Es ist der Versuch, eines der innovativsten Spiele der letzten Konsolen-Generation auf die nächste Ebene zu heben: DICE und Electronic Arts lassen uns in Mirror's Edge Catalyst abermals als Faith über die Dächer der Stadt aus Glas rennen, springen und kämpfen. Wie gut das Konzept der Open World funktioniert und ob der Kampf zwischen Rebellen, traumatisierter Protagonistin und diktatorischem Establishment aufgeht, zeigen wir in diesem Test zu Mirror's Edge Catalyst.
Story – Faith inmitten einer Dystopie
Wenn wir als Faith, der Protagonistin aus dem ersten Mirror’s Edge, eines der Spiele des Jahres 2008, über die Dächer einer klinisch sauberen Stadt laufen und springen, fühlt es sich fast so an, wie damals. Wir gehen immer weiter und weiter, vielleicht rennen wir vor uns weg, vielleicht haben wir Angst vor dem, was uns die Zukunft bringt, vielleicht lieben wir aber auch dieses Gefühl der Freiheit in einer Gesellschaft, in der niemand mehr frei sein darf.
Die Geschichte von Mirror's Edge Catalyst beginnt mit der Entlassung von Faith aus dem Gefängnis. Sie war dort ihr halbes Leben eingesperrt, weil sie sich gegen die Elite der Gesellschaft gewehrt hatte. In der City of Glass werden alle Bürger überwacht, niemand hat das Recht auf eine freie Meinung, eine Rebellion ist faktisch unmöglich. Faith spürte das am eigenen Leib. Dennoch entscheidet sie sich, ob sie es will oder muss, dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hat.
Entwickler DICE über die Entwicklung der Story des Spiels und Comics: Innerhalb eines aktuellen Blog-Eintrags spricht DICE über die Entwicklung der Story von Mirror's Edge Catalyst.
Irgendwo zwischen Rebellion und Selbstverwirklichung
So laufen wir in Mirror's Edge Catalyst als Faith über die Wolkenkratzer, die Wohnungen der normalen Bürger und der High Society, durch Büroräume von mächtigen Konzernen und kämpfen uns den Weg frei, um unsere Altlasten abzulegen und die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Der rebellische Gedanke steht in der gesamten Story ganz oben und ist immer präsent, wohingegen die privaten Sorgen und das Trauma der Ermordung ihrer Eltern und der Schritt in die Kriminalität weniger als taugliche Geschichte dienen, sondern viel mehr als Motivationshäppchen für die nächste Mission.
Mirror's Edge Catalyst spielt in einer Open World, bestehend aus verschiedenen Stadt-Teilen, die wir durch das Meistern der Hauptmissionen freischalten. Dabei löschen wir Daten von einer Festplatte, schalten Sicherheitskräfte der zwielichtigen Staatsfirma „KrugerSec“ aus oder finden einfach nur den schnellsten Weg von A nach B.
Mirror's Edge Catalyst erzählt in Zwischensequenzen
Leider verkaufen uns die Entwickler diese Story eher als Mittel zum Zweck. Denn trotz der raffinierten Verknüpfung von privaten Sorgen und Pflichten sowie der Rolle innerhalb der gesamten Revolutionsgruppe der Runner und den individuellen Vorstellungen einer perfekten Gesellschaft schafft es die Geschichte nicht, tiefgreifend zu erklären, warum wir uns letztlich über die Dächer der gläsernen Stadt ringen.
Einfacher gesagt: In Mirror's Edge Catalyst wirken die Charaktere außer Faith blass und künstlich, die Zusammenhänge sind simpel und vorhersehbar. Zudem erschweren die Zwischensequenzen – nur sie gehen genauer auf die Geschehnisse ein – eine gute Erzählung. Innerhalb der ungefähr zehn Stunden Spielzeit wechseln wir immer wieder zwischen diesen animierten Sequenzen, die uns emotional binden, und einer Open World mit austauschbaren Missionen.
