Es gibt sie nach wie vor, die seltenen Momente der Überraschung. Dabei verhält es sich mit ihnen eigentlich so, dass man glaubt, je älter man würde, desto weniger begeisterungsfähig sei man. Ist es zudem noch der eigene Chef, der mit seinem Anruf die Tatsachen dreht und Unerwartetes ausspricht, dann begibt man sich auf den Gipfel der Verwunderung. Zugegeben, man darf sich als Online-Redakteur eines Spielemagazins über manchen Luxus freuen, in dessen Genuss viele Spieler gerne kämen, und dazu gehört dann wohl scheinbar neben Besuchen auf der gamescom auch der ein oder andere Besuch in den Studios der Spieleentwickler. Dieses Mal zog es uns in die heiligen Hallen von Trion Worlds, die zur Präsentation von RIFT 1.8 und End of Nations luden. Ehe wir euch in den nächsten Tagen mit exklusiven Einblicken in die Spiele selbst versorgen, nehmen wir euch mit diesem Tagebuch mit auf eine kleine Reise ins sonnige Kalifornien, wo am Rande des Silicon Valley in Redwood City Spiele für den Online-Markt entstehen.
Gedächtnis-Blackout am frühen Morgen
Welcher Teil meiner verkorksten Persönlichkeit hat mich eigentlich zur Zusage motiviert? Ich bin mir darüber am frühen Morgen des 2. Aprils noch recht unsicher, ein Blick auf den Wecker verrät zudem 3.30 Uhr. Unumstritten scheint mir allerdings die Tatsache, dass genau dieser Teil des Gehirns die aus dem Handy strömenden Schallwellen ignoriert – eiskalt. Statt der Freude als RIFT-Spieler eine einzigartige Chance wahrnehmen zu dürfen, lenken mich das Pflichtbewusstsein und der Gedanke, ein Arbeitsvertrag impliziere trotz gefühlt unendlicher Freiheiten eine gewisse Verlässlichkeit, in Richtung Bahnhof mit Zwischenstation zum Halbschlaf im Badezimmer.
Was folgt, sind 150 Minuten der Langeweile und der gewohnt überzeugende Service der Deutschen Bahn, der sich in der Frage nach der Fahrkarte äußert. Immerhin steht man schon wenige Schritte nach dem Ausstieg vor den riesigen Tafeln des Frankfurter Flughafens, Rolltreppen sei dank. Dabei lässt man eine Standard-Station eines solchen Abflug-Marathons nach der anderen über sich ergehen und langsam ergreift einen auch die Freude, dass sich die Organisation bei Trion Worlds und der verantwortlichen deutschen Presseagentur mit kurzfristig gebuchtem Direktflug sehen lassen kann. Nicht so präsentierfreudig zeigt sich der neue Airbus A380. Trotz riesiger Glasfront in der Wartehalle, streckt er nur einen Teil seines Triebwerks ins Blickfeld. Stolz ist man in Frankfurt und bei der Lufthansa auf den Riesenvogel, der sich nach dem Boarding auch von innen inspizieren lässt. Technisch mit persönlichem Unterhaltungsprogramm ausgestattet, täuscht nichts darüber hinweg, dass sich Komfort schwer herstellen lässt, denn Decken, Kissen und Kopfhörer auf Sitzen der Economy Class sind ein logistisches Problem, muss man doch zunächst irgendwie Freiraum schaffen, wo keiner ist. Da hilft es auch nichts, Geschäftsleute neben sich zu wissen, deren Manieren im Meeting wohl akzeptabel sein könnten, welche aber beim einheitlichen Verdrücken einer halben Schokoladentafel oder Runterkippen eines Cola-Glases aufhören.
Willkommen in Liberty City
Irgendwann – und sei es nach einer halben Ewigkeit – enden allerdings auch die erdrückendsten Stunden. Schnell raus aus dem Flugzeug, sich die Beine vertreten, das muss in diesen Minuten der Plan sein. Doch nach wenigen Schritten blickt man in weite Ferne. Man hätte ahnen können, dass auf das Flugzeug ein Flughafen mit riesigem, nahezu unendlichem Gang und Fußmarsch folgt. Führt der Weg etwa nach Kanada? In diesem Fall nicht, so viel steht fest, doch selbst am Ende des Tunnels empfängt man einen nicht mit offenen Armen. „Finally home, I love America!“ geben nahegelegene Geschöpfe noch kurz von sich.
