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Resident Evil: Operation Raccoon City: Horror-Trip nach Raccoon City im Test

Schon seit Resident Evil 4 spaltet die stärkere Ausrichtung der Marke in Richtung Action die Fangemeinde. Die einen begrüßen den Wechsel, die anderen wollen ihr klassisches Resi mit viel Grusel und wenig Munition zurückhaben. Der im Oktober erscheinende sechste Teil soll wieder vermehrt auf Survival Horror setzen, dafür steht in dem von den S.O.C.O.M.-Machern bei Slant Six Games in Kanada entwickelten Operation Raccoon City die Action klar im Vordergrund. Ob der Taktik-Shooter dazu taugt, die Wartezeit auf Resident Evil 6 zu überbrücken? Um es kurz zu machen: Nein.

Meine Squadmates, die Zombies und Ich

Die Story spielt in etwa zum selben Zeitpunkt wie der indizierte zweite Teil und Resident Evil 3, ihr erlebt also quasi den Raccoon City-Vorfall von Anfang bis Ende mit. In der ersten Mission sollt ihr mit einem vierköpfigen Umbrella-Einsatzteam namens Wolfpack den G-Virus aus dem Labor von William Birkin entwenden, ab hier gehen die Dinge den Bach runter und der T-Virus bricht in Raccoon City aus. Da man nur eins und eins zusammenzählen muss, um herauszufinden, wer dafür verantwortlich ist, geht dem Pharmakonzern mächtig die Düse. Beweismaterialien wollen ausgelöscht werden und Kronzeugen müssen ins Gras beißen, damit der Name von Umbrella wieder reingewaschen werden kann. Die Einheit besteht immer aus vier Charakteren, die restlichen drei Umbrella-Söldner werden entweder von menschlichen Mitspielern oder der KI übernommen. Zur Auswahl stehen sechs Personen, die natürlich unterschiedlichen Charakterklassen angehören und individuelle Spezialfähigkeiten mit sich bringen. Recon-Experte Vector wurde von HUNK ausgebildet und kann kurzzeitig unsichtbar werden, Bertha ist eine aus Deutschland stammende Feldärztin und Beltway ist der Mann fürs Grobe. Besonders cool ist Four Eyes' Spezialfähigkeit B.O.W.s kurzzeitig unter ihre Kontrolle zu bringen. Das klappt sowohl mit normalen Zombies als auch mit einem T-103. Insgesamt bleiben die Jungs und Mädels aber eher eindimensional, Charakterentwicklung in der Story gibt es keine und bis auf ein paar Zeilen Lebenslauf bei der Auswahl bleiben die Protagonisten vollkommen profillos. Wen ihr nehmt, bleibt Geschmackssache, da es bis auf die Spezialfähigkeiten nur dezente Unterschiede bei Ausstattung und Fertigkeiten gibt.

Die einzelnen Missionen laufen prinzipiell nach dem Schema ab, nach welchem ihr die geradlinig aufgebauten Umgebungen nach den auf der Minikarte markierten Zielpunkten abgrast. Hier und da wird dann per Aktionsbutton eine kontextsensitive Aktion ausgeführt, z.B. hackt ihr euch in ein Terminal oder vernichtet wichtige Dokumente, im Grunde lauft ihr immer von A nach B. Auf dem Weg dorthin stehen die infizierten Bewohner Raccoons im Weg und Truppen der US-Regierung zwischen euch und der Erfüllung eurer Mission. Trachten euch zunächst noch die normalen T-Virus-Zombies nach dem Leben, müsst ihr euch später euren Weg durch Hunter, Licker und Tyrants bahnen. Jeder Charakter kann ein Gewehr und eine Handfeuerwaffe mit sich führen, vor Beginn der Mission dürft ihr noch entscheiden mit welcher Bewaffnung und welcher Spezialfähigkeit ihr an den Start gehen wollt. Im laufenden Spiel sammelt ihr Munition, Granaten, Erste-Hilfe-Sprays und Antiviren ein, mit denen sich die Verwandlung in einen Zombie verhindern lässt. Sollte es doch so weit kommen, übernimmt die KI und ihr geht auf eure Teamkameraden los, selbst zu spielen ist in diesem Zustand leider nicht drin. Die Gegner bestechen in erster Linie durch ihre Überzahl, Infizierte greifen immer im blind losstürmenden Schwarm an. Wenn sie nicht gerade an euch vorbeilaufen, denn besonders die Crimson Heads laufen sehr gerne planlos durch die Gegend. Teamplay eurerseits wird nicht verlangt, Partner-Aktionen wie in Resident Evil 5 gibt es keine.