Abseits der Story birgt der Titel von DICE jedoch ganz andere Stärken, die der Innovation des ersten Ablegers tatsächlich nachkommen können. Auf Seite 2 schreiben wir in unserem Review zu Mirror's Edge Catalyst über das Gameplay.
Gameplay – Jede Freiheit hat seine Grenzen
Als Mirror's Edge vor acht Jahren erschien, setzte es neue Maßstäbe, was die spielerische Freiheit und das Gefühl der Unantastbarkeit betraf. Noch nie riss ein Videospiel den Rezipienten so sehr mit in eine Welt, wie es Mirror's Edge tat. Als Electronic Arts den Nachfolger, um den es in diesem Test geht, mit spektakulären Tönen ankündigte, waren die Erwartungen groß und der Zweifel noch viel größer.
Heute wissen wir: Mirror's Edge Catalyst könnte einem Sequel würdiger nicht sein. Trotz der scharfen Kritik zur Story gelingt es dem Titel, das Niveau von damals zu halten. Er schafft das, was seit dem ersten Teil kein anderes Spiel geschafft hat: Freiheit in ihrer vollsten Form zu präsentieren und den notwendigen Kampf um sie erlebbar zu machen.
Systemanforderungen für PC enthüllt: Entwickler DICE hat die offiziellen Systemanforderungen zu Mirror's Edge Catalyst bekannt gegeben. PC-Spieler werden für den Titel etwas höheren Arbeitsspeicher brauchen als man es bislang gewohnt ist.
Bewegung ist alles
Gründe dafür lassen sich viele finden. Auf der einen Seite gibt uns DICE eine neue Steuerung mit auf den Weg, die leicht zu erlernen ist. Andererseits baut die gesamte Gameplay-Mechanik auf Bewegung auf: Wenn uns Gegner sehen, können sie uns nicht treffen, solange wir nicht stillstehen. Beim reinen Laufen zu einem Ziel begleitet uns ein wortwörtlicher roter Faden durch die Stadt (der für erfahrene Spieler ausschaltbar ist). Nebenmissionen bestehen zumeist aus abwechslungsreichen Wegfinder-Rätsel oder anspruchsvollen Wettrennen samt Online-Bestenliste.
Was uns an Mirror's Edge Catalyst auch gefallen hat, ist das Entdecken der Missionen während unserer Reise. Das nimmt der Geschichte teils auch das Gefühl des Aufgesetzten. Während wir über die architektonischen Meisterwerke der dystopischen Zukunft wandeln, finden wir ganz von selbst Nebenmissionen oder versteckte Sammelobjekte.
Aufgezwungene Präzision zum Scheitern verurteilt
Unser Lob muss jedoch einige wichtige Stellen auslassen. So verlangt uns die Steuerung, sowohl mit dem Controller als auch mit Maus und Tastatur, eine Präzision ab, die manchmal frustrierender nicht sein könnte. Zwar ist sie, wie anfangs erwähnt, sehr einfach zu lernen, an einigen Passagen müssen wir unsere Sprünge aber zeitlich so genau abstimmen, dass wir entweder herunterfallen oder beim exakten Zielen die Dynamik verlieren.
Das gilt insbesondere für den Greifharken, der sich zumeist wunderbar in das Gameplay einbringt, jedoch nur an wenigen Orten zum Einsatz kommen kann. Wir verstehen, dass er woanders das gewollte Parcours-Erlebnis weggenommen hätte, fragen uns aber, ob die Setzung von solcher Grenzen in einem Videospiel, das von seiner spielerischen Freiheit lebt, überhaupt angebracht ist.
