Wer sich als Fan des Piratenepos One Piece sieht und gleichzeitig das Gamer-Herz in sich schlagen spürt, braucht alle Jahre wieder sehr starke Nerven, denn Videospieladaptionen von Eiichiro Odas enorm erfolgreichem Manga/Anime sind nur selten das Geld und die Zeit wert. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, zu denen sich schon bald ein neuer Titel gesellen möchte.
Der Emporkömmling hört auf den Namen One Piece Odyssey und erscheint offiziell am 13. Januar 2023 für den PC, die Playstation 4 sowie PlayStation 5 und die Xbox Series X/S. Wer die Trailer zu Bandai Namcos neuestem Titel schon gesehen hat, wird schnell erkannt haben, dass das Spiel seinen Vorgängern sehr ähnlich sieht, jedoch einen großen Unterschied für sich sprechen lassen kann.
Nämlich die rundenbasierten Kämpfe, die nicht von ungefähr an den Rollenspiel-Giganten Final Fantasy erinnern. Ob das neue „One Piece“-Spiel abgesehen von diesem Twist noch mehr zu bieten hat, wie gut das Kampfsystem wirklich ist und was ihr sonst noch zu erwarten habt, erfahrt ihr in diesem ausführlichen Test.
One Piece Odyssey: Das Kampfsystem – Ruffy im Rausch taktischer Finesse
„One Piece“-Veteranen wissen es schon, Neulinge werden es auf die harte Tour lernen müssen: Videospiele, die im „One Piece“-Universum angesiedelt sind, beschreibt man am besten als überlange Filler-Episoden zum selber Spielen, die nur selten mehr bieten können als eine höchstens durchschnittliche Spielerfahrung gepaart mit einem großen Wiedererkennungswert.
„One Piece Odyssey“ soll jedoch die große Wende bringen und das auf den ersten Blick sehr interessante Kampfsystem wird als vordergründiges Verkaufsargument in den Ring geworfen. Sehr ähnlich zu der Computer-Rollenspiel-Serie des japanischen Unternehmens Square Enix kämpft ihr nämlich nicht in Echtzeit, sondern in rundenbasierten Auseinandersetzungen.
Die Strohhüte bekommen es in diesen Konfrontationen unter anderen mit allzu bekannten Feinden, wenigen neuen Monstern und einer ganzen Schar an Klonkriegern zu tun, die ganz im Sinne des klassischen Stein-Schere-Papier-Prinzips einem bestimmten Typ angehören: Kraft, Tempo oder Technik. Dementsprechend hängt der ausgeteilte und erlittene Schaden von den richtigen Paarungen ab.
Der eigenen Zugehörigkeit verpasst ihr normalen, der unterlegene Typ erleidet doppelten und der überlegene Typ erhält lediglich halben Schaden. So weit, so klar. Hinzu kommen aber noch die Positionen eurer Charaktere, denn es können sich in einem Kampf mehrere Kampffelder bilden, die für den Ausgang der Auseinandersetzung entscheidend werden.
So ist es gut möglich, dass Ruffy gerade gegen einen Piraten kämpft, während Lysop oder Nami oder sogar beide von einem ganz anderen Kontrahenten bedrängt werden. In der Regel kann Ruffy seinen Kameraden jedoch erst dann helfen, wenn er seinen eigenen Widersacher erledigt und sein Feld geräumt hat. Gewisse Spezialattacken bilden hier jedoch die Ausnahme, die manchmal überlebensnotwendig sind.
So müsst ihr also nicht nur im Kopf behalten, welcher Typ gegen welchen Gegner effektiv ist, ihr müsst auch eure Kämpfer*innen während der Auseinandersetzung regelmäßig auswechseln und die Plätze tauschen lassen, um aus Nachteilen Vorteile zu machen und an sich überlegene Feinde in den Staub zu schicken.
Hinzu kommen klassische Buffs und Debuffs, ausrüstbare Accessoires, die entsprechende Werte verbessern, und Items, die ihr im Kampf verwenden könnt. Außerdem werden immer mal wieder Ereignisse in Kämpfen ausgelöst, die spezifische Anforderungen an euch stellen und mit Bonuserfahrungspunkten belohnt werden, sofern ihr sie denn erfolgreich abschließt.