Dann flimmern auch schon die ersten patriotischen Trailer über die Flachbildschirme. Hier weht ein anderer Wind, was sich auch nach 90 Minuten des Anstehens bei der Einreise-Kontrolle bestätigt, die sich noch mit böswillig-seriösem Blick mit sämtlichen Details und Vorhaben des Aufenthalts vertraut macht. Jetzt bloß der Versuchung widerstehen und keine Witze über Sprengmaterial äußern.
Unerwarteterweise bahnt sich dann doch langsam der Moment an, in welchem man die Drehtür des Flughafens mit seinem deutschen Kollegen verlässt und auf ein Meer von Straßen blickt. Schnell also ein Taxi sichern, sich während der Fahrt von waghalsigen Versuchen zur Überquerung der deutsch-deutschen Grenze berichten lassen und dann endlich am Hotel in Redwood City ankommen. Es ist 14 Uhr – und obwohl man gerade ein Nickerchen vertragen könnte, scheint es das so früh noch nicht Wert zu sein. Außerdem bin ich immer noch verwundert, dass der Abflug erst vier Stunden zurück liegt. Es scheint, als müsse ich den Wahrheitsgehalt der Uhren hier überprüfen und ins Raum-Zeit-Kontinuum eingreifen. Endlich wird mir der Durchbruch als Physiker gelingen.
Die Zeit reicht noch für einen Spaziergang durch das Viertel. Wie für die USA üblich sind dabei Wohn- und Geschäftsviertel strikt getrennt. Anders aber als bei vielen anderen Städten, ist Redwood nicht in Quadraten angeordnet, was den Rundgang etwas interessanter und abwechslungsreicher macht. Den Verkehrsunfall, der sich beim näheren Herantreten auf der Hauptverkehrsstraße abzeichnet, hatten wir in unserer Suche nach einem kleinen Supermarkt oder ähnlichem nicht eingeplant, das wäre makaber und bleibt somit ein geheimer Wunsch, dennoch reicht die Zeit zum Bestaunen der Einsatzfahrzeuge und der Lässigkeit der Lebensretter, die smoove ihren Gang mit Sonnenbrille antreten. Polizei, Feuerwehr und Sanitäter sind nun ebenfalls bekannt, ebenso wie deren Sirenen – ich fühle mich gewappnet für Liberty City.
Europa fällt in San Francisco ein
Irgendwann endete der Tag doch noch im riesigen und weichen Bett. Für den nächsten Tag stand ein Ausflug nach San Francisco an, für welchen Trions PR-Verantwortlicher John kollegial gewünschte Reiseziele aufnahm. Doch keiner hatte eine Idee von dieser Stadt. So führte der Weg am nächsten Mittag den Briten, die drei Franzosen und uns zwei Deutsche ins Herzen der Stadt – in den Stau. Herrlich, diese Touristen-Attraktionen. Das muss der „American way of life“ sein. Irgendwann erreicht sich dennoch der Coit Tower mit herrlichem Ausblick über die Stadt. Schnell also die Kamera gezückt und Fotos geschossen – wir sind schließlich beruflich hier, versichere ich John, der die harte Arbeit in dem panischen Umherwandern von Turmfenster zu Turmfenster wohl nur schwer erkannte und dessen Wertschätzung für einen euphorischen Beifall nicht zu reichen schien. Dass dieser Reisebericht nur ein kleiner Bonus neben der RIFT-Berichterstattung sein würde, beruhigte ihn innerlich sicherlich schon an diesem Tag.
Die Zeit war alsbald auch reif für einen etwas längeren Marsch durch die Stadt, hin zum Pier 39, wo sich ein Blick auf das ehemalige Hochsicherheitsgefängnis Alcatraz bot. Kann sein, dass in meinem Inneren die Begeisterung für die vielen faulenzenden Seehunde größer war, doch ich bin sicher, sie würden mein Angebot, Plätze zu tauschen, entschieden ablehnen. Scheint, als bliebe für ein Bad in der Sonne keine Zeit. Die Erfahrung belehrt einen im Nachhinein natürlich eines besseren – den Weg zur von vielen Bildern und Filmen bekannten Kabelbahn hätte es angesichts des dort herrschenden technischen Defekts nicht gebraucht.
