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Red Dead Redemption 2 im Test: Outlaws bis zum Ende!

Spiele von Rockstar Games stehen für Qualität. Doch mit Red Dead Redemption 2 haben sich die Entwickler wieder einmal selbst übertroffen. Der Western-Titel wird den enormen Erwartungen nicht nur gerecht, sondern übertrifft sie mit Leichtigkeit, wie unser Test beweist.

Vor nunmehr acht Jahren erschien mit dem ersten Red Dead Redemption ein beeindruckendes Western-Spiel, welches die Gameslandschaft nachhaltig geprägt hat. Jetzt steht uns also endlich der Nachfolger Red Dead Redemption 2 ins Haus, welcher die Messlatte für Videospiele wieder einmal höher legen soll. Zuletzt bewies Entwickler Rockstar Games mit GTA 5 eindrucksvoll, wie ein Open-World-Spiel auszusehen hat. Kann man das überhaupt noch toppen?

Red Dead Redemption 2 spielt im Jahr 1899, also knapp 12 Jahre vor den Ereignissen des emotionalen Vorgängers. Die Tage des wilden Westens scheinen gezählt, denn neue Gesetze verheißen keine allzu rosige Zukunft für Gesetzlose.

Im Spiel schlüpft ihr in die Haut von Arthur Morgan, Mitglied der gefürchteten Bande um Dutch Van der Linde, der auch der Held des Vorgängers – John Marston – angehört. Doch im Vergleich zum verwegenen Cowboy, dessen Geschichte wir vor acht Jahren erleben durften, wirkt Arthur auf den ersten Blick mehr wie ein lammfrommer Farmarbeiter, als wie ein brutaler Gesetzloser. Doch der Schein trügt.

Hinter der Fassade verbirgt sich eine der stärksten Figuren, die Rockstar Games jemals geschrieben hat und Kenner wissen, dass sich die Entwickler in der Erschaffung einzigartiger Charaktere wirklich verstehen.

© Rockstar Games

Red Dead Redemption 2 im Test: Eine Handlung zum Niederknien

Die Handlung von Red Dead Redemption 2 präsentiert sich deutlich erwachsener, als ihr es beispielsweise von GTA 5 gewohnt seid. Das Spiel wagt keinen satirischen Blick auf Cowboys und Indianer, sondern versucht, den wilden Western möglichst authentisch auf den Bildschirm zu zaubern. Das gelingt dem Titel auch so gut, wie noch keinem Western-Spiel zuvor. Auf den typischen Rockstar-Humor müsst ihr dabei erfreulicherweise nicht verzichten.

Das Spiel beginnt mit einem Raubüberfall in der Stadt Blackwater, der gehörig schiefgeht. Angeschlagen und von Bundesagenten verfolgt, flieht die Gang in die schneebedeckten Berge, um das weitere Vorgehen zu planen.

Viel mehr wollen wir zur Story allerdings aus Spoilergründen nicht verraten. Nur so viel: Die Handlung gehört zum Stärksten, was wir je gespielt haben. In Red Dead Redemption 2 reiht sich eine denkwürdige Mission, an die ihr euch noch in einigen Jahren erinnern werdet, an die vorangegangene.

© Rockstar Games

Das gelingt dem Spiel vor allem durch seine stark geschriebenen und glaubwürdigen Charaktere, die den Facettenreichtum des Western-Titels exzellent widerspiegeln. Vom ruhigen Lenny Summers über den irren Micah Bell, bis hin zu Protagonisten Arthur Morgan höchst selbst: Alle Charaktere in Red Dead Redemption 2 fühlen sich lebendig an und ihr habt tatsächlich das Gefühl, Teil einer Gang zu sein, die schon seit vielen Jahren zusammenarbeitet.

Doch das gelungene Skript trifft nicht nur auf die Hauptfiguren zu. Selbst die meisten Charaktere, die ihr im Verlauf des Abenteuers trefft, überzeugen vollends.

Red Dead Redemption 2 liefert euch nicht einfach eine Biografie der verschiedenen Figuren. Innerhalb der detailverliebten Welt stoßt ihr immer wieder auf Hinweise, die wie in einem guten Film immer neue Fragen aufwerfen, bevor sich euch das große Ganze erst zum packenden Finale hin offenbart.

