vierte Episode hätte mit etwas mehr Zeit und Aufwand eine Glanzleistung werden können. Wie wäre es beispielsweise gewesen, die Spieler völlig unterschiedliche Routen gehen zu lassen, je nachdem, wie sich in den bisherigen Episoden geschlagen haben? Ein Weg nur mit Daniel? Ein Weg nur mit Sean? Oder vielleicht sogar ein Sprung zu einer ganz anderen Person, die den Pfad der beiden kreuzt und neue Perspektiven aufgibt, statt dieselben Klischees der ersten drei Episoden weiter durchzukauen?
Fazit
Die vierte Episode von „Life is Strange 2“ lässt mich mit einem deutlich spürbaren und flauen Gefühl im Magen zurück. Nicht nur, weil die Ereignisse mich irgendwie doch mitgenommen haben – das mag seinen Teil dazu beigetragen haben – es ist vielmehr die innere Unruhe und die Gewissheit, dass „Life is Strange 2“ im Endeffekt nicht das wird, was ich mir erhofft habe.
Meines Erachtens leidet die zweite Staffel darunter, dass die Entwickler den Spieler zu sehr von A nach B scheuchen, um die im Vorfeld gesetzten Plotpoints abzuarbeiten. Ein Episoden-Adventure hat immer mit dem Balancing zwischen einer geführten Storyline und den Entscheidungsmöglichkeiten des Spielers zu kämpfen. Gibt man den Spielern zu viel Freiheit, wird es in Sachen Story chaotisch. Doch „Life is Strange 2“ bietet mir einfach zu wenig Entscheidungen und schnürt mich in das Storyline-Korsett, das mein Bauchgefühl erklären würde.
Zu oft nimmt es mich an die Hand, zu oft werden dumme Ideen von Sean abgesegnet, obwohl ich vor dem Bildschirm dagegen bin. In Faith gibt es keine Entscheidung, die mir wirklich wichtig erscheint oder jetzt noch etwas verändern wird. Vielleicht irre ich mich und die große Abrechnung kommt Ende des Jahres mit der letzten Episode von „Life is Strange 2“. Bis dahin bleibt die Fortsetzung für mich leider nur gehobenes Mittelmaß.