2008 kam es zum Bruch zwischen Tomonobu Itagaki und Tecmo. Auch wenn der Japaner mit Sonnenbrille und Lederkutte als eine der eigenwilligsten Persönlichkeiten im Business gilt, kann man nicht von der Hand weisen, dass sein kreativer Input für Tecmo von unschätzbarem Wert war. Schließlich war es Itagaki, der nicht nur Dead or Alive kreierte sondern 2004 auch Ninja Gaiden aus der Versenkung hervorholte und zu einer Genre-Referenz für Action-Titel machte. Mit Ninja Gaiden erscheint erstmals ein neuer Titel aus der Reihe ohne seine Mitwirkung, aber rockt das Spiel genauso sehr wie seine Vorgänger?
Vom Badass zum Emo?
Eine unbekannte Gruppe von Terroristen hat London in ihre Gewalt gebracht und hält den britischen Premierminister als Geisel. Deshalb wendet sich der japanische Geheimdienst an Ryu Hayabusa, da die Terroristen nach ihm verlangen. Was auf den ersten Blick als Auftakt eines neuen Call of Duty durchgehen könnte, ist leider tatsächlich der Beginn der Story von Ninja Gaiden 3. Also begibt sich der Super-Shinobi in die Stadt an der Themse, um den Verbrechern zu zeigen, dass das Katana immer noch stärker ist als die AK-47. Beim Aufeinandertreffen mit dem Anführer der Gegner wird Ryu jedoch von ihm mit einem Fluch belegt, der das Drachenschwert mit Ryus rechtem Arm verschmilzt, woraufhin er fortan von den Seelen all jener, die durch seine Hand starben, geplagt wird. Das dient in erster Linie dem Wunsch von Entwickler Team Ninja den Protagonisten vom gesichtlosen Killer in einen Charakter mit menschlicheren Zügen zu verwandeln. Zu diesem Zweck nimmt Ryu auch regelmäßig seine Maske ab. Dabei war die Story in Ninja Gaiden noch nie eine Priorität, das wäre vielleicht auch in diesem Teil die bessere Entscheidung gewesen. Es wird krampfhaft versucht dem Spieler eine Bindung zu den Nebencharakteren aufzuzwingen, was leider völlig misslingt. Plottwists sind vorhersehbar, die Charaktere eindimensional und wirkliche Auswirkungen auf das Gameplay hat Ryus Fluch nicht, immer wieder kommt es jedoch zu langsam ablaufenden Sequenzen, in denen sein Arm zu schmerzen beginnt. Wenn euch diese Art von Szene schon in Metroid: Other M genervt hat, dann werden diese Passagen euch in Ninja Gaiden 3 erst recht auf die Palme bringen.
Das wäre so weit zu verschmerzen, wenn wenigstens noch beim Gameplay allem im Lot wäre. Leider hat Team Ninja versucht die Serie auch gegenüber Neulingen zu eröffnen, weshalb der Schwierigkeitsgrad deutlich heruntergeschraubt wurde. Wo Button-Mashern zuvor heftig auf die Finger geklopft wurde, könnt ihr in Ninja Gaiden 3 auch durch planloses Einhämmern auf die Angriffknöpfe in den unzähligen Gefechten bestehen und die Gegner mit den immer selben Moves bezwingen. Behaltet einfach nur grob euren Lebensbalken im Auge und drückt brav die eingeblendeten Buttons und schon läuft das Spiel wie geschmiert. Euch wird wenig Ansporn gegeben etwas Abwechslung in eure Kampftechnik zu bringen, da Ryu nur noch mit einem Katana, einem Bogen und einem unendlichen Vorrat an Shuriken ausgestattet ist. Muramasa und sein Shop, in dem ihr neue Waffen und Upgrades erwerben konntet, wurden wegrationalisiert und auf einen Cameo-Auftritt reduziert. Auch verfügt ihr nur noch über einen einzigen Ninpo-Zauber, für den ihr eure Ki-Leiste durch aufeinanderfolgende Kills auffüllen müsst. Einmal entfesselt vernichtet ein Drache aus Feuer alle Gegner auf dem Screen und stellt dabei noch eure Gesundheit wieder her, was ihr ansonsten nur an Speicherpunkten könnt. Da der Ki-Balken binnen weniger Sekunden wieder gefüllt ist, könnt ihr fast ständig diesen Move ausführen, was die ganze Chose noch einfacher macht. Einzig die Bosskämpfe verlangen euch etwas mehr Geschick ab, darunter auch herrlich abgedrehte Fights gegen einen Dinosaur/Cyborg-Hybriden oder Evil Ryu (Nein, nicht der aus Street Fighter…). Oberbösewichte wie Kampfhubschrauber und Roboterspinnen werden jedoch zu oft recycelt und die Kämpfe bestehen zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil aus Quick Time Events, um das cineastische Flair zu erhöhen. A propos Recycling, einen Boss hat man komplett aus dem Vorgänger übernommen.
