Artikel

Neverwinter: Alte Tradition mit frischem Schliff?

Wenn man heutzutage mit einem Online-Rollenspiel erfolgreich sein möchte, braucht man vor allem eins: eine gute Idee. MMORPGs aus dem Baukasten haben schon lange ihren Glanz verloren und außer einem schlechten Eindruck nichts hinterlassen. Man muss also schon etwas tiefer in die Kiste greifen, um die mittlerweile sehr anspruchsvolle Community begeistern zu können. Cryptic Studios hat sich genau diesen Umstand zu Herzen genommen und für sein neues Online-Abenteuer Neverwinter so einiges in petto. Dabei sind die Ideen an sich gar nicht mal so neu, aber immerhin originell genug, um einem ganzen Genre endlich den frischen Wind zu schenken, nach dem es sich schon lange sehnt. Dies hofft zumindest der Entwickler. Wir als Konsumenten bekommen solche Parolen ja nicht gerade selten zu hören. Flaggschiff des MMOs ist die Dungeons & Dragons-Lizenz, die dem ganzen Treiben auch seinen Namen gibt. Mit von der Partie ist aber auch ein für die MMO-Welt wirklich neues Feature, mit dem sich Spieler eigene Inhalte erstellen können. Interesse geweckt? Dann erfahrt in unserer Vorschau mehr über die Stadt ohne Winter.

Die Stadt ohne Winter

Wusstet ihr eigentlich, dass Neverwinter das erste Online-Rollenspiel war? Naja, zumindest so ein Bisschen. Das System nannte sich 1991 noch MUD (Multi-User-Dungeon) und bot immerhin Platz für 50 Spieler. So wirklich kann man dieses Genre mit den heutigen MMORPGs auch gar nicht vergleichen, aber dennoch war Neverwinter das erste Spiel dieser Art und ein Wegbereiter für all die tollen Titel, die diesen Bereich der Gamingwelt später berühmt machten. Die Meisten von euch werden sich aber wohl eher an die erfolgreichen Rollenspiele erinnern, die vor einigen Jahren erst von BioWare und später von Obsidian entwickelt wurden. Cryptic Studios, die bereits durch Star Trek Online Erfahrung mit Lizenz-MMOs haben, erwarben vor geraumer Zeit die Rechte an einem Online-Ableger des erfolgreichen Forgotten-Realms-Teils des Dungeon & Dragons-Universums und wollen diese Glorie nun auch in Form eines MMORPGs erstrahlen lassen. Aber Vorsicht, es handelt sich hierbei nicht um eine Erweiterung oder Fortsetzung von Dungeons & Dragons Online, welches von Turbine entwickelt wird und ebenfalls auf dieser berühmten Fantasy-Welt basiert.

Neverwinter, oder auch Niewinter auf Deutsch, ist nicht nur eine der beliebtesten Städte in der Welt von Dungeon & Dragons, sondern auch gleichzeitig Hauptschauplatz dieses Online-Rollenspiels. Zerstört durch einen gewaltigen Vulkanausbruch, müssen die edlen Mauern wiederaufgebaut werden. Zwar ist das Gröbste zu Beginn des Spiels schon erledigt, doch – wie sollte es auch anders sein – kam mit dem vergangenen Unheil auch das neuerliche Böse, welches aus den Tiefen der Welt emporsteigt und Neverwinter bedroht. Da passt es dem Stadthüter Lord Neverember von Waterdeep ganz gut in den Plan, dass viele neue Helden in der Stadt gesichtet wurden. Mit diesen Helden sind natürlich die Spieler gemeint.

Kerker und Drachen!

Was wäre ein echtes Lizenz-Spiel, wenn man genau diese Eigenschaft nicht bereits bei der Auswahl an Völkern und Klassen spüren würde? Gut, für den einen mögen wohl alle Rassen in Fantasy-Welten gleich klingen und aussehen, echte Fans aber finden hier alte Bekannte wieder. Zum Beispiel die düsteren Drows oder die dämonischen Tieflinge. Sieben spielbare Völker, darunter auch Menschen, Zwerge und Elfen, will Neverwinter zum Spielstart im Gepäck haben, mit denen man sich jeweils für eine von acht verschiedenen Klassen entscheiden muss. Mit dabei sind unter anderem der Trickserschurke, der Taktische Magier, der Beschützende Kämpfer und der Zweihandwaffenkämpfer. Klingen zugegeben alle etwas komisch, aber so ist das nun mal, wenn man eingesessenen Fans eine möglichst hundertprozentige Umsetzung liefern will. Dies merkt man auch bei der Erstellung des virtuellen Egos, bei der man neben Herkunft und Glaube – was mittlerweile in vielen MMOs zum Standard geworden ist – seine Charakterwerte, wie im alten Pen-&-Paper-Rollenspiel, auswürfelt.

Von den Drachen ist im bisher präsentierten Material zwar nicht so viel zu sehen, dafür dürfen wir uns auf ein recht actionreiches Kampfsystem freuen. Dabei werden die ausführbaren Aktionen auf das Nötigste reduziert und erinnern – zumindest soweit wir es auf der gamescom 2012 begutachten konnten – eher an ein Hack'n Slay, als an ein stereotypes MMORPG. Die Hauptangriffe beziehungsweise Fertigkeiten werden mit den Maustasten ausgeführt, drei weitere können wir uns auf die Tasten Q, E und R legen. Klingt nun nicht gerade nach einer mannigfaltigen Auswahl an im Kampf benutzbaren Skills, könnte sich aber auch als taktische Raffinesse entpuppen. Um dies mit Sicherheit sagen zu können, muss aber ein tieferer Blick in das Spiel geworfen werden.

