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Lucius: Das teuflische Adventure im Test

Ein teuflisches Adventure – wir haben dem sechsjährigen Lucius über die Schulter geschaut und sagen Euch in unserem Test, ob Fans des gepflegten Horrors einen Abstecher nach Dante Manor unternehmen sollten. Lucius – ein kleiner Junge mit großen Problemen. Wobei eigentlich hat der Bub nur ein großes Problem und zwar ein ziemlich großes. Am 6.6.66 geboren erfährt Lucius  an seinem sechsten Geburtstag, dass sein Vater kein geringerer als der Herr der Unterwelt höchstpersönlich ist. Von nun an ist es aus mit dem ruhigen und luxuriösen Leben in dem riesigen Herrenhaus zusammen mit seinen Eltern und einer Handvoll Bediensteten. Als Sohn des Teufels möchten nun mal bestimmte und eher todbringende Pflichten erfüllt werden.

Weltliche Sorgen wie das tägliche Aufräumen des eigenen Zimmers, das Sortieren der Schmutzwäsche im Keller oder der banale aber nötige Gang samt Abfallbeutel zur Mülltonne werden da schon mal gerne und ohne Murren nebenbei erledigt – wir wollen ja nicht auffallen. Praktische Vorteile hat die diabolische Verwandtschaft allerdings auch zu bieten, dazu kommen wir aber erst später.

Diabolische Verwandtschaft

Von nun an stehen wir im Bunde mit dem Teufel und dieser verlangt von uns, dass wir für ihn einige „Aufgaben“ erfüllen. Wie könnten wir da Nein sein. So muss in dem 3D-Adventure als erstes Mary, die Haushälterin und gute Seele des Hauses, dran glauben. Was fegt die Dame auch so leichtsinnig die Kühlkammer. Was wäre denn wenn die dicke Stahltüre plötzlich zufallen und ein massives Vorhängeschloss, natürlich von ganz alleine, die Türe absperren würde? Und wenn sich jetzt noch wie von selbst der Temperaturregler auf frostige Minusgrade einstellt? Also bei solch einem Leichtsinn darf sich die Polizei da nicht wundern. Gut nur, dass wir mit der ganzen Angelegenheit rein gar nichts zu tun haben, wie könnten wir auch als kleiner unschuldiger Junge, der wir sind. Wahrscheinlich würde sich Lucius auch ganz prächtig mit der kleinen Lili aus Harveys Neue Augen verstehen, denn auch in der Klosterschule geschieht ein rätselhafter Mord nach dem anderen. Aber Lili würde doch niemals… Oder etwa doch?

 

Während sich der oben beschriebene Mord noch sehr einfach durchführen lässt und eher als erstes Tutorial dient, um sich mit der Steuerung sowie dem Gameplay von Lucius vertraut zu machen, steigt der Schwierigkeitsgrad später nach und nach an. Es gilt die Augen offen zu halten und vor allem die Umgebung genauer zu untersuchen und diese miteinzubeziehen. Oft ist die Lösung des Rätsels nicht gleich ersichtlich und erfordert Geduld. Meist bekommen wir unsere Instruktionen innerhalb einer Vision mit unserem leibhaftigen Vater und erwachen dann später wieder in unserem Kinderzimmer. In unserem Tagebuch finden wir anschließend Informationen zu den einzelnen Personen, die es zu erledigen gilt. Besonders wichtig ist neben unserem Notizbuch unser Inventar. In diesem lassen sich sämtliche Gegenstände ablegen und gegebenenfalls miteinander kombinieren. Aufpassen sollte der kleine Lucius bestimmte Items nicht für alle sichtbar in der Hand zu halten. Klauen wir zum Beispiel Gene, einem Freund unseres Vaters, heimlich seine Streichhölzer und laufen anschließend damit dem Mann provozierend vor der Nase herum, werden wir entdeckt und das Spiel ist vorüber. Besonders ärgerlich, weil sich der aktuelle Spielstand nicht abspeichern lässt. Lucius speichert nur jeweils am Anfang eines neuen Kapitels. Noch ärgerlicher: Neben gelegentlichen Performanceproblemen sind die zum Teil sehr langen Ladezeiten.

