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Life is Strange: Lass dir Zeit – Episode 1: Chrysalis im Test

Mit Life is Strange servieren uns die Remember Me-Macher ein Episoden-Adventure, dass vor allem durch seine Atmosphäre und unaufgeregte Art und Weise zu überzeugen weiß. Wir haben uns alle Zeit der Welt gelassen und die erste Episode namens Chrysalis auf Herz und Nieren getestet.

Das Leben ist manchmal seltsam

Zeit ist ein kostbares Gut, das man sich nicht erkaufen kann, wenn man zu wenig davon hat. Doch wer die Zeit kontrollieren kann, der verfügt über eine riesige Macht. Allerdings erfolgt aus großer Macht auch große Verantwortung, wie bereits Peter Parker in Spiderman clever schlussfolgerte.

Max Caulfield ist ein solcher Mensch. Nach mehreren Jahren kehrt die 18-jährige Fotografie-Studentin in das kleine Städtchen Arcadia Bay im Nordwesten von Amerika zurück, um auf der dortigen Blackwell Academy ihren Abschluss zu machen.

Eigentlich ist Max ein ganz normaler Teenager mit denselben Alltagsproblemen wie ihre Mitschüler. Bis sich plötzlich alles ändert. Life is Strange beginnt surreal während eines alles verschlingenden Sturms.

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Unsere Aufgabe besteht darin irgendwie den Leuchtturm zu erreichen. Warum und wo wir uns überhaupt befinden, bleibt uns der Titel knapp zwei Stunden lang schuldig. Trotzdem ist spätestens jetzt klar, dass nicht nur Zeit eine essenzielle Rolle spielen wird, sondern auch der tosende Sturm. Als Max aus ihrem Traum wieder erwacht (oder war es eine Vision?), findet sie sich im Unterricht wieder. Doch irgendetwas ist anders. Als die Schülerin versehentlich ihre Kamera auf den Boden fallen lässt und diese in tausend Teile zerspringt, offenbart uns der Titel der Remember Me-Macher Max ganz besondere Fähigkeit.

Wir können nämlich die Zeit in einem gewissen Rahmen kontrollieren und wieder zurückdrehen. So retten wir nicht nur unsere Kamera vor dem harten Fußboden, sondern können auch Dialoge zu unserem Vorteil verändern.

Zeit ist Macht

Als wir beispielshalber auf dem Gelände der Academy ein Mädchen erblicken, das mit einer Drohne über den Campus fliegt, wollen wir es auch einmal probieren. Im Gespräch stellen wir uns allerdings als absoluter Drohnen-Neuling heraus, was bei unserem Gegenüber weniger gut anzukommen scheint. Also drehen wir flugs die Zeit zurück und schauen uns den Rucksack der Drohnen-Pilotin genauer an und erfahren die genaue Modellbezeichnung des Fluggerätes. Solches Wissen können wir schließlich in Gesprächen nutzen, um den Verlauf zu verändern – wer wollte das nicht auch schon immer mal machen?

Bei Life is Strange handelt es sich um ein Episoden-Adventure, heißt wir bekommen alle sechs Wochen eine neue Episode spendiert. Wer nun unwillkürlich an die Telltale-Adventures wie The Walking Dead oder Game of Thrones denkt, der hat nicht ganz Unrecht. So gibt es durchaus einige Parallelen zwischen den Titeln, allerdings springt der französische Entwickler Dontnod Entertainment nicht nur einfach mit auf den Zug auf, sondern macht tatsächlich viele Dinge anders und zum Teil sogar besser.
Als erstes fällt da auf, dass wir in Dialogen nicht mehr über das alberne Zeitlimit verfügen, dass uns andauernd unter Druck gesetzt hat, doch endlich eine Antwortmöglichkeit auszuwählen.