Wer ohne den übermäßigen Einsatz von Verbrauchsgegenständen gewinnen will, muss mehrere Faktoren im Auge behalten und gewisse Schritte im Voraus planen. Alles in allem ist das Kampfsystem also theoretisch durchaus komplex und bietet genügend Optionen, um eine Menge Abwechslung und taktisch anspruchsvolle Kämpfe zu ermöglichen.
Die Betonung liegt hier jedoch leider auf dem Wort Theoretisch. Denn in der Realität ist One Piece Odyssey deutlich zu leicht und während unseres Tests hatten wir es nicht mit einem einzigen Gegner beziehungsweise einer Gruppe an Gegnern zu tun, die uns auch nur für einen Moment ins Schwitzen gebracht hätten.
90% der Kämpfe bestehen lediglich aus Auseinandersetzungen mit Piraten, die allesamt das gleiche umdekorierte Gesicht haben, oder Monstern, die verschlafen den Widerstand verweigern. Manche von ihnen lösen Statusleiden aus, andere haben relativ viele Lebenspunkte. Eine besondere Taktik über dem Offensichtlichen hinaus erfordert jedoch keiner von ihnen.
Wer sich an die Regeln dieses Titels hält und berechnend an die Sache herangeht, hat durchweg leichtes Spiel. Alle anderen können das Defizit, die Kämpfe nicht ernst zu nehmen, jederzeit durch mächtige Items ausgleichen, die lediglich sehr spät im Spiel einen echten Nutzen haben. Und sollte es dennoch einmal Probleme geben, gibt es ja noch immer die Freundschafts-Attacken.
Diese werden in der Story von „One Piece Odyssey“ nach und nach durch besondere Herausforderungen freigeschaltet und erlauben es einem Trio, mächtige Attacken vom Stapel zu lassen, die nicht nur enormen Schaden verursachen können, sondern auch nützliche Zusatzeffekte bieten. Wer jetzt auf pompöse Attacken hofft, die visuell ansprechend in Szene gesetzt werden, wird jedoch enttäuscht.
Hier zeigt sich das Spiel nämlich ähnlich karg wie bei den klongesichtigen Piraten und reiht einfach eine typische Attacke eines betroffenen Charakters an die des jeweils anderen, nur, damit am Ende alle drei gemeinsam zuschlagen. Zwar sind die Kampfanimationen nett anzuschauen, nach einigen Fights verlieren sie nichtsdestoweniger sehr schnell ihren Reiz.
Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum das Spiel die Option bereit hält, Kämpfe automatisiert ablaufen zu lassen. Warum man das tun möchte, ist jedoch eine ganz andere Frage, denn wir haben nie irgendwo Erfahrungspunkte farmen müssen, um unseren Feinden Paroli bieten zu können. Lediglich etwas Laufarbeit war notwendig, um Zutaten für die Kochrezepte zusammenzubekommen.
Das Fazit zum Kampfsystem in „One Piece Odyssey“ sieht aufgrund all dieser Probleme und Problemchen etwas düster aus. Zwar gibt es viele tolle Einfälle und Ansätze, jedoch sind diese am Ende des Tages allesamt von geringer Gewichtung, da wir sowieso fast jede Auseinandersetzung im Schlaf gewinnen können, sofern wir nur unsere Strohhüte ordentlich positionieren.
Wer darüber hinaus noch darauf achtet, in welcher Reihenfolge welcher Charakter welche Attacke ausführt, muss sich nicht einmal vor einem starken Bossgegner fürchten, da diese bei angewandter Taktik zum Punchingball verkommen, der sich trotz massiver Unterlegenheit einfach weigert, endlich umzufallen. Bis er dann schließlich umfällt.
One Piece Odyssey: Die Welt – Aufgeblasen wie ein Gum-Gum-Ballon
Im neuesten Videospielabenteuer der Strohhut-Piratenbande verschlägt es euch (mal wieder) auf eine legendäre Insel, von der die Fünf Weisen nicht wollen, dass irgendjemand von ihrer Existenz erfährt. Das Geheimnis dieses Orts ist ihnen sogar so wichtig, dass sie einen autoritätsscheuen Vizeadmiral schicken, um Ruffy und Co. aufzuhalten.