Wenn ich ein Zombie wär…

Die größten Gameplay-Probleme bereitet das Schießen, was im Falle eines Taktik-Shooters mehr als nur ein bisschen misslich ist. Sofern ihr nicht drei Meter vom Gegner entfernt steht, trifft nur gefühlt jede fünfte Kugel. Feuergefechte mit den SpecOps der Regierung auf mittlerer Distanz stellen eure Geduld auf eine harte Probe, da ihr die Gegner partout nicht trefft, noch nicht einmal mit dem Laserpointer einer Pistole. Erschwert wird die Angelegenheit dadurch, dass es beim Schießen keinerlei Feedback gibt und selbst nicht infizierte Feinde magazineweise Kugeln vertragen. Die taktische Komponente der Waffenauswahl entfällt damit komplett, weil ihr mit einem Sturmgewehr im Endeffekt immer am besten beraten seid. Gleichzeitig laufen und schießen zu können sollte in einem Resident Evil einen unglaublichen Vorteil darstellen, aber da eure Schüsse dadurch noch unpräziser werden, gewöhnt ihr euch von selbst an, weiterhin im Stehen zu feuern. Wichtig ist es im Kugelhagel in Deckung zu gehen. Dummerweise erfolgt das nicht per Knopfdruck, sondern automatisch sobald ihr euch an ein geeignetes Objekt oder eine Wand schmiegt. Dass das eine schlechte Entscheidung des Entwicklers ist, merkt ihr dann, wenn eure Spielfigur ums Verrecken nicht in Deckung geht, obwohl ihr den Analog-Stick durchdrückt. Nicht selten brockt euch diese Design-Macke einen Bildschirm-Tod ein, Frust ist vorprogrammiert.

Neben Waffengewalt könnt ihr euch auch mit Nahkampfangriffen zur Wehr setzen. Ihr stochert dann mit dem Messer in der Gegend herum und trefft nur selten das angepeilte Ziel. Wirklich notwendig sind diese Manöver nicht, da ihr Munition schon fast hinterher geworfen bekommt und nie mit leerem Magazin dasteht. Im Einzelspieler-Modus sind eure KI-Kollegen keine große Hilfe, da sie sich intellektuell auf etwa dem selben Niveau wie die Pappnasen von "Party, Bruder!" befinden. Eure Squadmates vergessen regelmäßig in Deckung zu gehen, blockieren eure Laufwege und bleiben gerne bis zu ihrem Ableben in lodernden Flammen stehen, Befehle zu geben ist nicht möglich. Zwar könnt ihr die Gefährten unbegrenzt oft wiederbeleben, wegen der überladenen Steuerung passiert es jedoch zu oft, dass ihr unbeabsichtigt eine Waffe vom Boden aufhebt, anstatt gefallene Mitstreiter zu reanimieren. Das Spiel ist ausgesprochen pingelig, was die korrekte Position für die beiden genannten Aktionen betrifft. Man hätte das Problem ganz einfach dadurch lösen können, dass man die beiden Aktionen unterschiedlichen Buttons zugeteilt hätte. Achtet als Einzelspieler darauf Bertha als KI-Partner ins Team zu nehmen, da sie euch in Ernstfällen die Gesundheit auffüllt. Es ist schon irgendwo beschämend, wenn sich selbst die künstliche Intelligenz von Sheva Alomar aus Resident Evil 5 verglichen mit der von Resident Evil: Operation Raccoon City auf einmal wie die beste Partner-KI aller Zeiten anfühlt. Geht die Kampagne also lieber zu viert im Koop an, das Solovergnügen erliegt schnell dem tödlichen Virus.