Insgesamt spielt sich Life is Strange einfach deutlich ruhiger, was nicht heißen soll, dass die Handlung über keine düsteren Momente verfügt. Bereits zu Beginn werden wir damit konfrontiert, welch gravierende Auswirkungen unsere Fähigkeiten zur Folge haben können – ob positiv oder negativ. Genau das können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch überhaupt nicht einschätzen. Wir werden zwar darauf aufmerksam gemacht, wenn wir wichtige Entscheidungen getroffen haben, die den Verlauf der Handlung  verändern können, das Resultat in späteren Episoden ist aber natürlich noch nicht abzusehen.

Während wir bei den Telltale-Adventures meist nur recht wenig Interaktionsmöglichkeiten besitzen, dürfen wir mit Max recht frei das Gelände der Academy erkunden und mit so gut wie jedem Mitschüler sprechen. Wem das noch nicht genug ist, der darf in aller Ruhe Max Journal samt Tagebuch durchstöbern, Kurznachrichten von Freunden und der Familie lesen oder einfach die Umgebung erkunden.

In der Ruhe liegt Kraft

Und hier sind wir bei einem ganz besonderen Punkt, dem die Entwickler große Aufmerksamkeit gewidmet haben: Die Atmosphäre. Nicht nur dass die Grafik, die auf der Unreal Engine basiert, äußerst stimmig wirkt und sich perfekt in das gesamte Szenario fügt, auch die Detailverliebtheit lässt uns an jeder zweiten Ecke stehen bleiben. Überall können wir mehr über die Spielwelt erfahren, egal ob an Infotafeln, an Computern von Mitschülern, in Klassenräumen oder auf dem Campus. Alleine unser eigenes Zimmer können wir gut und gerne zwanzig Minuten erkunden. Wer dazu keine Lust hat, wird zwar vom Spiel nicht gezwungen, verzichtet dafür aber auch auf einen Großteil der Atmosphäre und sieht sich den Credits dementsprechend deutlich schneller gegenüber. Wer sich Zeit lässt, kommt gut und gerne auf zwei Stunden Spielzeit.

Trotzdem muss sich auch Life ist Strange einige Unzulänglichkeiten gefallen lassen. Zwar wirkt die Grafik stimmig und überzeugt durch ihren ganz eigenen Look, vor allem aber die Mimik der Charaktere wirkt arg steif. Im Gegensatz zu The Walking Dead und Co. gehen dafür jedoch die Animationen der Spielfiguren in Ordnung. Ein wenig nervig sind die Ladepausen, die zwar nie lange zu sehen sind, aber bestimmte Bereiche der Schauplätze verbindet. Zwar wissen die Entwickler diese oft geschickt zu kaschieren, möchten wir aber beispielshalber eine Treppe hinunter gehen und stehen plötzlich vor einer unsichtbaren Mauer, fragen wir uns gelegentlich, ob man dies nicht hätte besser lösen können.

Einen großen Teil zu der Stimmung tragen die lizenzierten und zum Teil selbst komponierten Songs im Spiel bei. Als Max in ihrem Zimmer zu ihrer Gitarre greift und einen Song anstimmt, fühlten wir uns unweigerlich an Jodie aus Quantic Dreams Beyond: Two Souls erinnert. Insgesamt ist die Musikuntermalung dem Entwickler sehr gut gelungen.

Was mittlerweile unverständlich ist, ist die Tatsache, dass wir in Spielen wie The Walking Dead weder eine deutsche Synchronisation noch einen deutschen Untertitel serviert bekommen, dementsprechend muss auf Fan-Übersetzungen ausgewichen werden. Scheinbar hat sich Dontnod in dieser Hinsicht bei den Kollegen von Telltale orientiert. Hier hätten wir zumindest einen deutschen Untertitel erwartet. Schließlich sind es die Dialoge, die einen Großteil der Handlung ausmachen.

Patrik Hasberg

Schreiberling, Spieleentdecker, praktizierender Perfektionist und Mann fürs Grobe. Außerdem laufender Freizeit-Hobbit, der Katzen liebt. – Hunde gehen auch. „Auch sonst eigentlich ganz ok“.
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