"Gelernt habe ich eigentlich Metzger…"
Auch an der Gewaltschraube hat man gedreht, ob man das nun als Entschärfung bezeichnen mag, bleibt jedem selbst überlassen. Zwar sind keine Verstümmelungen oder Enthauptungen mehr möglich, dafür versuchen verwundete Gegner in Sicherheit zu robben und röcheln um Gnade. Roter Lebenssaft fließt Literweise und im Laufe der Missionen werden sowohl Ryus Klinge als auch der Bildschirm mit Blut nur so vollgesifft. Schon während der ersten Spielminuten müsst ihr in einer geskripteten Sequenz einen wehrlosen Terroristen erstechen, der eingehend auf Ryu einzureden versucht und um Mitleid bettelt, da er schließlich nur seine Familie ernähren wolle. Dem Spieler künstliche Emotionen mit dem Dampfhammer zu vermitteln ist kein besonders cleverer Schachzug, zumal euch in dieser Szene keine Entscheidungsfreiheit gegeben wird und sie somit, ebenso wie die restlichen auf Ernsthaftigkeit getrimmten Momente, keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. Aufgelockert werden die vielen Kämpfe durch Geschicklichkeitspassagen im Sinne der NES-Vorgänger, in denen ihr euch mit Wandsprints und -sprüngen fortbewegt und Ryu seine Kunai zum Erklettern eines Vorsprungs benutzt. Auch hier seid ihr die meiste Zeit mit QTEs beschäftigt, außerdem kann Ryu jetzt auch einzelne Gegner mit Stealth-Takedowns ausschalten, falls sie ihn noch nicht gesehen haben. Da euch aber ohnehin kurze Zeit später wieder mindestens ein Dutzend Gegner vor die Klinge läuft, könnt ihr euch die Leisetreter-Tour praktisch schenken. Ebenso wie der Ninpo-Zauber macht auch Ryus ultimative Technik automatisch mit allen Feinden in eurer Umgebung kurzen Prozess.
Kämpfte Ninja Gaiden bislang immer an vorderster Grafikfront mit, kommt der dritte Teil optisch nur noch "anständig" daher. Nicht zu schlecht, aber auch nicht der Fortschritt, den man von der Serie erwarten würde. Charaktermodelle und gerade die Gesichtsanimationen besitzen die gewohnte Detailschärfe, dagegen lassen die Umgebungen zu wünschen übrig und kommen leblos daher. Prinzipiell behaltet ihr einigermaßen den Überblick und werdet von A nach B zum nächsten Gemetzel gescheucht. Solltet ihr einmal doch die Orientierung verlieren, wird euch mit einem Druck auf den rechten Analogstick gezeigt, in welche Richtung es denn nun geht. Schuld daran ist meistens die Kamera, die euch gelegentlich Schwierigkeiten bereitet. In den Kämpfen wird urplötzlich an Ryu herangezoomt um den aktuellen Kill in Szene zu setzen, woran ihr euch nach einiger Zeit sattgesehen haben dürftet. Auf der Disc befinden sich eine japanische und eine englische Tonspur, wovon wir der originalen Sprachausgabe den Vorzug gewähren würden. Nicht etwa weil ihr sowieso irgendwann das Gelaber nur noch mit einem Ohr verfolgt, die englischen Sprecher können mit der Zeit ganz schön nerven.