Es muss wieder ein Taxi für die Fahrt ins Herz der Stadt herhalten. Gegen 15 Uhr lässt es sich dort dann im American Diner einen Burger genießen. „Muss man einmal im Leben ausprobiert haben“, denke ich mir, dennoch erinnert mich der Geschmack an einen gewissen Fast Food-Laden, sodass sich die Wahl spätestens nach Besuch des doch sehr alternativen Hippie-Viertels in der grandiosen Location zum Abendessen rächt. Man lernt nie aus und es wird auch nicht die letzte Nahrungsaufnahme seines Lebens sein, tröste ich mich selbst. Zur anhaltenden Motivation genügt immerhin noch das Interesse am folgenden Tag, der ganz im Zeichen des Entwicklerbesuchs steht. Auch wenn sich dahinter viel Arbeit und Vorbereitung verbirgt, man wird schließlich nicht nur aus Lust und Laune eingeladen, wirft man gerne einen Blick hinter die Kulissen eines MMORPGs, das selbst seit zwölf Monaten zu den eigenen Lieblingstiteln zählt.
John, ist es das hier?
So plump sah sie dann aus, die erste Frage des folgenden Morgens vor den Türen des Studios von Trion Worlds. Kein riesiges Logo zierte die Wand des für die Umgebung typisch modernen Gebäudes. Man war wohl erst umgezogen. Dass es aber das Objekt der Begierde war, offenbarte spätestens das große Logo des Unternehmens im Inneren. In die heiligen Hallen ging es aber nicht ohne Umwege. Bevor sich die Treppen erklimmen ließen, stand ein Abstecher in einem Präsentationsraum an. Zur Verdutzung von uns europäischen Kollegen kam das Frühstück via Lieferservice. Das hat die Welt noch nicht gesehen, so zumindest das Zugeständnis der deutschen Fraktion. Aber braucht es für ein gutes Frühstück mehr als deutsches Brot? Nicht zu vergessen einen guten Kaffee, von dem in den USA aber wohl nur die Wenigsten etwas zu verstehen wissen.
Viel wichtiger ist an diesem Tag aber, was über den Bildschirm flimmert. Den Anfang macht hier der neueste Trailer zum Update 1.8: Höllendämmerung, ehe Producer Adam Gershowitz selbst das Wort ergreift und sich und uns einen kleinen Durchmarsch durch den neuen Raid gönnt. Jetzt heißt es mitschreiben, Fotos nicht vergessen und auch noch eventuelle Fragen überlegen. Zum Glück gelingt dies auch noch dem männlichen Geschlecht, dem immerhin nicht selten fehlende Multitasking-Fähigkeiten nachgesagt werden.
Wenige Minuten später sind wir selbst zum Anspielen neuer Features eingeladen, was auch möglich ist, nachdem man uns, nun im Obergeschoss, von der die Entwickler-Arbeitsplätze vom Präsentationsraum trennenden Glasscheibe losreißen konnte. Immerhin würde es wieder nur Arbeit bedeuten, sich mit RIFT auseinanderzusetzen. Zum Glück schienen die Features auch interessant und so war es dann doch auch Spaß, den dieser Vorab-Einblick charakterisierte. Ingame-Recherche war auch noch bitter nötig, ehe es wenige Minuten später ans Interview gehen sollte. Ein Raum, vier Augen. Das ist nichts Weltbewegendes, schon bekannt von Events wie der gamescom und dennoch besonders in den seltenen Fällen, in denen man nicht nur Interviewer, sondern auch Spieler ist. Die letzte dieser Situationen hatte ich immerhin beim Gespräch zu Guild Wars 2, was wiederum elf Monate zurück liegt.
Entsprechend schnell verging auch dieses Mal leider die Zeit, doch die folgenden End of Nations-Matches mit den Pressekollegen sorgten auch ein zweites Mal für viel Freude. Was uns hier besonders gut gefällt, liest sich in der kommenden Vorschau. Wir wollen dem an dieser Stelle auch nicht vorweg greifen. Fest steht, dass es ein sehr interessanter Tag war – nicht minder interessant als der Rest der Reise, während sich Trion Worlds als grandioser Gastgeber gab. Als wir an diesem Mittwochabend die Augen schließen und ein letztes Mal Kraft tanken, steht fest, dass es sich gelohnt hat. Auch der lange Flug und die im Anschluss zu tippenden vier Artikel würden dank spannender Inhalte nichts an den positiven Erinnerungen ändern.