Nahkampf in Mirror's Edge Catalyst verfehlt sein Ziel
Kritisch sehen wir auch den Nahkampf. Faith tut sich wegen des Präzisionszwangs zum Teil sehr schwer, die Gegner wirklich zu treffen. Gelegentlich sieht ein Gefecht so aus, als würde sie die Hälfte der Zeit in die Luft schlagen. Die in Mirror's Edge noch genutzten Schusswaffen gibt es nicht mehr, auch das Aufheben Gewehren besiegter Rivalen ist nicht möglich. Dieses System ist überraschend abwechslungsreich, wenn wir den Titel mit anderen Videospielen vergleichen, hätte jedoch noch weiter ausgereift werden müssen.
Gut finden wir an den kampforientierten Missionen das Selbstentscheiden zwischen Taktik, Kampf oder einem Mix aus beidem. Manchmal ist es am Besten, einfach einen alternativen Weg zu erschließen. Die spannendsten Momente entstehen dann, wenn wir nach erfolgreicher Tat vor Wachen oder sogar Helikoptern fliehen müssen. Langweilig wird es nur, wenn wir entweder im Nahkampf mehrmals sterben oder wenn sich die Gegnerwellen so lang ziehen, dass es künstlich wirkt.
Grafik – Stadt aus Glas ist ein Kunstwerk
Die Game Designer von Mirror's Edge Catalyst dürfen das sagen, was nicht viele ihrer Kollegen behaupten dürfen: Sie haben mit der Open World ein in sich schlüssiges Kunstwerk geschaffen. Wenngleich die Grafik auf der PlayStation 4, auf der wir gespielt haben, und Xbox One teils an den Hardware-Limitierungen scheitert, verbindet der Stil des Videospiels das Setting und Gameplay so gut wie nur wenige andere.
Die City of Glass ist klinisch rein. Nirgendwo liegt Staub herum, die Sonne erhellt die unbefleckten Fassaden und erfüllt die meterhohen Innenräume der Konzernbüros. Der innere Konflikt von Faith zwischen ihrer privaten Geschichte und ihrem Treiben nach Freiheit, der Kampf zwischen der Runner und dem Etablissement, das immerwährende Gut und Böse: All das lässt sich auf die brav helle Spielwelt, die im Innern eine schrecklich dunkle Dystopie ist, übertragen.
DICE hat jedes Objekt einzeln platziert: In Mirror's Edge Catalyst ist der Spieler in einer offenen Spielwelt unterwegs. Trotz deren Größe wurde die Stadt nicht automatisch generiert. Stattdessen hat Entwickler DICE jedes Objekt einzeln in der Spielwelt platziert.
Spielwelt als Metapher auf die Gesellschaft
Grafisch ist Mirror's Edge Catalyst in sich vollendet bis ins letzte Detail stimmig. Die Wachen stehen wie erstarrt an ihre Stelle und obwohl das spielerisch sogar langweilig wirkt, könnten wir die eingeschüchterte Haltung der gleichaussehenden Männer in grauer Uniform als Metapher auf die Gesellschaft sehen: Jeder in der Stadt aus Glas muss wissen, wo sein Platz ist. Faith ist die einzige Bewohnerin, die sich frei bewegt und das macht, was sie möchte oder von dem sie denkt, dass sie es tun muss.
In jedem Stadtteil, den wir besuchen, ändert sich die Architektur ein wenig. Umso weiter wir kämpfen, desto machtvoller oder persönlicher werden die Bauten – je nach dem, welche Aufgaben wir zu erledigen haben. Die Ummünzung des Überwachungsstaates auf gläserne Gebäude ist selbsterklärend. Die Spielwelt wirkt immer dann lebendig, wenn wir durch kleine Parks laufen, die sich anscheinend wie aus dem Nichts selbst erschaffen haben.
Nach zehn Stunden in der Open World von Mirror's Edge Catalyst können wir über die Grafik fast nur Gutes sagen. Trotzdem wirkt die Stadt während der gesamten Zeit nicht wie eine belebte Metropole, sondern viel mehr wie eine Momentaufnahme, durch die wir uns spielen können. Es lässt sich darüber streiten, ob das von DICE so gewollt ist, fügt sich aber so oder so dem allgemeinen Charakter des Titels und der starren Erzählung.