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Marvel’s Guardians of the Galaxy: The Telltale Series: Ein Mixtape voller Bandsalat

Für die einen sind sie die einzige Hoffnung auf Gerechtigkeit im Universum, für die anderen ein Haufen A****löcher. Die Rede ist von den Guardians of the Galaxy, die dank zwei äußerst erfolgreicher Kinofilme den Status als B-Team aus Marvels kosmischer Sparte abgelegt haben. In Marvel's Guardians of the Galaxy: The Telltale Series dürft ihr in der Rolle der Helden neue Abenteuer erleben. Die Serie ist aber vor allem ein Signal an Telltale Games, dass es höchste Eisenbahn für neue Ideen ist.

Dysfunktionale Persönlichkeiten und Alibi-Gameplay

Peter Quill, ab und an auch als Star-Lord bekannt, und die restlichen Guardians erreicht ein Hilferuf vom Nova Corps, dass sie von Thanos angegriffen werden. Der Titan hat es auf ein Relikt abgesehen und wird wohl kaum Gutes damit im Schilde führen. Mit etwas mehr Glück als Verstand gelingt es den Guardians, Thanos aufzuhalten. Doch damit soll der Schlamassel erst anfangen.

Marvel's Guardians of the Galaxy: The Telltale Series ist ein typisches Point & Click-Adventure mit Fokus auf Story, das aus fünf Episoden besteht. Ihr übernehmt zum Großteil die Kontrolle über Star-Lord, zeitweise auch über die anderen Mitglieder in Action-Sequenzen und Rückblenden. Telltales Adventures werden abfällig als interaktive Cutscenes bezeichnet und auch auf Guardians of the Galaxy trifft diese Beschreibung zu. Traditionelle Gameplay-Abschnitte sind rar gesät und euer Input beschränkt sich über weite Strecken auf die Auswahl von Antworten in Dialogen und Quick Time Events.

Die wenigen Rätsel wirken nicht nur wie ein Lückenfüller bis zur nächsten Zwischensequenz und stellen euren Verstand nicht einmal ansatzweise auf die Probe, sondern bringen auch den Erzählfluss ins Stocken. Das Gadget, mit dem Star-Lord wie in der Eröffnungssequenz des ersten Films die Vorgänge in seiner Umgebung rekonstruieren kann, lässt sich selbstverständlich nur an vorgegebenen Punkten nutzen.

Der Tiefpunkt wird schließlich in Episode Vier erreicht, in der mit allen Mitteln versucht wird, die Spieldauer zu strecken. Plötzlich wird ein Schleich-Abschnitt eingeworfen, an anderer Stelle sind Star-Lords Raketenstiefel beschädigt, sodass ihr beim Überqueren einer Schlucht immer wieder zwischenlanden müsst. Den Analogstick in Intervallen nach vorne zu bewegen ist nicht gerade ein Beispiel für Gameplay – erst recht nicht für Anspruch oder Abwechslung.

Telltales Episoden folgen nicht der Kontinuität der Filme, sind aber ganz klar davon beeinflusst, was den Look von Star-Lord, Gamora, Drax, Rocket Raccoon und Groot betrifft. Die englischen Sprecher ihrerseits geben sich Mühe, wie die jeweiligen Schauspieler zu klingen und auch die Persönlichkeiten sind auffallend ähnlich.

Die Guardians können sich untereinander zumeist nicht besonders gut leiden und man fragt sich, wie sie ein Team bilden, geschweige denn die Galaxie verteidigen wollen. Mehr als einmal droht die Gemeinschaft zu zerbrechen und Rocket kündigt mehrere Episoden lang seine Absicht an, die Guardians zu verlassen. Zu einem Split kommt es jedoch erst, wenn die Story ihn erfordert. Die bis dahin zurückliegenden Streitigkeiten kratzen deswegen an der Glaubwürdigkeit der Charaktere.

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Nicht so viel Coolness wie in der Vorlage

Bereits im Hauptmenü ist eine sehr smarte Entscheidung von Telltale Games zu hören, man hat diverse reale Songs aus den Siebzigern für das Spiel lizenziert. Die Titel bilden den "Rad Mix", ein Mixtape, das Peter Quill von seiner verstorbenen Mutter als Andenken behalten hat. Unter anderem sind Interpreten wie die Buzzcocks, Queen und Electric Light Orchestra in der Playlist vertreten.

Auch die Titel der Episoden und Achievements sind Hommages an Songs aus dieser musikalischen Ära. In der Story werden die Songs stimmig eingesetzt und tragen zur Atmosphäre bei. Zugleich machen sie deutlich, wie monoton und uninspiriert die Eigenkompositionen des Spiels daher kommen. Keine der Melodien will so recht im Kopf bleiben oder weckt in irgendeiner Form Assoziationen zu den Guardians of the Galaxy.

Insgesamt nehmen sich Telltales Episoden mehr Zeit, um den Protagonisten eine dritte Dimension zu verleihen, zu großen Teilen in Form von Flashbacks. Ihr durchlebt Szenen aus der Kindheit von Peter Quill mit seiner Mutter oder seht mit an, warum aus Rocket ein zynischer Kotzbrocken geworden ist.

An Bord der Milano könnt ihr selbst die Stereoanlage einschalten, um euch so richtig wie Star-Lord zu fühlen. Leider gibt es nur einen Song pro Episode zu hören und "Why Can't I Touch It?" wird in Dauerschleife wegen der Stimme des jungen Pete Shelley zur Belastungsprobe.

Nehmt euch die Zeit und lest euch im Cockpit der Milano die Mails durch, die Star-Lord bekommen hat. Mit diversen Easter Eggs und lustig verfassten Nachrichten werdet ihr für eure Neugier belohnt. Dafür wirken alle anderen Locations fast schon steril mit ihren wenigen Interaktionsmöglichkeiten, ihr werdet geradezu von einer Szene zur nächsten gescheucht.

Typisch für Telltale ist auch Guardians of the Galaxy eine technische Katastrophe. Ständige Bildruckler, kantige Modelle und ungelenke Animationen überraschen auch im Marvel-Kosmos wenig. Dank der Sprint-Taste kann Star-Lord mit doppelter Geschwindigkeit über den Bildschirm watscheln. Grafisch bekommt ihr nichts zu sehen, was nicht auch die Xbox 360 zu leisten imstande gewesen wäre. Trotzdem röhrt eure Hardware während des Spielens auf, wie die Turbine eines startenden Flugzeugs, selbst mit runter gesetzten Grafik-Einstellungen.

Über die fünf Episoden gab es nur einen Bug, der bis zur Veröffentlichung des Patches ein weiteres Vorankommen unmöglich machte. Das wird an dieser Stelle großzügigerweise als Pluspunkt für das Spiel gewertet. Trotzdem hat man mittlerweile mit den interaktiven Stories den technischen wie spielerischen Stillstand erreicht und wenn nicht bald ein paar Innovationen folgen, katapultiert sich Telltale Games ins Abseits. PlayNation wird sich daran erinnern.

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