Red Dead Redemption 2 lässt sich Zeit

Red Dead Redemption 2 legt trotz Open-World-Ansatz seinen Fokus stark auf die Handlung und Charaktere. Dabei nimmt sich das Spiel zu Beginn die Zeit, die Figuren und ihre Beziehung zu euch zu beleuchten. Ein Ansatz, der sicherlich nicht jedem gefallen dürfte, denn gerade in den ersten Spielstunden gibt sich der Titel erstaunlich linear.

Knappe 50 Spielstunden seid ihr mit der Haupthandlung beschäftigt. Wollt ihr alle Nebenaufgaben und Geheimnisse aufdecken, dürft ihr diese Zahl gut und gerne verdoppeln. Viel Umfang also, um euch die kalten Herbsttage über hervorragend zu unterhalten.

Spielerische Längen sucht ihr dabei vergebens, denn selbst scheinbar unwichtige Nebenaufgaben werden im Spiel zu einem absoluten Genuss. Mit zahlreichen Tempowechseln und überraschenden Wendungen, beeindruckenden Bildern und etlichen Gänsehautmomenten lässt Red Dead Redemption 2 die meisten aktuellen Spiele jedenfalls vor Neid erblassen.

Das liegt auch an der herausragenden Spielwelt, die Rockstar Games für den Titel geschaffen hat. Diese präsentiert sich nicht nur deutlich größer als noch im Vorgänger, sondern hat auch viel mehr zu bieten.

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Die bislang beste Open World

Wart ihr seinerzeit fast ausschließlich in der staubigen Prärie unterwegs, punktet RDR2 mit der abwechslungsreichsten und lebendigsten Open World, die Rockstar je geschaffen hat. Zu Beginn wandert ihr durch wunderschöne schneebedeckte Gipfel, später durchstreift ihr dichte Wälder und malerische Schluchten oder bestaunt atemberaubende Wasserfälle.

Die abwechslungsreiche Welt des Spiels lädt zum Bestaunen und Erkunden ein, da die Entwickler sie auf beeindruckende Art und Weise mit Leben gefüllt haben. Das gilt nicht nur für die Städte wie Saint Denis oder Annesburg.

Vor allem dank der glaubwürdigen und mit über 200 Arten enorm abwechslungsreichen Tierwelt, die Red Dead Redemption 2 zu bieten hat. Regelmäßig trefft ihr zudem auf Fremde, die ebenfalls weit mehr zu bieten haben, als den üblichen zweizeiligen Dialog, den man aus anderen Genrevertretern so kennt. Hier erwarten euch teils sogar Handlungsstränge, die sich über mehrere Spielstunden erstrecken.

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Wie ihr ihnen begegnet, überlässt das Spiel dabei ganz alleine euch. Ob mit erhobener Waffe oder eher freundlich: Doch all eure Taten haben auch Konsequenzen. Es kann sogar sein, dass ihr eine Figur, der ihr einmal geholfen habt, erst viele Spielstunden später wiedertrefft.

Natürlich erinnert sie sich an eure Hilfe und können euch mitunter reichlich belohnen. Red Dead Redemption 2 ist voll mit solch denkwürdigen Begegnungen, wenngleich sich der Ablauf in manchen davon wiederholt.

Spielerische Neuerungen

Kenner von GTA 5 werden sich hinsichtlich der Steuerung sofort zurechtfinden, die grundsätzlichen Bewegungen und Kämpfe fühlen sich fast so an, wie ihr es aus Los Santos gewohnt seid. Allerdings solltet ihr die automatische Zielerfassung schnellstmöglich deaktivieren, da das Spiel so viel zu leicht wird.

Wenn ihr es etwas genauer haben möchtet, deaktiviert ihr die Zielhilfe und könnt Kopf oder Gliedmaßen selbst anvisieren. Dabei erweist sich vor allem das in fünf Stufen erweiterbare Dead Eye-System als nützlich: Darin schaltet das Spiel in eine Zeitlupe, in der ihr einzelne Körperteile der Gegner mit blauen Bohnen eindeckt.

