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Reportage: Glasfaser-Wüste Deutschland: So bremst lahmes Internet die Games-Branche aus (Teil 2)

Deutschland ist meilenweit von einer flächendeckenden Versorgung mit schnellem Internet entfernt. Das betrifft Hobby-Spieler, Esportler und Spielestudios gleichermaßen. Wir gehen dem Schmalband-Übel auf den Grund und lassen die Betroffenen zu Wort kommen. Im zweiten Teil sprechen wir mit Esport-Organisatoren und Gamer.

Beim deutschen Breitband-Ausbau liegt einiges im Argen. Das ist das Ergebnis von Teil 1 unseres Breitband-Reports. Als Hauptproblem haben wir die verfehlte Infrastrukturpolitik der letzen Bundesregierungen ausgemacht: Sie übten zu wenig Druck auf die Telekom aus – und der staatsnahe Konzern setzte auf Techniken wie Super-Vectoring, anstatt das Glasfasernetz konsequent auszubauen. Das hat Konsequenzen für Spielefirmen, die auf eine schnelle Internetverbindung angewiesen sind, aber auch für Esportler und Freizeitspieler. Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen – die Meinungen der Betroffenen findet ihr hier.

Störfeuer für Esport

Niklas Timmermann gehört zu den absoluten Kennern der deutschen Esport-Szene. Früher war er selbst aktiv, heute ist er 1. Vizepräsident im eSport-Bund Deutschland e.V. (ESBD). Warum schnelles Internet für Esportler so wichtig ist? Darauf hat Timmermann eine klare Antwort: „Bei langsamem Internet haben wir eine höhere Latenz zwischen der Aktion des Spielers und dem, was auf dem Spiel-Server ankommt. Da Esport-Wettkämpfe sehr online-lastig sind, ist es für die teilnehmenden Athleten natürlich super wichtig, dass sie einen niedrigen Ping haben.“ Anderenfalls drohe den Athleten ein herber Wettbewerbsnachteil. „Das ist, als würde man einem Fußballspieler zusätzliches Gewicht in die Schuhe legen“, sagt Timmermann.

Der Vergleich passt. Denn viele Esport-Wettbewerbe finden nicht an EINEM Ort statt, an dem für alle Teilnehmer die gleichen Bedingungen herrschen. Über 90 Prozent der Events – besonders natürlich die Qualifikationen – finden vorab online statt.

„Das führt natürlich dazu, dass sich nicht das potenziell beste Team qualifiziert, sondern das Team mit der besten Internetleitung – wenn wir davon ausgehen, dass die Spieler ungefähr ähnlich stark sind“, sagt Timmermann.

Eine schlechte Internetverbindung ist also ein künstlicher Flaschenhals, der den Wettbewerb schon sehr früh verzerrt. Aber auch die Finals können durch unzuverlässige Netze sabotiert werden. „Vor kurzem gab es auf dem Fifa eWorld Cup einen Disconnect, wobei nicht ganz geklärt ist, ob das am Spiel oder an der Leitung lag“, berichtet Timmermann. Generell gibt es immer wieder Turniere, bei denen Spieler durch Disconnects ausscheiden – in diesem Fall müssen dann Ersatzspieler eingewechselt werden. „Einer meiner Spieler hatte bei Counter-Strike genau dieses Problem“, berichtet Timmermann. „Im Video-Mitschnitt sieht man, wie er in einen richtig harten Lag reinläuft.“

Influencer brauchen Breitband

Schmalband-Internet schadet aber nicht nur Esportlern. Auch Influencer werden dadurch in ihrer Arbeit eingeschränkt. „Gerade beim Streaming ist es ja sehr wichtig, dass ich einen hohen Upload habe“, sagt Niklas Timmermann.

„Wenn ich den nicht habe, kann ich nur in sehr geringer Qualität streamen. Was dann wiederum dazu führt, dass ich für die Zuschauer nicht so interessant bin, weil meine Stream-Qualität nicht das widerspiegelt, was ich haben möchte.“ Esportler streamen vor allem live, um die Community abzuholen. Sie sind auf die Fanbase angewiesen, weil sie damit einen Teil ihres Einkommens erzielen. „Auf professioneller Ebene werden Verträge gemacht, in denen steht, dass die Spieler streamen müssen“, berichtet der ESBD-Vize.

