Authentische Feindbilder
Dank völlig neuer Denkansätze bekommen wir mehr Horroreinlagen geboten. Die Feindbegegnungen sorgen jetzt nicht mehr nur für brenzlige Gefechte, in denen euch ein ums andere Mal die Munition oder das Heilkraut ausgeht. Das alleinige Schlürfen und Umherwandeln der erwachsen gewordenen Zombies ist gleichermaßen faszinierend und erschreckend.
So „realistische“ Zombies gab es bisher noch nie in einem Survival-Horror-Spiel. Da fühlt sich der Kampf mit einem Zombie auch an wie ein Kampf mit einem Zombie – oder zumindest so, wie wir es uns in unseren Alpträumen vorstellen würden. Hier spielt die Physik der Charaktermodelle eine große Rolle. Der Fokus auf authentische Untote scheint beispielsweise durch organische Bewegungen gegeben, die liebevoll animiert wurden.
Aber auch sonst hat das Entwicklerteam bei den Monstrositäten ganze Arbeit geleistet. Da wäre beispielsweise der Tyrant-00 oder auch Mr. X, wie wir ihn noch aus Resident Evil 2 kennen. Dieser verfolgt euch durch sämtliche Gänge des Polizeipräsidiums und macht keineswegs vor Türen halt. Die Angst, ständig entkommen zu müssen und einen Verfolger im Nacken zu haben, erschwert nicht nur das eine oder andere Rätsel.
Ähnlich wie der Nemesis aus Resident Evil 3 fungiert der T-00 hier als unnachgiebiger Schrecken. Zudem begegnet er uns in einem Kampf, der ganz klar an Resident Evil (1) angelehnt ist. Insgesamt also ein wichtiger Teil des ganzen Horrors und nur ein zusätzliches Element von vielen.
Selbstverständlich gibt es auch andere Bösewichte wie den verrückten Professor William Birkin in seiner verwandelten G-Virus-Form zu sehen oder gar den Licker mit der gefürchteten Eingangsszene aus dem Original, ganz getreu der Vorlage. Und auch wenn alle Feinde unterschiedliche Ansätze verfolgen, so haben sie doch alle gleichermaßen die Kraft, euch mit einem Jump-Scare zu überraschen – durchaus gekonnt, Capcom!
Alte Figuren, neu erzählt
Doch alles steht und fällt mit den Figuren. In Resident Evil 2 bekommen wir es mit Leon S. Kennedy, einem noch recht jungen Polizisten, der gerade erst nach Raccoon City versetzt wurde, und Claire Redfield zu tun. Letztere ist auf der Suche nach ihrem Bruder, der ebenfalls als Polizist in Raccoon City Arbeit und dem bekannten S.T.A.R.S.-Team aus der Spielereihe angehört. Leon und Claire treffen noch vor Raccoon City aufeinander und alles nimmt seinen Lauf.
Allem voran fällt auf, dass das Aussehen der beiden Charaktere generalüberholt wurde, doch sie bleiben ihrer Grundlage im Detail recht treu.
Da es sich hierbei um ein Remake handelt, wird jedoch sehr schnell deutlich, dass dies auch entsprechenden Raum für Neuinterpretation liefert. So gibt Capcom bereits in der Exposition den Takt an und lässt den Spieler beispielsweise die Tankstelle erkunden, an der Leon und Claire haltmachen und erstmals aufeinandertreffen.
Macht euch also gefasst, neben bekannten Ortschaften ebenso neue Teile von Raccoon City zu erkunden, was dem Ganzen wiederum ein wenig mehr Spannung verleiht. Es handelt sich hierbei also nicht bloß um einen alten Schinken in schicker HD-Grafik, wie es bei vielen HD-Remastered-Editions der Fall ist.
Neben Leon und Claire sind da wie im Original noch Ada Wong und Shelly Birkin, in dessen Haut ihr ebenfalls temporär schlüpfen dürft. Doch auch hier wird klar, dass in den einzelnen Charakteren mehr steckt, als wir es zum Beispiel aus dem Original gewohnt sind. Sogar spielerisch gibt es hier und da ein paar besondere Elemente wie den EMF-Visualiser von Ada, mit dessen Hilfe ihr elektronische Geräte in der Nähe beeinflussen könnt.
Annette Birkin, die Frau von William Birkin, wurde inhaltlich ebenfalls verbaut, die wir erstmals in Resident Evil: The Darkside Chronicles gesehen haben, aber im Original nicht vorkam.
In Resident Evil 2 steckt eben mehr. Kenner dürfen sich erstmals in neuartiger Form in und um Raccoon City umsehen und Neueinsteiger werden eine virenverseuchte Stadt kennenlernen, die ihnen noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
Dabei holt der Titel scheinbar alles aus der aktuellen Konsolengeneration heraus, wie nicht nur die lebendige Stadt mit vielen grafischen Details demonstriert. Auch die Modelle der Charaktere und der Monster sind das Beste, was die RE Engine bis dato zu bieten hat. Einzig und allein der Lüfter der PlayStation 4 schmälert das Erlebnis auf dieser Plattform ein wenig, was mittlerweile ein bekanntes Problem neuer Titel auf der Konsole ist.
Action und Horror, ein schmaler Grat
Der Teufel steckt jedoch bekanntlich im Detail und so erleben wir es auch in Resident Evil 2. Die nötige Mitte zwischen Action und Horror zu bieten, schien lange Zeit eher schlecht als recht gelungen. Immerhin beißt sich das eine mit dem anderen oftmals. Wo wir also in Resident Evil 6, selbst in der eher ruhigeren Kampagne mit Leon, vergebens nach Schreckmomenten suchen und diese wohl an einer Hand abzählen können, schlägt das Remake einen viel intensiveren Weg ein.