Einsteiger werden von der Steuerung allerdings etwas überfordert sein. Nahezu alle Tasten sind mehrfach belegt, gerade in der Hitze des Gefechts kommt es zu Beginn nicht selten vor, dass ihr durch einen falschen Tastendruck für unfreiwilliges Chaos sorgt.
Am Ende einer Mission präsentiert euch Read Dead Redemption 2 einen Überblick über eure Schnelligkeit, Zielgenauigkeit oder Tötungen, welche in einer bronzenen, silbernen oder goldenen Medaille resultieren. Gerade ein goldenes Abzeichen ist trotz aktivierter Zielhilfe beileibe kein Kinderspiel, doch gerade hier zeigt sich der Arcade-Charakter, der im Hintergrund des Spieles schlummert.

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Die Kämpfe spielen sich ähnlich wie in GTA 5 und gehen hervorragend von der Hand. Allerdings garniert Red Dead Redemption 2 diese auch  durch ein paar gelungene spielerische Neuerungen. So dürft ihr an Häuserkanten oder Felsen hochklettern, um eure Gegner von oben zu beharken oder einen alternativen Zugangsweg zu finden. Vor allem bei den rein optionalen und spannenden Schatzsuchen klettert und rennt ihr, was das Zeug hält.

Zudem hält nahezu jedes Gebäude in der Welt mehrere Geheimnisse bereit, die ihr bei Briefen, Fotos oder Leichen findet. Sogar einzelne Schubladen dürft ihr auf der Suche nach neuen Nebenaufgaben oder Herausforderungen durchsuchen. Etwas schade jedoch, dass nicht jedes Haus im Spiel auch betreten werden kann. Zudem reagiert die Objekterfassung etwas hakelig: Manchmal müsst ihr euch mehrfach neu positionieren, um mit dem Objekt eurer Begierde interagieren zu können. Doch wirklich störend ist das nicht.

Außerdem dürft ihr Red Dead Redemption 2 aus verschiedenen Perspektiven erleben. Zusätzlich zur Third-Person-Ansicht könnt ihr den wilden Western auch aus der Ego-Perspektive oder mittels cineastischer Kamera erkunden. Alle drei Varianten funktionieren hervorragend.

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Schleichen, jagen, craften

Doch damit noch lange nicht genug. Der Facettenreichtum von Red Dead Redemption 2 gilt nicht nur für die atemberaubende Welt, sondern auch für das eigentliche Gameplay. Alle Spielmechaniken funktionieren hervorragend und es fühlt sich tatsächlich so an, als würde man ein Best-Of der Titel von Rockstar Games spielen.

Sogar die neuen Schleichmechaniken fügen sich hervorragend in das klassische Gameplay ein. Das Spiel blendet euch die Sichtkegel der Feinde ein, welche ihr sogar mithilfe von Objekten ablenken dürft. Das sorgt für ein ganz neues Spielgefühl in einem Rockstar-Titel und für zahlreiche ungeahnte Möglichkeiten.

Egal ob ihr legendäre Tiere jagt, eure Ausrüstung aufwertet oder euch hitzige Feuergefechte liefert: Red Dead Redemption 2 bietet nahezu keinen Anlass zur Kritik. Gerade die Schusswechsel fühlen sich unglaublich intensiv an. Allerdings solltet ihr das Deckungsfeature tunlichst nutzen, da ihr schon nach wenigen Treffern das Zeitliche segnet. Zerstörbare Umgebungen sorgen dafür, dass ihr nicht zu lange an Ort und Stelle ausharren solltet.

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Erfreulicherweise fügen sich auch die tierischen Begleiter hervorragend in das Spiel ein. Ganze 19 Pferderassen gibt es, die mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen aufwarten. Dabei spielt eure Beziehung zum Kläpper eine wichtige Rolle und eröffnet euch im Spielverlauf neue Möglichkeiten.

Kümmert ihr euch gut um euer Pferd, verbessert das eure Kontrolle über das Tier, sodass ihr präziser reitet. Außerdem erlernt euer Begleiter neue Bewegungen, die sich nicht nur in den Kämpfen als nützlich erweisen.

Diese Bindung zum Tier motiviert enorm. Die Pferde sind ein waschechter, eigener Hauptcharakter in der Welt von Red Dead Redemption 2. Stirbt euer Gaul, bleibt er für immer tot und ihr müsst euch Ersatz suchen, zu dem ihr erneut eine Bindung aufbauen müsst – ein Moment, der ans Herz geht. Die Pferde sind also viel mehr, als nur simple Fortbewegungsmittel.