Home sweet home?

Auf eurem Weg durch Raccoon City besucht ihr viele Schauplätze, die ihr bereits aus früheren Titeln der Serie kennt. Birkins Versuchslabor samt Schmelzofen, das R.P.D. und den Glockenturm in HD zu bewundern ist schon verlockend, die Handlung an sich ist aber eher unspektakulär und dürftig mit Cutscenes zusammengehalten. Die interessantesten Parts sind die Momente, in denen sich Operation Raccoon City mit früheren Teilen überschneidet. Beispielsweise müsst ihr Nemesis einen neuen Parasiten einpflanzen, bevor er Jagd auf die überlebenden S.T.A.R.S.-Mitglieder macht. Die Story lässt sich am ehesten als "Was wäre wenn…"-Szenario beschreiben, da ihr im Finale des Spinoffs die Gelegenheit habt, die gesamte Geschichte der Serie umzuschreiben. Sackt ihr fleißig Datenträger ein, könnt ihr diese über Laptops an das Umbrella-Hauptquartier schicken und werdet mit Bonus-XP und freischaltbaren Artworks belohnt. Die Erfahrungspunkte lassen sich in neue Waffen und Upgrades für die Spezialfähigkeiten investieren, das soll euch dazu motivieren die nur sechs Stunden umfassende Kampagne wiederholt durchzuspielen. Serien-Kenner freuen sich über die kleinen Anspielungen auf die Resident Evil-Reihe. Grüne Kräuter füllen die Gesundheit auf, auf den Linienbusse seht ihr Werbeplakate für Robert Kendos' Waffenladen und im Glockenturm spielt das Klavier wie von Geisterhand die Mondscheinsonate. Weniger erfreulich sind die zahlreichen Bugs, die in dieser Anzahl in der Verkaufsversion nicht enthalten sein dürften. Zwar hat in unseren Testläufen keiner der Bugs ein erneutes Laden des Spielstandes notwendig gemacht, dennoch ist es nervtötend, wenn Charaktere im Boden verschwinden oder ihr durch die Deckung heraus von Nahkampfangriffen verletzt werdet.

Der Koop für bis zu vier Spieler ist, ebenso wie sämtliche Versus-Modi, nur online verfügbar. Ohne Internetverbindung geht nichts, Splitscreen oder System Link sucht ihr vergeblich. Neben den üblichen Deathmatches und King of the Hill gibt es auch eine CTF-Variante und einen Modus, in dem ihr Charaktere wie Leon S. Kennedy, Jill Valentine oder Ada Wong spielen könnt. Auf den Servern dominiert der als DLC erhältliche Granatwerfer, zudem lassen die Serverkapazitäten zu wünschen übrig. Wenn der Multiplayer schon ausschließlich online funktioniert, dann sollte er auch einigermaßen stabil laufen. Als zweite Partei im Multiplayer dient die US-Militäreinheit Echo Six, die auch eine eigene Kampagne besitzt, welche jedoch nur als kostenpflichtiger DLC erhältlich ist. Resident Evil ist seit jeher für freischaltbare Bonusinhalte bekannt, hier wird man jedoch zur Kasse gebeten. Für mehrmalige Durchgänge fehlt also die Motivation und der Multiplayer hätte der Fairness halber dringend ein Rebalancing nötig. Oftmals werdet ihr von größeren Gegnern wie den Huntern zu Boden geschleudert und beim Aufstehen sofort auf ein Neues getroffen, bis ihr keine Lebensenergie mehr besitzt. Solche Frustmomente gibt es am laufenden Band, vor allem in Bosskämpfen. Frustresistenz macht sich bezahlt. Resident Evil: Operation ist komplett lokalisiert, auf der Disc gibt es deutsche Texte und deutsche Sprachausgabe. Leider musste man das Spiel für den deutschen Markt kürzen, Dekoleichen wurden entfernt, Blutmengen reduziert und sämtliche Splattereffekte zugunsten einer USK-18-Freigabe aufgegeben.

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