Auf ins Abenteuerland

Um die 60 Stufen gilt es in Neverwinter zu erklimmen und um dies zu bewerkstelligen kommen euch nicht nur die üblichen Quests und Erkundungen zugute, sondern auch die vielen Events, die in der Welt des Spiels stattfinden sollen. Dabei soll es laut Entwickler Cryptic Studios jeden Tag etwas Neues zu erleben geben. Dazu gehören Events für jedes Gebiet, spezielle Dungeons und thematische Zonen, die regelmäßig besucht werden können. Eine möglichst dynamische Spielwelt ist geplant, die mehr als nur das übliche Ablaufen von Quest-Routen bieten soll. Diese soll man wahlweise alleine oder in der Gruppe erleben. Abgesehen von den Mehrspieler-Dungeons soll es nämlich auch ohne Probleme möglich sein, mit einem Computer-Begleiter – ähnlich wie bei Star Wars: The Old Republic – im Schlepptau die Welt von Neverwinter zu bereisen. So kämpfen wir gegen fiese Orks, die sich im Tower District eingenistet haben, stellen uns unbekannten Gefahren im Tower of the Spiders, befreien die Schwertküste von blutrünstigen Werwölfen oder beseitigen im Event „Stürmt die Festung“ Blackdagger Keept, einen bösen Piratenkriegslord. All diese Inhalte stammen übrigens aus dem offiziellen Factsheet von Neverwinter. Für detaillierte Informationen müssen wir allerdings darauf warten, selbst einen Blick in das Spiel werfen zu dürfen.

Inhalte zum Selbstmachen – The Foundry

Ein großes Highlight in Neverwinter wird das mitgelieferte Bau-Tool „The Foundry“, mit dem Spieler, wie schon in den alten Rollenspielen, eigene Inhalte für das MMORPG entwerfen können. Zumeist handelt es sich dabei um Dungeons, die mit wenigen Klicks kreiert werden. Auf der gamescom 2012 in Köln hatten wir bereits die Möglichkeit, einen Blick auf dieses System zu werfen und es gestaltet sich wirklich leichter als gedacht. Ohne Erfahrung in Sachen Design oder Programmierung setzt man einfach einen Raum an den nächsten, verbindet beide mit Türen, legt Spawnpunkte für Gegner, Beute und Spieler fest und kann sogar kleinere Quests für eben jene Instanz anfertigen. Hat man sein Werk vollbracht, kann man den eigenen Inhalt mit der Community teilen und zum Beispiel zusammen mit seinen Freunden spielen. Content zum Selbstmachen also. Immerhin eine gute Alternative, um nicht monatelang auf Updates zu warten. Wobei die Freiheiten natürlich begrenzt sein werden. Dennoch bahnt sich hier ein wirklich innovatives Feature an, was es so in Online-Rollenspielen noch gar nicht gab und Neverwinter so einiges an Aufmerksamkeit schenken könnte.

Technik & Kostenfaktor

Neverwinter basiert auf einer hauseigenen Engine, welche extra für das MMORPG entwickelt wurde. So sieht das Spiel zwar nicht hypermodern, aber immer noch sehr hübsch aus und läuft bereits auf älteren Computern flüssig. Zumindest, wenn man den Hardwareangaben der offiziellen Homepage trauen kann. Laut diesen werden lediglich eine leistungsstarke DirectX-9-Grafikkarte mit 512MB Arbeitsspeicher, ein Zweikernprozessor und zwei Gigabyte RAM empfohlen. Kosten wird das Spiel nichts, was recht ungewöhnlich für diese Masse an geplanten Inhalten ist. Publisher Perfect World Europe aber hat ein reguläres Free-2-Play-Modell für Neverwinter vorgesehen. Dieses wird aller Voraussicht nach einen Itemshop bekommen, zu dessen Inhalten wir an dieser Stelle aber noch keine Informationen haben.

Ausblick

Fans echter Fantasy-Rollenspiele werden es dieses Jahr ganz schön schwer haben, zwischen The Elder Scrolls Online und Neverwinter zu entscheiden. Beide Titel hinterlassen einen guten Eindruck und erwecken bereits jetzt die Lust, intensiv in ihre Welt einzutauchen. Dabei könnte Neverwinter, gerade durch die Möglichkeit, eigene Inhalte zu erschaffen, das actionlastige Kampfsystem und das Free-2-Play-Modell ein paar Pluspunkte machen. Bleibt abzuwarten, was wir nach ersten Spielerfahrungen sagen können. Bisher aber deutet hier alles auf ein Online-Rollenspiel mit großem Potenzial hin, welches dem Genre in der Tat einige neue Aspekte schenken könnte. Gerade Fans von Dungeon & Dragons sollten unbedingt ein Auge auf Neverwinter werfen und auch Rollenspiel-Freunde könnten hieran sicherlich Interesse finden. Die Closed Beta zu Neverwinter startet in Kürze, einen festen Release-Termin gibt es aber noch nicht.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"