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Nintendo: Der Mann, die Legende und sein Erbe

Am Samstag verstarb Satoru Iwata, der CEO von Nintendo of Japan und Nintendo of America. Iwata-san erlag er im Alter von 55 Jahren seinem Krebsleiden, nachdem er im vergangenen Jahr seine Erkrankung öffentlich machte. Mit ihm geht eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Spielebranche verloren, mit diesem Artikel wollen wir seine Verdienste würdigen und unseren Dank aussprechen.

Revolution durch Innovation

Ich erinnere mich noch genau, wie ich Satoru Iwata zum ersten Mal bewusst wahrgenommen habe. Es war ein Artikel in einer Spielezeitschrift zur E3 2005, in der Iwata-san das damals noch brandneue System "Revolution" vorstellte. Eine kompakte schwarze Konsole, kaum größer als drei aufeinander gestapelte DVD-Hüllen. Den Controller wollte man noch nicht präsentieren, da man befürchtete, dass die Konkurrenz die zugrundeliegenden Konzepte kopieren könnte. Während Microsoft und Sony mit Xbox 360 bzw. PlayStation 3 die technischen Muskeln spielen ließen, wirkte die Revolution wie ein von Beginn an zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. Mit einem fast schon süffisanten Unterton wurde in dem Artikel die vergleichsweise schwache Hardware bemängelt, in der damals aktuellen Konsolengeneration kam der GameCube nur als Dritter hinter PlayStation 2 und Xbox ins Ziel. Doch spätestens als in TV-Spots Jung und Alt beim gemeinsamen Bowling in Wii Sports zu sehen waren, hielt die Konsole Einzug in gefühlt jedes vierte Wohnzimmer. Auf einmal wurde Gaming als Hobby ein ganzes Stück massenkompatibler und gerade in Deutschland, wo Gaming noch für breite Teile der Öffentlichkeit als Brutstätte für potentielle Amokläufer galt, eröffnete sich ein neuer Blickwinkel auf die Industrie. Die Revolution war geglückt.

Satoru Iwata fällte bewusst die Entscheidung, mit der Wii neue Zielgruppen zu erschließen anstatt sich auf ein Wettrüsten mit Microsoft und Sony einzulassen. Ein Schritt, der sich sowohl mit der Wii als auch mit dem Nintendo DS bezahlt machen sollte. Als Nintendo nach Einführung der Wii U rote Zahlen zu schreiben begann, verzichtete Iwata-san auf die Hälfte seines Gehalts, damit als Ausgleich keine Arbeitsplätze gestrichen werden mussten. Eine solche Entscheidung dürften nur die wenigsten CEOs in derselben Situation treffen. Überhaupt fühlte sich Iwata-san seit jeher seinen Kunden gegenüber verbunden, was man in zahlreichen seiner Direct-Präsentationen spürbar merken konnte. Ganz egal, ob er sich einen Kampf mit Reginald "Reggie" Fils-Aime à la Super Smash Bros. lieferte, als Muppet Teil des Star Fox-Teams wurde oder den Zuschauer am Ende einer Sendung mit den Worten: "Before you go, please take a look." mit einem neuen Trailer überraschte. Der Draht zu den Zockern war wichtiger denn je. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem leider 2013 verstorbenen Hiroshi Yamauchi, war Satoru Iwata selbst leidenschaftlicher Gamer und programmierte bereits während seines Studiums erste Spielchen auf einem Taschenrechner. Auf der Game Developers Conference 2005 wurde er in einer Keynote-Rede wie folgt zitiert: "Auf meiner Visitenkarte steht, dass ich Firmenchef bin. Im Geiste bin ich Spieleentwickler. Doch im Herzen fühle ich mich als Gamer."

Gamer durch und durch

Schon vor seinem Aufstieg zum CEO bei Nintendo hat Iwata-san seine Fußspuren in diversen Top-Titeln hinterlassen. 18 Jahre lang hat er bei HAL Laboratory gearbeitet und war nicht nur maßgeblich an der Kreation vom rosa Knuddelknödel Kirby beteiligt. Durch seine Hilfe konnte EarthBound für das Super Nintendo Entertainment System veröffentlicht werden, nachdem das Coding den Entwicklern von Ape Inc. Probleme machte. Er unterbreitete Masahiro Sakurai den Vorschlag, den Cast des fürs Nintendo 64 geplanten Prügelspiels Kakuto-Geemu Ryuoh durch Nintendo-Charaktere zu ersetzen und half 2002 trotz seiner Position als General Manager of Corporate Planning beim Debug-Prozess von Super Smash Bros. Melee, damit der Release des Titels nicht nach hinten verschoben werden musste. Eine von ihm erarbeitete Methode zur Kompression von Daten ermöglichte es den Entwicklern bei Game Freak, die Kanto-Region mit in Pokémon Gold und Silber integrieren zu können. Ich könnte an dieser Stelle noch weitere Beispiele aufzählen, doch im Endeffekt steht eins fest: Ohne Iwata-san hätten einige von Nintendos Sternstunden auf der Kippe gestanden.

Die zahlreichen Posts von Fans, ehemaligen Kollegen und sogar Mitarbeitern von Sony und Microsoft beweisen, was für eine Lücke der Tod von Satoru Iwata hinterlässt. Unvergesslich neben den von ihm gehosteten Nintendo Direct-Präsentationen ist auch die Rubrik "Iwata Asks", in deren Rahmen er sich mit anderen Entwicklern hinsetzte und bei einem Plausch die Hintergründe zu aktuellen Titeln von Nintendo erläuterte. Wer sich durch die mehrere Seiten umfassenden Interviews klickte, erfuhr unter anderem, wie Shigeru Miyamoto und Dylan Cuthbert von Argonaut Software sich während der Entstehung von Starwing fürs SNES gegenseitig in den Sprachen Japanisch und Englisch unterrichteten oder warum der Spieler in Super Mario Bros. nicht nach links laufen kann. Ob und in welcher Form diese Formate fortgesetzt werden, ist jetzt noch nicht klar. Dennoch sollten wir nichtsdestotrotz nach vorne sehen. EarthBound wurde in Japan mit dem Slogan "エンディングまで泣くんじゃない" beworben, was übersetzt etwa so viel wie "Keine Tränen, bevor das Ende läuft" bedeutet. Daran will ich mich halten und werde keine Tränen für ihn vergießen. Iwata-san hat Zeit seines Lebens andere Menschen unterhalten und ihnen Freude bereitet, es wird also wohl kaum in seinem Sinne sein, dass Menschen seinetwegen in tiefe Trauer verfallen. Egal ob auf einem Modul, einer Disc oder als Download, sein Vermächtnis wird uns erhalten bleiben. Seine Arbeit hat uns unzählige Stunden an Spielspaß geschenkt, und dafür wird er uns immer in Erinnerung bleiben. どうもありがとうございます, Iwata-san!

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