Mehr Open World = weniger Metro?
Neben nützlichen Gegenständen findet ihr in den verschiedenen Spielabschnitten Notizen und Kassetten, die euch das ganz persönliche Schicksal anderer Menschen näherbringen. Nicht zuletzt dadurch werden euch die schrecklichen Auswirkungen des Krieges vor über 20 Jahren und dessen Folgen bewusst gemacht. Außerdem erzeugen die Entwickler dadurch einen Teil der unbehaglichen Endzeitstimmung, ähnlich wie in den S.T.A.L.K.E.R.-Teilen.
Während die Hauptmissionen uns zu den wichtigsten Orten des jeweiligen Abschnitts führen, bekommen wir immer mal wieder kleinere, optionale Aufgaben mit auf den Weg. Dabei bleibt es euch überlassen, ob ihr beispielshalber einem kleinen Mädchen ihren Teddybären aus einer Todeszone zurückbringt oder die Munition lieber für später aufspart.
Abwechslung ist in „Metro Exodus“ in jedem Fall gegeben. Allerdings schwanken die verschiedenen Spielabschnitte teilweise recht stark, was die Qualität und Atmosphäre angeht. Findet ihr in der Spielwelt ein Bett, könnt ihr wählen, zu welcher Tages- oder Nachtzeit ihr wieder aufwachen möchtet.
Lauft ihr tagsüber durch eine karge, postapokalyptische Wüstenlandschaft, wirkt „Metro Exodus“ teilweise eher wie Bethesdas Rage oder Mad Max von den Avalanche Studios. Sobald aber ein heftiger Sandsturm einsetzt und die gesamte Gegend in vorübergehende Finsternis hüllt, stellt sich gleich wieder das altbekannte Metro-Feeling ein. Das volle Potenzial der Spielserie wird aber meist dann erreicht, wenn Artyom im Untergrund unterwegs ist, was glücklicherweise recht häufig der Fall ist. Innerhalb von Sekunden stellt sich dann eine Mischung aus Klaustrophobie, Furcht und Neugierde ein. Befinden wir uns in einem ausgeklügelten Bunkerkomplex, während unser Geigerzähler wild ausschlägt, die Taschenlampe aufgrund der extrem hohen Strahlung ihren Dienst einstellt und nur noch unser Feuerzeug einen kleinen, flackernden Lichtschein spendet, sind wir jederzeit bis aufs Äußerste gespannt.
Das soll aber nicht heißen, dass die Spielwelt oberhalb nicht gelungen ist. Die meisten Abschnitte erinnern mit den halbzerstörten und überwucherten Gebäuden und nicht zuletzt durch das freiere Leveldesigns stark an die S.T.A.L.K.E.R.-Spiele, kombiniert mit Einflüssen aus der Welt von Dmitri Gluchowski.
Egal ob unter- oder oberirdisch solltet ihr immer auf euren Geigerzähler aufpassen, denn dieser ist eure Lebensversicherung in verstrahlten Gebieten. Schlägt dieser aus und sendet dazu akustische Signale aus, solltet ihr schnellstens die Gasmaske überziehen. Ein Timer an Artyoms linken Arm zeigt dann an, wie lange euch der aktuelle Filter noch mit frischem Sauerstoff versorgt. Dieses Feature sorgt immer wieder für einen gewissen Druck, vor allem wenn ihr in Kämpfen alle Hände voll zu tun habt und sämtliche Filter verbraucht sind. Auf den niedrigeren Schwierigkeitsstufen habt ihr in der Regel aber meistens genügend Filter bei euch. Ansonsten könnt ihr euch einfach neue Filter basteln, vorausgesetzt ihr verfügt über genügend Materialien dafür.
Erkundung abseits des Weges
Ein cleveres Händchen hat 4A Games bei der Wahl der nach und nach erkundbaren Abschnitte bewiesen, anstatt dem Spieler gleich eine einzige, riesige Open World vorzusetzen. Diese Entscheidung wird immer wieder präsent, wenn wir auf kleinere Orte treffen, die handlungstechnisch keine Rolle spielen, aber dennoch ihre eigene kleine Geschichte erzählen und von Hand gebaut worden sind. Wer sich die Zeit nimmt, findet abseits des Weges mal einen verstärkten Helm oder gar ein Nachtsichtgerät für Artyom. Entdecker und waschechte Stalker werden für ihre Neugierde also entlohnt, was einen großen Reiz der Motivation von „Metro Exodus“ ausmacht.
Durch die wechselnden Umgebungen und Jahreszeiten visualisiert 4A Games gut den Zeitraum der Reise und gibt uns wirklich das Gefühl, auf der Suche nach einem bewohnbaren Ort zu sein. Wir möchten stets wissen, was hinter der nächsten Ecke auf uns wartet und ob es letztendlich ein Happy End geben wird.
Wie bereits erwähnt fallen gerade die helleren Abschnitte von „Metro: Exodus“ qualitativ und stimmungsmäßig ein wenig ab, leider zeigen sich in solchen Momenten einige technische Schwächen. Ganz taufrisch ist der Ego-Shooter grafisch nicht, was vor allem durch oft niedrig aufgelöste Texturen, hölzern wirkende Animationen, oft unpassende Lippensynchronität und die so gut wie nicht vorhandene Mimik in den Gesichtern der Charaktere negativ auffällt. Auf der einen Seite versucht 4A Games während der langen Reise eine Bindung zu den Figuren aufzubauen, was teilweise recht gut funktioniert. Auf der anderen Seite wird diese Immersion durch die steif und wie Roboter wirkenden Charaktere stark erschwert.
Hinzu kommt, dass die deutschen Untertitel und Dialoge teilweise sehr schlecht übersetzt sind und der eigentliche Sinn des Originals manchmal nicht rüberkommt. Mehrfach haben wir uns dabei ertappt, dass wir erst einmal über das Gesagte der Figuren nachdenken mussten. Die russische Sprachausgabe bietet bei „Metro: Exodus“ schlicht das passendste und stimmigste Ergebnis. Wer der russischen Sprache nicht mächtig ist, kann sich einen englischen Untertitel hinzuschalten. Auf diese Art und Weise haben wir gerade in hitzigen Situationen aber leider nur die Hälfe mitgekommen, weshalb die lieblos umgesetzte deutsche Sprachausgabe definitiv eines der größten Ärgernisse von „Metro Exodus“ darstellt.