Disney beherrscht wie kein anderes Filmstudio die Kunst der Nostalgie. Das US-amerikanische Medienunternehmen ist so gut darin, dass es Geld damit verdient, der breiten Masse den gleichen Film Jahre später noch einmal zu verkaufen. Ob ihr vergangene Live-Action-Remakes wie König der Löwen oder Aladdin nun mögt oder nicht, sie waren nichtsdestoweniger finanzielle Erfolge.
Mulan: Unsere spoilerfreie Kritik
In erster Linie hat Disney dies dem Fingerspitzengefühl des Planungskomitees zu verdanken, das fast immer weiß, wann es ein Werk in seinem Kern unangetastet lassen sollte und wann es notwendig ist, grundlegende Veränderungen an der Handlung vorzunehmen. In den letzten Jahren sind den schlausten Leuten bei Disney lediglich zwei auffällige Fehler unterlaufen.
So war die moderne Adaption von Dumbo hauptsächlich deswegen kein großer Hit bei den Zuschauern, weil die Kinogänger komplett andere Erwartungen hatten. Und bei der harsch kritisierten Realverfilmung von Susi und Stroch, die exklusiv auf Disney Plus veröffentlicht wurde, handelte es sich lediglich um ein Werk mit dem Budget einer aufwändigen TV-Produktion.
Doch bei Mulan stehen die Dinge anders, denn diese Adaption ist echtes AAA-Kino, mit hochkarätigen Darstellern und einem immensen Budget. Und doch unterlag das Mammutprojekt den Auswirkungen der noch immer wütenden Corona-Pandemie, weswegen ein regulärer Kinostart umgangen und einfach darauf gesetzt wurde, dass Kunden von Disney+ bereit sind, zusätzlich zu den Abokosten Geld auszugeben, um Mulan bereits vor Dezember 2020 schon zu Gesicht zu bekommen.
Enttäuschende Effekthascherei in Mulan
Nimmt man die grandiosen CGI-Effekte und das sichtbare Talent der angeheuerten Schauspieler beiseite, stellt sich jedoch die Frage, warum man dies tun sollte. Denn abgesehen von wenigen Ausnahmen, hat diese Neuinterpretation kaum etwas Interessantes zu bieten und verfehlt es grandios, es auch nur einem bestimmten Typ von Publikum recht zu machen.
In zu vielen Bereichen versucht Disney stattdessen einen Markt zu befriedigen, der undankbarer kaum sein könnte und vergisst dabei diejenigen, für die sie diese Art von Filmen ursprünglich produziert haben: Fans der originalen Zeichentrickfilme und die heranwachsende, neue Generation, die prägende Erlebnisse mit dem Film haben soll, um sich zu begeisterten und vor allen Dingen zahlenden Kunden der Zukunft zu entwickeln.
Beide Zielgruppen werden hier jedoch weitgehend ignoriert und stattdessen präsentiert sich Mulan als zu ernst, kompliziert und unlustig für die kleinsten unter uns, und gleichsam als zu losgelöst vom Original für die Nostalgiker da draußen. So sucht ihr in der 2020er-Version vergebens nach den legendären Musikeinlagen, habt nur wenig komische Momente, es gibt keinen kleinen Drachen namens Mushu und auch andere Figuren wie die Liebesbeziehung zu Li Shang existieren gar nicht mehr.
An ihrer statt wurden Charaktere eingebaut, deren komplette Daseinsberechtigung darauf beruht, von einem namhaften Darsteller porträtiert zu werden. Hinzu kommt eine platte, höchst frustrierende Ausrede, warum effektreiche Handlungen, die dem geneigten Zuschauer präsentiert werden, möglich sind. Wenn sich also Frauen in Greifvögel verwandeln und Männer Pfeile mit der bloßen Hand fangen, ist dies dem mystischen Chi zu verdanken. Viel mehr Erklärung gibt es nicht, weswegen wohl der Begriff Popcornkino aktuell häufig im Zusammenhang mit diesem Thema auftaucht.
Ein Pfeilhagel aus Logiklöchern
Und auch ansonsten ist die Handlung im Detail höchst unzufriedenstellend, sowie voller Logiklöcher. Über keinen Aspekt der Geschichte darf länger nachgedacht werden, da sich ansonsten herausstellt, dass die entsprechenden Inhalte lediglich zweckdienlich sind. Mulan präsentiert sich, biedert sich an, möchte sich dabei aber anscheinend nicht zu viel Mühe geben.
Ganz zu schweigen davon, dass viele Inhalte und Wendungen nicht zu Ende gedacht wurden. So bricht sich der erhobene Zeigefinger, der die Ungerechtigkeit anprangert, wie Frauen in China in diesen alten Tagen behandelt wurden, beispielsweise schon daran, dass im Finale einfach so getan wird, als sei dieser Umstand verhandelbar gewesen.
Unterm Strich ist Niki Caros Mulan ein schön anzusehender Fantasyfilm mit netten Akrobatikeinlagen, tollen Kulissen, schönen Kostümen und talentierten Schauspielern. Aber eben auch ein Film, dessen Handlung kaum Sinn ergibt, dessen Charaktere zweidimensional ausgearbeitet wurden und dem es von Beginn bis zum Ende an Tiefe fehlt. Die Logik hat in diesem Werk keinen hohen Stellenwert, stattdessen geht es nur um Effekte und einen unmotivierten Versuch, den Kinogänger zu belehren.