Alles für den Fanservice. Diese Devise steht im Vordergrund, wenn es um das Worldbuilding in „One Piece Odyssey“ geht. Massenweise Anspielungen auf den Manga/Anime, zurückkehrende Figuren, beliebte Orte und Running Gags stehen entsprechend an der Tagesordnung, alles andere wird aber sträflich ignoriert.
Die Welten bestehen zum Beispiel aus Schlauchleveln, die außer einigen Truhen voller Gold und Kochzutaten nichts zu bieten haben und weitgehend ziemlich trostlos aussehen. Ein Level ist ein trostloser Dschungel, ein anderes eine trostlose Wüste, dann eine ebenso trostlose Stadt und so weiter und so fort. Allesamt bewohnt von den immer gleichen Visagen und Viechern.
Zwar gibt es in jeder Welt unterschiedliche Gegnerarten, die dort wohnhaft sind, ihre Typen und Taktiken bleiben aber durchweg gleich, während es sich bei den Piraten und anderen Halunken tatsächlich um die immer gleichen vier Haralds mit unterschiedlicher Gesichtsbehaarung handelt. Diese werden später einfach nur stärker und besser durchgemischt, nehmen der Welt aber mit jedem Auftritt etwas mehr Authentizität.
Das Quest-Design ist passend dazu äußerst öde und repetitiv. Im Dauertakt lauft ihr von A nach B, von B nach A, von A nach C, von C nach B und so weiter und so langatmig. Die Gründe für diese Lauferei sind so fade wie die Dialoge und reichen von „Man hat uns das Portmonee geklaut“ bis hin zu „Ruffy hat den Ausgang der Höhle zerstört, schnell zurück nach B“.
Während einer Hauptmission mehrmals durch das gleiche Stadtviertel gejagt zu werden, wäre vielleicht etwas angenehmer, wenn die Umgebung wenigstens lebendig aussehen würde oder zumindest visuell ansprechend, doch es handelt sich meist um öde Areale, bewohnt von stupiden Feinden und Zivilisten, die keinen Mehrwert für euch haben.
Damit ihr die immer gleichen NPCs und ihre immer gleichen Monologe aber auch ja nicht verpasst, ermutigt euch das Spiel, gleich mehrmals sowie nochmals überall alles abzulaufen, jedoch mit anderen Figuren. Ihr könnt nämlich den Anführer, also die Figur, die ihr beim Rumlaufen seht, austauschen. So lassen sich unterschiedliche Items aufsammeln.
Ruffy kann sich beispielsweise über Abhänge schwingen, Chopper passt in kleine Gänge (Und hat die anderen Strohhüte dabei in der Medizintasche?), Sanji findet seltene Kochzutaten, Zorro zerstückelt Eisentüren (aber nur da, wo ihr schon sein dürft), Nami klaubt gelegentlich Geld vom Boden… Was eben nötig ist, um aus einem einstündigen ein zweistündiges Gebiet zu machen.
Obendrauf gibt es noch einige Nebenmissionen, die sicherstellen, dass die zweistündigen Level auch gut und gerne drei Stunden lang sein können. Ein Kopfgeld eintreiben hier, ein besonderes Item finden dort und sich Dinge erklären lassen, die man längst wusste, überall. Als Belohnung gibt es ein selten relevantes Item, eine Trophäe/einen Erfolg oder zur Abwechslung auch einfach mal gar nichts.
Vertont wurde in diesem Levelerkundungssimulator knapp die Hälfte aller Dialoge und das zumindest im japanischen Original auch ziemlich gut. Der Rest besteht, für diese Art von japanischem Rollenspiel nicht unüblich, aus einzelnen Lauten, unterlegt mit dem dazu passenden Text. Die Dialoge sind dabei meist ein Best-of von Dingen, die die Strohhüte in den letzten 25 Jahren so gesagt haben.
One Piece: Zur Handlung – Nicht fragen, kämpfen!