Shinobi of Duty: Modern Clanwars 3
Habt ihr nach knapp sieben Stunden die Kampagne beendet bleibt euch immer noch der Multiplayer, für den ihr jedoch einen Online-Pass benötigt und den ihr ausschließlich über das Netzwerk spielen könnt, da man keinen Splitscreen-Modus integriert hat. In "Shadows of the World" bestreitet ihr Deathmatches für bis zu acht Spieler, hier gilt die Faustregel: Je mehr Spieler, desto hektischer und unübersichtlicher. Hier steht euch tatsächlich eine breitere Auswahl an Waffen samt Upgrades und Ninpo-Sprüchen zur Verfügung, die dem Spieler in der Kampagne verwehrt blieben. Auch wenn einige davon kostenpflichtiger DLC sind, wird euch hier ironischerweise mehr Tiefgang als im Hauptspiel geboten. Gerade als Frischfleisch werdet ihr hier gegen erfahrenere Zocker einen schweren Stand haben, da sie euch mit überlegenen Fähigkeiten und Ausrüstungen in die Mangel nehmen. In "Ninja Trials" bestreitet ihr mit einem Kollegen diverse Challenges in einer Art Koop-Modus. Das macht sogar ausgesprochen viel Spaß, da ihr nicht den Ballast der Handlung des Spiels auf den Schultern tragt und euch vollends auf das Gameplay konzentrieren könnt. Schade, dass es von diesen Trials nicht allzu viele gibt und zusätzliche Herausforderungen als DLC im Shop auf euch warten, denn gerade im Multiplayer werdet ihr wahrscheinlich den meisten Spaß haben. Sowohl online geführte Gefechte als auch Kampagnenmissionen lassen sich als Replay speichern und dann wieder und wieder ansehen.
Ninja Gaiden war immer die erste Wahl für leicht masochistisch veranlagte Zocker, denn der brutale Schwierigkeitsgrad machte ein Durchspielen zu einem Erfolgserlebnis ohnegleichen. Dass man für den dritten Teil offenbar ein paar Elemente von Dynasty Warriors einfließen ließ, ist unverzeihlich. Während die ersten beiden Schwierigkeitsgrade wirklich nicht der Rede wert sind, lassen sich "Hard" und "Master Ninja" im Mittelfeld der Vorgänger einordnen. Aber dass der "Ultimate Ninja"-Schwierigkeitsgrad, der vermutlich selbst Itagakis Anerkennung gewinnen würde, ausschließlich als kostenpflichtiger(!) DLC erhältlich ist, schlägt dem Fass den Boden aus. Ninja Gaiden 3 ist ein Downgrade seiner selbst geworden, indem Team Ninja in eine neue Richtung zu experimentieren versuchte. Dabei hat die bisherige Formel doch immer funktioniert, sodass der Wechsel umso fragwürdiger erscheint. Das Gameplay wurde ganz klar der Präsentation untergeordnet, aber die Geschichte will einfach nicht zünden. Online-Pässe und DLCs dürften ebensowenig im Interesse der Käuferschaft sein, besonders wenn manche Inhalte wie z.B. der neue Schwierigkeitsgrad von Anfang an ohne Aufpreis enthalten sein sollten. Aber ist Ninja Gaiden 3 ein schlechtes Action-Spiel per se? Nein, es kann nur nicht in die Fußstapfen der exzellenten Vorgänger treten.