Mobiles Zuhause

Im Verlaufe des Spiels dient euch das Lager der Bande als Dreh- und Angelpunkt. Die Camps dürft ihr in mehreren Stufen aufwerten und schaltet dadurch neue Optionen frei. So dürft ihr im Lager mit euren Bandenmitgliedern eine Runde Poker spielen, euch rasieren oder Gespräche führen, die mitunter neue Nebenaufgaben freischalten.

Erfreulicherweise sind all diese Aufgaben allerdings rein optional. Trotzdem wachsen euch eure Kumpels binnen kürzester Zeit so stark ans Herz, dass ihr ihnen im Lager gerne zur Hand gehen werdet. Dabei solltet ihr allerdings auch darauf achten, regelmäßig einen Teil eurer Beute mit der Gang zu teilen, da sich die Moral und Stimmung ansonsten grundlegend verschlechtern. Das hat allerdings keine wirklichen spielerischen Auswirkungen.

Apropos Moral: Diese spielt auch in der Entwicklung eures Charakters eine durchaus wichtige Rolle. Gute oder schlechte Taten sorgen dafür, dass sich die Ehre eures Outlaws in eine bestimmte Richtung entwickelt.

Die Bewohner der Städte fliehen vor einem gefürchteten Kriminellen, während ihr als netter Zeitgenosse sogar Rabatte beim örtlichen Händler herausschlagt. Je nachdem, wir ihr Red Dead Redemption 2 spielt, hat das mitunter enorme Auswirkungen auf die Spielerfahrung. Besonders, da man in vielen Situationen nicht auf den ersten Blick erkennt, welche Auswirkungen eine Aktion auf eure Ehre hat.

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Bahnbrechende Technik

Ein Open World-Titel steht und fällt durch seine Spielwelt. Ein Stolperstein, den Red Dead Redemption 2 hervorragend meistert. Doch auch die technische Umsetzung ist für den Spielspaß entscheidend. Auch hier kann der Western-Titel vollends überzeugen.
Absolut jedes Detail am Spiel sieht hervorragend aus. Detail ist auch das richtige Wort, denn davon strotzt der Titel geradezu. Von den wunderschönen Landschaften über die beeindruckenden Charaktermodelle bis hin zur Mimik der Figuren setzt Red Dead Redemption 2 neue Maßstäbe und markiert das Maximum dessen, was die aktuelle Konsolengeneration zu leisten in der Lage ist.

Selbst die entlegensten Winkel der Welt strotzen nur so vor wunderschönen Kleinigkeiten. Wenn dann auch noch die Sonne hinter dem gewaltigen See untergeht, Nebelschwaden über die Berggipfel ziehen oder die Wettereffekte einsetzen, klappt euch mit Sicherheit die Kinnlade herunter. Kein anderes Spiel bietet aktuell eine derart konstant hohe grafische Qualität.

© Rockstar Games

Auf den leistungsfähigeren Konsolen bleibt das Spielgeschehen dabei meist flüssig, lediglich auf den Standard-Konsolen sind einzelne Einbrüche der Bildrate zu beobachten. Nur ein paar kleine Clipping-Fehler trüben den hervorragenden Eindruck, den die Grafik hinterlässt.

Ebenfalls kaum Anlass zur Kritik liefert die Vertonung. Von den beeindruckenden Soundeffekten bis zu den wuchtigen Waffensounds: Red Dead Redemption 2 klingt hervorragend. Die Vertonung liegt zwar ausschließlich in englischer Sprache vor, rangiert dafür allerdings auf dem Niveau eines Hollywood-Blockbusters. Optional gibt es übrigens deutsche Untertitel. Auch der Soundtrack ist wieder einmal über jeden Zweifel erhaben und steht dem gelungenen Score des Vorgängers in nichts nach.

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Philipp Briel

Liebt Games und Serien auf allen Plattformen. Klemmt sich bevorzugt hinter das Lenkrad virtueller Rennwagen oder erholt sich an den Gewässern offener Spielwelten. Fühlt sich im Auenland aber genauso heimisch, wie in Battle-Royale-Shootern oder der nordischen Mythologie.
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