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Reportage: Glasfaser-Wüste Deutschland: So bremst lahmes Internet die Games-Branche aus (Teil 2)

Selbsthilfe in Schleswig-Holstein

Sind Gamer also machtlos, wenn Provider an ihrem Heimatort nur Schmalband anbieten? Keineswegs, wie ein Beispiel aus Schleswig-Holstein zeigt. Bei unseren Recherechen stießen wir auf Bulkov, der seinen Klarnamen nicht online lesen möchte. Der 30-Jährige wohnt in Haselund, einer Ortschaft zwischen Flensburg und Husum; er arbeitet als Elektroniker für Geräte und Systeme bei einer Firma, die Lichtsteuerungstechnik verkauft. Bulkov spielt gerne Strategietitel wie World of Tanks und Company of Heroes 2, aber auch Shooter wie Warframe. Er ist nicht der einzige Computerspielfan in dem Fünf-Personen-Haushalt: Seine Frau und sein Bruder sind ebenfalls passionierte Gamer.

Die Freude am Internet war viele Jahre lang getrübt: Bis zum Sommer 2017 musste sich der Haushalt eine 2-Mbit-Leitung teilen. „Das war mitunter schwierig – da konnte gerade mal ein Rechner YouTube in schlechter Qualität abspielen“, so Bulkov.

„Live-Streaming war schon gar nicht möglich, das gab die Leitung nicht her. Die ging über Land, hing im Wind und war dementsprechend wetteranfällig. Bei Regen ging die Leistung noch weiter herunter.“

Nachteile in World of Tanks

Der Ping der Überlandleitung lag zwischen 50 und 70, erzählt Bulkov. „Der war so weit in Ordnung, mit allem unter 80 kann man arbeiten. Aber das war eben wetterabhängig. Außerdem konnten wir am Ping schon ein Telefonat merken.“ In Games machte sich die Wackel-Leitung negativ bemerkbar. „Die Datenverbindung riss zeitweise ab, es gab kleine Unterbrechungen. Man hat zum Beispiel eine Sekunde lang Steuerbefehle gegeben, die dann aber nirgendwo ankamen. Und andere Informationen hat man selbst erst später bekommen.“ Bulkov ärgerte sich oft über die Nachteile, die ihm daraus entstanden:

„Wenn man zum Beispiel bei World of Tanks vorsichtig um eine Hausecke lugte und es dann eine Unterbrechung gab, fuhr man eine Sekunde lang weiter Rückwärts – direkt dem Gegner in den Schuss.“

Die Situation änderte sich erst im August 2017. Damals begann die BürgerBreitbandNetz Gesellschaft (BBNG) im gesamten Ort Glasfaser zu verlegen. Zum Hintergrund: Die BBNG wurde 2012 mit dem Ziel gegründet, ein leistungsstarkes und zukunftsfähiges Breitbandnetz für das südliche Nordfriesland zu bauen. Die passenden Tarife für den Glasfaserausbau bietet ihr Partner, die TNG Stadtnetz GmbH aus Kiel. Das Vorgehen ist folgendermaßen: Die BBNG fragt in bestimmten Orten an, ob Bedarf an Glasfaser besteht. Wenn 68 Prozent der Einwohner mitmachen, werden die Leitungen verlegt. Alle, die mitmachen, werden angeschlossen – egal, ob sie im Ortskern oder außerhalb wohnen. „Die BBNG hatte das hier in der Gegend vorher schon bei verschiedenen Orten gemacht“, erzählt Bulkov. „Wir kamen dann auch dran und erreichten den nötigen Prozentsatz.“

Investition in die Zukunft

Bulkov wurde Gesellschafter der BBNG: Er zahlte 199 Euro, zuzüglich einem Gesellschafteranteil je Tiefbaustrecke von 1.000 Euro; Nichtgesellschafter zahlten 1.399 Euro. Das ist eine Menge Holz, würde man meinen – doch für Technik- und Internet-Fan Bulkov war eine Teilnahme selbstverständlich. Ihm war von vorneherein klar, „dass sich die Anteile wahrscheinlich in 20 oder 30 Jahren rechnen – dass das also keine Geldanlage im eigentlichen Sinne ist, sondern eine Investition in die Infrastruktur.“

Die Verbesserung ist deutlich spürbar, findet Bulkov. „Wir können bis 1000 Mbit bekommen, haben jetzt aber nur die 50 genommen, also quasi das Basisprogramm, weil das bei Downloads nur ein paar Minuten länger dauert. Wir hatten vorher 2 Mbit, das hier ist jetzt schon 25 Mal schneller – und das reicht uns erstmal.“ Seit in Haselund Glasfaser liegt, hat Bulkov einen Ping zwischen 10 und 30. Und muss keine Nachteile in World of Tanks mehr fürchten. „Ich bin jetzt tatsächlich in der Lage, online kompetitiv mitzuspielen“, sagt er zufrieden. „Ich bin nicht mehr völlig abhängig davon, ob das Wetter gut oder die Leistung verfügbar ist.“

Fazit

Die Beispiele zeigen: Ob Gamer an ihrem Heimatort schnelles Internet haben, ist manchmal Glückssache – hängt teilweise aber auch von der Bereitschaft ab, selbst tiefer in die Tasche zu greifen. Dass dieses Ungleichgewicht auf Dauer keinen Sinn macht, ist klar. Deshalb schließen wir uns an dieser Stelle den Forderungen des Branchenverbandes game an. Der schreibt:

„Wir brauchen dringend eine flächendeckende Versorgung mit schnellen und latenzarmen Breitbandverbindungen. Ohne diese Kern-Infrastruktur der digitalen Wirtschaft werden wir nicht nur große Probleme haben, Games in Deutschland zu entwickeln. Auch als Absatzmarkt – bisher gehören wir hier weltweit zur Spitzengruppe – werden wir mit Blick auf Abonnement-Modelle und Cloud-Gaming nur noch in der zweiten Liga spielen können.“

Wer möchte das schon? Niemand! Deshalb sind Politik und Wirtschaft gefragt, aus Schmalband-Deutschland schnell ein Glasfaser-Land zu machen.

Falls ihr den ersten Teil verpasst habt, dann könnt ihr hier Teil 1 unserer Reportage nachlesen, wie lahmes Internet die Games-Branche ausbremst:

ReportageReportage: Glasfaser-Wüste Deutschland: Wie lahmes Internet die Games-Branche bremst (Teil 1)
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