Schon von der ersten Minute an in der Tankstelle wird klar, welchen Weg wir hier gehen werden und dieser treibt selbst eingefleischten Horrorveteranen den Angstschweiß auf die Stirn.
Handwerklich versiert zeigen die Entwickler von Capcom, wie man es richtig macht. Dazu zählen allem voran das seichte, musikalische Horrorambiente und die schreckliche Geräuschkulisse, die den Grundton angeben. Dazu kommen schaurig schöne Kulissen, die allesamt durchdacht und einzigartig ausgearbeitet erscheinen, während sie sich großteils an Originalschauplätzen orientieren. Abgerundet wird das Ganze durch die oben erwähnten Feindbegegnungen, die jedoch nicht oft zum Davonrennen einladen, als sich hier in einem hitzigen Gefecht zu stellen.
Sollte es dann doch einmal zum Kampf kommen, seid ihr mit den wichtigsten Waffen wie einer Handfeuerpistole oder einer Schrotflinte ausgerüstet. Tatsächlich gibt es hier nicht allzu viele Waffen, was der einzelnen Ausrüstung jedoch mehr Gewichtung verleiht. Der Spieler ist über jede Kleinigkeit dankbar, da wirklich schlagkräftige Items eher selten aufzufinden sind. Ein paar Neuerungen wie das Elektrogewehr gibt es obendrauf und nehmen wir dankend an, womit Claire den Feinden ordentlich Volt durch die toten Gliedmaßen zimmert.
Das Crafting-System, das im Grunde schon seit dem ersten Ableger aus dem Jahre 1996 besteht, ist auch hier wieder implementiert und es gibt ein paar Upgrades wie das Mixen von Schießpulver, wodurch wir neue Kugeln fürs Magazin gewinnen. Eine kleine und spielerisch annehmbare Ergänzung.
Doch insgesamt müsst ihr sowieso bei jeder Begegnung entscheiden, ob sich der Kampf und eure Kugeln überhaupt lohnen. Falls der Kampf ausbricht, gibt es selbst bei Bossgegnern einige Momente, wo ihr die Munition lieber aufsparen solltet. Das Schießen als solches ist so rudimentär, wie es nur sein kann, was wiederum gut ins Geschehen passt. Es ist eben kein Third-Person-Shooter, sondern ein klassischer Survival-Horror-Titel und deshalb fühlt sich jede Kugel wertvoll an. Ihr nehmt euch dadurch automatisch mehr Zeit beim Schießen – und immer schön auf den Kopf!
Selbstredend gibt es andererseits auch die Konfrontationen, die euch spielerisch einiges abverlangen werden, insbesondere auf einem höheren Schwierigkeitsgrad. Der Charakter nimmt eure Befehle jedoch wundervoll entgegen und auch sonst ist die Steuerung absolut stimmig. Schon nach kurzer Zeit werdet ihr eins mit dem Charakter – und so sollte das Spielgefühl sein.
Klassische Spielelemente
Ein klassisches Element in Resident Evil ist die duale Figurenkonstellation wie Chris Redfield und Jill Valentine (Resident Evil) oder Leon S. Kennedy und Claire Redfield in Resident Evil 2. Ihr entscheidet vorerst, welchen Charakter ihr durchs Geschehen lenken möchtet und seht alles aus seiner oder ihrer Perspektive. Doch es steckt mehr dahinter, als es den Anschein macht.
So werden nicht alle Aspekte des Spiels in einem Durchlauf (mit einer Figur) verraten. Um das Spiel vollständig erkunden zu können und alle Einzelteile kennenzulernen, müsst ihr in jedem Fall ein „2. Mal“ durchlaufen. Die Entwickler lassen sogar einen ganzen Plot außen vor, der erst beim zweiten Run auserzählt wird. Kluge Köpfchen bei Capcom, denn nach dem Abschluss mit Claire oder Leon werdet ihr euch unweigerlich gezwungen fühlen, das Spiel noch einmal mit der anderen Seite durchzuspielen. Das war im Original schon so und hier ist das Gefühl sogar noch ein wenig stärker. Beim zweiten Run hatten wir jedenfalls nicht weniger Spaß, der Wiederspielwert ist demnach gegeben.
Außerdem könnt ihr witzigerweise an den klassischen Schreibmaschinen aus dem Original euren Spielstand speichern und das Spiel zählt ebenfalls mit, wie häufig ihr abgespeichert habt. Dabei ist es auf dem assistierten und regulären Spielmodus jedoch recht witzlos, da es zusätzlich automatisches Speichern gibt und keine Farbbänder aufgefunden werden müssen, um die Schreibmaschine in Gang zu setzen. So richtig klassisch wird es erst auf dem Hardcore-Modus, wo ihr sogar Farbbänder suchen müsst. Hier gibt es parallel dazu kein automatisches Speichern, was den Modus zu einer echten Qual machen kann. Wenn ihr die Herausforderung sucht, seid ihr hier jedoch gut aufgehoben.
Davon ab sind die Klassiker „The 4th Survivor“ und der notorische Tofu-Modus ebenfalls wieder mit von der Partie. Hier könnt ihr euch den Zombiehorden entgegen stellen und müsst aus der Stadt entkommen. Neben Leon und Claire hat es der Umbrella-Kämpfer Hank also ebenfalls geschafft am Leben zu bleiben, weshalb ihr ihm jetzt aus dem Schlamassel helfen müsst.
Nach dem „2. Mal“ ist also keineswegs Schluss. Die Runden mit Hank haben es aber wirklich in sich und können einen an den Rand der Verzweiflung bringen!