Die Handlung in „One Piece Odyssey“ ist neben den Kämpfen eigentlich schon der beste Kaufgrund für dieses Spiel, auch wenn es kein sonderlich guter ist. Zumindest kommt ihr so in den zweifelhaften Genuss, neue, von Eiichiro Oda selbst entworfene Figuren kennenzulernen. Zweifelhaft deswegen, weil sie kaum mehr als die Schablone einer Kopie sind.
Wer also bereits seit Jahren alles an Videospielen, OVAs, Kinofilmen und anderen Ablegern mitgenommen hat, wird viele Parallelen zu bereits bekannten Non-Kanon-Figuren entdecken. Neu ist jedoch die Kraft eines Mädchens, das auf der mysteriösen Insel zuhause ist. Und sie ist auch der Grund, warum ihr in Gruppen kämpfen müsst.
Ihr Talent erlaubt es ihr nämlich, Kämpfer*innen ihre Fähigkeiten zu rauben und diese Befähigungen als kleine sammelbare Würfel überall zu verstreuen. Ihr müsst diese Würfel schließlich finden und aufsammeln, um eure Spezialattacken zu verbessern. Außerdem erhaltet ihr am Ende jedes Abenteuers auf der Insel eine ganz besondere Version dieser Würfel.
Habt ihr solch einen Würfel in euren Besitz gebracht, könnt ihr Orte aus den Erinnerungen der Strohhüte besuchen, wie beispielsweise Water 7 und Sandy Island. Was natürlich ein Wiedersehen mit alten Bekannten ermöglicht, mit ehemaligen Widersachern und natürlich auch den stärksten Feinden, denen Ruffy un Co. je gegenüber standen.
Nur, dass hier alle Feinde noch stärker sind, als es die Strohhüte waren, bevor ihnen ihre Fähigkeiten geraubt wurden. Also bleibt den Piraten nichts anderes übrig, als in der Gruppe gegen fiese Antagonisten wie Sir Crocodile oder Rob Lucci zu kämpfen. Damit es auch sonst nicht langweilig wird, gibt es zudem viele Abänderungen im direkten Vergleich zur ursprünglichen Arc.
Diese Änderungen werden, wie so ziemlich alles in dem Spiel, dadurch erklärt, dass es sich lediglich um Erinnerungen handelt. Und, wie die schuldige Figur nie müde wird zu erklären, Erinnerungen können trügerisch sein, weswegen „One Piece Odyssey“ eine allgemeingültige Ausrede hat, so ziemlich alles zu tun, was die Entwickler*innen für passend gehalten haben.
Was am Ende des Tages aber leider nicht bedeutet, dass aufregende Dinge passieren oder Fantheorien real werden, sondern nur, dass einzelne Level gefühlt endlos in die Länge gezogen werden und die Strohhüte immer einen Grund haben, wie verrückt herumzulaufen, Klonpiraten zu vermöbeln und Monster zu hauen, die je nach Gebiet ihre Farbe ändern.
Die meiste Zeit tut ihr dies lediglich dafür, neue Einträge zu sammeln, die ihr beim gemeinsamen Lagerfeuer einsehen könnt. Die euch aber entweder lediglich tertiär relevante Informationen mitteilen, Dinge, die sich von selbst erklären, oder Hinweise darauf, dass die Silberfledermaus Bronzeflederflügel fallen lässt. Ein Umstand, der stellvertretend für das ganze Spiel stehen kann.
„One Piece Odyssey“ ist nämlich über weite Flur einfach nur aufgebläht, ohne echte Abwechslung und Herausforderungen. Spielbare Charaktere, die eigentlich nur über eine einzige Attacke in zig verschiedenen Formen verfügen, unzählige Gegner, die die immer gleiche Vorgehensweise erfordern, und Items, die alle irgendwie das selbe tun.
Es ist eines dieser Spiele, die man als Fan von Eiichiro Odas Piratenepos wirklich lieben möchte, die es einem aber ungemein schwer machen, diese Liebe auch zu spüren. Ein Titel, der locker 60 Stunden fressen kann, sich aber kaum bemüht, euch so lange zu bespaßen. Wäre das nette Kampfsystem nicht, „One Piece Odyssey“ wäre kaum der Rede wert.