Wirrungen und Irrungen

Um die komplexeren wie kniffligeren Rätsel zu meistern und die Taten möglichst nach einem Unfall bzw. Selbstmord aussehen zu lassen, erhalten wir im Laufe des Spiels bestimmte nützliche Fähigkeiten und können so per Telekinese Dinge wie von Geisterhand durch den Raum fliegen lassen, elektronische Geräte ein- und ausschalten oder Glühbirnen zum Bersten bringen. Selbstredend sollten wir uns dabei nicht erwischen lassen. Alleine dafür lohnt es sich im wahrsten Sinne des Wortes einen Satansbraten zu verkörpern. Spaßig ist auch die Möglichkeit per Gedankenkontrolle unsere Opfer zu gewissen Taten zu zwingen, natürlich nur wenn der Geist der jeweiligen Person nicht zu stark ist. Doch trotz nützlicher Fähigkeiten verbringt man in Lucius schon mal die eine oder andere Stunde damit, nach bestimmten Gegenständen, Personen oder schlicht Hinweisen zu suchen um der Lösung der Rätsel näher zu kommen. Zwar ist die Lösung im Endeffekt meist logisch und nachvollziehbar, trotzdem möchten passende Werkzeuge oder andere Items in dem großen und zum Teil etwas unübersichtlichen Herrenhaus erst mal gefunden werden. Da sollte man sich die einzelnen Zimmer gut einprägen und gelegentlich einen Blick auf die Karte werfen. Gut gefallen hätte uns die Möglichkeit, die Karte, ähnlich wie in GTA, am unteren Bildschirmrand zuschalten zu können, um sich so während des Spiels besser orientieren zu können. Hat man sich aber erst ein wenig orientiert, gefallen die stimmigen Schauplätze durch viele verschiedene Details. Besonders die Möglichkeit, mit einem Großteil der Gegenstände in Lucius zu interagieren, gibt einen großen Atmosphäreschub.

Mörderischer Spaß ohne Belang

Ob Türen, Schubladen oder Schränke öffnen, Gegenstände aufnehmen, Wasserhähne aufdrehen oder die Spielzeugautos in unserem Kinderzimmer zurück in die Holzkiste werfen –  Freunde der gepflegten Interaktion sollten voll auf ihre Kosten kommen. Und wenn der Rand der Mülltonne für uns mal unerreichbar scheint, lassen wir den Müllbeutel elegant wie an einer unsichtbaren Schnur in das Innere der Tonne gleiten – Harry Potter lässt grüßen.

Doch auch der kleine Lucius kann sich nicht jeglicher Kritik freisprechen. Neben den bereits erwähnten kniffligen Rätseln ohne hinzuschaltbarer Hilfefunktion und der oft etwas nervigen Suche nach bestimmten Gegenständen kommt die Geschichte an sich etwas zu kurz daher. Böse Zungen könnten behaupten, es sei schlicht keine Handlung vorhanden. Die einzelnen Morde werden streng gesehen stupide aneinandergereiht, wodurch sich der Ablauf regelmäßig wiederholt. Hinzukommt, dass sämtliche Personen viel zu blass und charakterlos erscheinen. Nach einer Handvoll Morden hätten wir schon etwas mehr Regung erwartet. Lucius selbst bleibt ähnlich wie Gordon Freeman aus Half Life die gesamte Handlung über stumm. Weder gibt es innere Auseinandersetzungen oder Monologe, noch Dialoge mit seinem Personenumfeld.

Erst gegen Ende machen sich Lucius Eltern Gedanken darüber, warum der Bub nicht spricht und sich so merkwürdig verhält. Tatsächlich gibt es einige Ungereimtheiten, die zusammen mit dem eher unbefriedigenden Ende, den Spieler etwas alleingelassen aus Dante Manor herausbegleiten. Das Potenzial wäre auf jeden Fall dagewesen, besonders das unverbrauchte Szenario als Sohn des Teufels sein Unwesen treiben zu dürfen und abgrundtief böse zu sein bereitet eine mörderische Freude. Laufen wir durch einen langen, nur spärlich beleuchteten Korridor des alten Herrenhauses und planen ohne jegliche menschliche Regung (gemeint ist Lucius) einen weiteren Mord, lässt sich ein diabolisches Grinsen in unserem Gesicht nicht verstecken.

Patrik Hasberg

Schreiberling, Spieleentdecker, praktizierender Perfektionist und Mann fürs Grobe. Außerdem laufender Freizeit-Hobbit, der Katzen liebt. – Hunde gehen auch. „Auch sonst eigentlich ganz ok“.
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