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Pineview Drive: Horror mit Schlüsselerlebnis

Auf der Suche nach unserer verschwundenen Frau Linda betreten wir nach über 20 Jahren wieder das alte Anwesen am Ende der Pineview Drive. Ob das eine gute Idee ist und warum wir nach unserem Test zu Pineview Drive keine Schlüssel, Türen und Clowns mehr sehen können, verraten wir euch weiter unten.

30 Tage Angst

Langsam stecke ich den alten Schlüssel mit schweißnassen und zittrigen Händen in das rostige Türschloss. Ein kurzer Moment der Stille. Dann ein metallenes Klicken. Mit einem leisen Quietschen öffne ich die schwere Holztüre und betrete den dahinterliegenden Raum. Meine Taschenlampe beginnt zu flackern, ich nehme eines der wertvollen Streichhölzer aus der Tasche und entzünde damit eine Kerze, die vor mir auf einem Regal steht. Langsam erhellt sich die Szenerie. Ich befinde mich inmitten des Wohnzimmers samt einem verstaubten Fernsehgerät. Während unser Blick durch das Zimmer streift und die Möbel des riesigen Anwesens mustert, werde ich plötzlich jäh aus meinen Gedanken gerissen. Wie von Geisterhand hat sich der Fernseher zu meiner Linken angeschaltet, obwohl der Strom bereits letzte Nacht ausgefallen ist. Wie kann das sein? Wie verwurzelt starre ich auf eine Frau in einem weißen Kleid, die auf mich zuzukommen scheint. Hecktisch schalte ich das Gerät ab, als ich aus dem Augenwinkel eine weiße Gestalt bemerke…

Endstation Pineview Drive

Es muss ein hübsches und eindrucksvolles Anwesen gewesen sein, dass sich dort am Ende der Pineview Drive an die Küste schmiegt. Heute liegt es verlassen dort. Der Garten wuchert vor sich hin, der große Brunnen vor der Eingangstüre ist einem Biotop gewichen und die Schaukel erinnert nur noch schwach an die damalige Zeit, als Kinderlachen die Luft erfüllte.

Über zwanzig Jahre ist es her, seit der namenlose Protagonist das letzte Mal das Anwesen betreten hat. Damals noch gemeinsam mit seiner Frau Linda, bis diese plötzlich spurlos verschwunden ist. Seitdem hat es keiner länger als 30 Tage in dem Gemäuer ausgehalten. Nun also soll mit der Vergangenheit ein für alle Mal abgeschlossen und das Geheimnis um das mysteriöse Verschwinden der geliebten Frau gelüftet werden.

Also nehmen wir das Unterfangen selbst in die Hand und stehen zu Beginn prompt vor einem verschlossenen Tor. Kennzeichnend für den weiteren Verlauf von Pineview Drive. Noch müssen wir nicht lange überlegen und bekommen den Schlüssel für das Eingangstor quasi auf dem Präsentierteller serviert, anschließend entwickelt sich der Titel von VIS-Games (Feuerwehr 2014: Die Simulation) recht schnell zu einer verdammt anstrengenden Achterbahnfahrt bei finsterster Nacht. Wer über keine drahtseilartigen Nerven verfügt, sollte um Pineview Drive einen riesigen Schritt machen.

Sind wir erst einmal im Anwesen, das von außen noch recht „klein“ anmuten lässt, beginnt der „Spaß“ seinen Lauf zu nehmen und steigert sich von Tag zu Tag. Unser Ziel? Spuren über Lindas Verbleib finden und sich jedes Mal von vorne zu motivieren das alte Anwesen weiter zu erkunden. Dabei läuft Pineview Drive im Grunde immer nach demselben Prinzip ab. Wir suchen nachts nach diversen Schlüsseln, um in zuvor noch verschlossene Bereiche des Gemäuers vorzudringen. Jede Nacht dürfen wir uns neben der Sucherei zudem auf ein bestimmtes Ereignis freuen, um im Spiel weiter zu kommen. So schaltet sich beispielshalber plötzlich einfach der Fernseher im Wohnzimmer wie von Geisterhand ein, obwohl der Strom eigentlich schon vor Stunden ausgefallen ist und wir wortwörtlich im Dunkeln stehen. Nach solch einem „Spooky-Event“ werden wir meist mit einem weiteren Schlüssel belohnt, um weitere verschlossene Türen aufzusperren. Gegen Ende einer Nacht winkt schließlich ein Zettel, der uns mit spärlichen Infos darüber versorgt, was vor 20 Jahren passiert ist. Ist das geschafft, legt sich unsere Spielfigur schlafen. Erst kurz bevor die Sonne untergeht, erwachen wir und stellen uns der nächsten Nacht voller Schrecken.

Wobei sich der Horror zunehmend steigert. Während wir uns die ersten Tage noch über Elektrizität und damit Licht freuen können, drehen uns die Entwickler im weiteren Verlauf schnell den Saft ab. Also müssen wir uns gezwungener Maßen eine Taschenlampe zulegen. Einziges Problem: Die dafür benötigten Batterien müssen erst einmal gefunden werden, besonders lang hält eine einzelne Batterie aber sowieso nicht. Als Alternative zum künstlichen Licht, sammeln wir kostbare Streichhölzer und entzünden damit überall im Haus verteilte Kerzen. Die perfekte Atmosphäre also für ein romantisches Candle-Light Dinner? Eher nicht, die vereinzelten Kerzen sorgen viel mehr für fiese Schattenspiele aus dem Augenwinkel, als für Flugzeuge im Bauch.

Als interessantes Feature, soll das Spiel übrigens erkennen können, wenn der Spieler sich erschreckt oder Angst hat. Als Konsequenz sinkt der Gesundheitsbalken am linken oberen Bildschirmrand bis wir selber als Geist durch das Anwesen schweben. Tatsächlich haben wir während unseres Tests davon nicht besonders viel mitbekommen. Nur einmal lagen wir plötzlich tot auf dem Boden und mussten die Nacht neu beginnen. Laut Entwickler registriert der Titel Tastenanschläge sowie Mausbewegungen des Spielers und vergleicht diese mit denen zu einem späteren Zeitpunkt. Werden hohe Ausschläge gemessen, reagiert das Spiel entsprechend. Eine für sich super Idee, die aber nicht immer ohne Probleme funktioniert.

Deutlich besser sind da die kleinen Erschrecker (samt erstklassiger Soundkulisse), die regelmäßig dafür sorgen, dass sich uns unweigerlich die Nackenhaare aufstellen. Mal bewegt sich hier ein Gemälde, ein anderes Mal fühlen wir uns plötzlich durch eine neben uns stehende Statue geradezu angestarrt und kurze Zeit später hätten wir schwören können, dass dort drüben auf dem Stuhl zuvor noch ein frech ausschauender Clown gesessen hat. War das gerade ein Lachen aus dem Nebenraum?

Patrik Hasberg

Schreiberling, Spieleentdecker, praktizierender Perfektionist und Mann fürs Grobe. Außerdem laufender Freizeit-Hobbit, der Katzen liebt. – Hunde gehen auch. „Auch sonst eigentlich ganz ok“.
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