„Wer mit E-Sportlern spricht, hört aber von jedem zweiten, dass es an seinem Wohnort nur eine 6000er-Leitung gibt und dass er deshalb nicht streamen kann. Aus Sicht der Profi-Szene sind wir da im Hintertreffen.“

Besonders im ländlichen Raum sei das Internet oft einfach zu langsam – ob nun im Fest- oder im Mobilnetz. „Beim 4G-Ausbau liegt Deutschland hinter Albanien“, stellt Timmermann fest. Ob das geplante 5G-Netz da in absehbarer Zeit Abhilfe schafft, bleibt abzuwarten. Der ESBD jedenfalls wird sich in Zukunft stärker für den Breitband-Ausbau in Deutschland einsetzen. Momentan stehen für den Verband allerdings noch andere Themen im Vordergrund, sagt Timmermann. „Insbesondere die Frage, wie man den Esport in die Gesellschaft tragen und dort ausbauen kann.“

Abgehängt in Brandenburg

An anderer Stelle ist Richard Berg unzufrieden. „Es kommen höchstens 5 Mbit an. Eigentlich sind es eher zwei bis drei“, sagt der 19-Jährige, der in einem Drei-Personen-Haushalt mit zwei weiteren Internetnutzern lebt. Berg wohnt in Leegebruch, einem kleinen Ort in Brandenburg. Er spielt gerne MOBA, Shooter und MMORPGs. „Aber kein Fortnite, eher Counter-Strike und Call of Duty.“ Probleme mit dem Lag hat Berg nur in ganz seltenen Fällen – nämlich dann, wenn mehrere Personen das WLAN stark auslasten. Umso mehr Probleme hat er mit dem Herunterladen von Spielen:

„Ein Download kann locker fünf bis acht Stunden dauern. Streaming-Dienste kann man in dieser Zeit nicht nutzen. Man muss teilweise sogar Handys aus dem WLAN nehmen, damit es aus dem Knick kommt.“

Aus der Not heraus hat Berg bestimmte Strategien entwickelt. Umfangreiche Games lädt der Brandenburger über Nacht. Tagsüber würde das keinen Sinn machen, sagt er: „Man kann das Internet in der Zeit ja auch nicht gebrauchen. Durch den Download wird es auf unter 1 Mbit gedrosselt.“ Wenn einer der WG-Bewohner einen Download startet, merken das die anderen sofort. „Man fragt die anderen dann schon mal, ob sie das auf später verschieben können“, sagt Berg.

Initiativen: Fehlanzeige

Auf die Dauer ist dieses ständige Ausbalancieren der Download-Zeiten natürlich keine Lösung. Deshalb hat Berg auch nach anderen Möglichkeiten gesucht, die Schmalband-Misere zu beseitigen. „Ich bin sämtliche Anbieter durchgegangen, aber keiner konnte mehr bieten als die Telekom“, sagt er. „Viele Freunde, die aus Brandenburg kommen, haben die gleichen Probleme.“ In Leegebruch sei das Internet im gesamten Ort sehr langsam, Vernetzungsinitiatven sind Berg nicht bekannt:

„Wenn ich mehr wollte, müsste ich mir Glasfaser auf eigene Kosten verlegen lassen.“

Berg versteht nicht, warum Politik und Wirtschaft beim Breitband-Ausbau so sehr zögern: „Deutschland ist in vielen Punkten sehr gut ausgestattet ist. Ich finde es schade, dass wir beim Thema Internet und Daten so zurückliegen.“ Hätte Berg schnelleres Internet, würde das sein Gaming-Verhalten stark beeinflussen. „Ich denke, ich würde tatsächlich mehr Spiele ausprobieren, die ich normalerweise nicht spiele, weil ich keine Lust auf stundenlange Downloads habe“, sagt er. Man kann nur spekulieren, wie viel Geld der Games-Industrie durch die Lappen geht, weil Spieler wie Berg auf umfangreiche Games verzichten. Damit schadet das lahme Internet letztlich auch der Wirtschaft.

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