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Rocksmith: Die einzig wahre Gitarren-Simulation?

Nach einem wahren Boom von Rhythmusspielen wie Guitar Hero oder Rock Band fing der Erfolg von Titeln dieses Genres 2009 zu bröckeln an, ehe es schließlich 2011 zu einem vollständigen Kollaps kam. Viacom hat sich mittlerweile von Harmonix getrennt und Activision Blizzard hat die Marke Guitar Hero vorerst auf Eis gelegt. Trotzdem wagt Ubisoft ein neues Game in dieser Sparte zu veröffentlichen, und zwar mit großen Ambitionen: Mit Rocksmith sollt ihr auch als blutiger Anfänger Stück für Stück lernen, wie man eine richtige Gitarre anständig spielt. Wie das funktionieren soll, haben wir uns auf der gamescom 2012 zeigen lassen.

Holz statt Plastik

Creative Director Paul Cross sprüht geradezu vor guter Laune als er zusammen mit Produzent Nao Higo die Präsentation beginnt. Er erklärt, dass er noch vor zwei Jahren keinen blassen Schimmer vom Gitarrespielen hatte, jetzt steht er mit einer umgehängten hellbraunen Epiphone Les Paul vor uns, die in einen PC in Form eines Verstärkers vom Hersteller Orange eingestöpselt ist und blättert durch das Menü. Das Ziel der Entwickler war es, dass Menschen, die noch nie eine Klampfe in der Hand hatten, nach und nach die nötigen Kenntnisse gewinnen die enthaltenen Songs so gut wie möglich mitspielen zu können. Doch anstatt wie bei anderen Spielen dieser Art ausschließlich mit einem Plastikinstrument vor dem Bildschirm zu hantieren, soll die Technik einer richtigen Gitarre gelehrt werden, sodass ihr auch außerhalb eures Wohnzimmers Leute mit euren Fähigkeiten beeindrucken könnt. Zu diesem Zweck könnt ihr per mitgeliefertem Adapter jede handelsübliche Gitarre mit Tonabnehmer anschließen, welche über eine Buchse für ein Gitarrenkabel verfügt. Für viele Anfänger ist der hohe Preis einer Gitarre samt Verstärker und sonstigem Equipment eine erste große Hürde, deshalb bietet euch Rocksmith nicht nur einen virtuellen Verstärker, auf der Disc befinden sich auch zahlreiche Effektgeräte in Form von Verzerrern und Wahwah-Pedalen, die ihrerseits noch in Bereichen wie Tempo oder Klangfarbe angepasst werden können. So habt ihr die Gelegenheit verschiedene Setups auszuprobieren und den Gitarrensound nach eurem Geschmack zu variieren.

Bevor es losgeht muss die Gitarre natürlich gestimmt werden, daher ist Rocksmith mit einem virtuellen Stimmgerät ausgestattet. Klingt eine der Saiten unsauber, wird das auch von der Software erkannt und ihr werdet darauf hingewiesen. Das Stimmen klappt kinderleicht und binnen weniger Sekunden habt ihr euer Instrument wieder betriebsbereit gemacht. Natürlich wird kein Anfänger Songs wie "Run Back to Your Side" auf Anhieb spielen können, also werden euch anhand zahlreicher Tutorials zunächst grundlegende Fakten und Techniken beigebracht. So schlagt ihr zu Beginn nur einzelne Saiten, später dann zusammen mit dem passenden Bund und anschließend ganze Akkorde. Wenn ihr euch an einen neuen Song herantastet, ist es keine schlechte Idee zunächst die Akkorde zu proben, zum Glück könnt ihr auf Wunsch auch einzelne Passagen wie Intro, Bridge oder Solo üben. Fortgeschrittene Techniken wie Bends, Slides und Pull-Offs werden euch anhand separater Einführungen mit Fotobeispielen gezeigt. Solltet ihr wiederholt an einer Übung scheitern, wird euch mit einem kurzen Video noch einmal gezeigt, wie die Fingerbewegungen genau aussehen. Diese zahlreichen Hilfestellungen sollen dafür sorgen, dass die Lernkurve hoffnungsvoller Nachwuchsgitarristen steil nach oben zeigt. Vorausgesetzt, dass ihr regelmäßig übt, denn ansonsten sind auch die besten Tutorials vergebliche Liebesmüh.

Euer eigener Proberaum

Deshalb hat Ubisoft diverse Minigames implementiert, die einerseits das ständige Proben auflockern und zugleich als Lehrmittel dienen sollen. In Ducks zum Beispiel wandern kleine rote Enten vom unteren Bildschirmrand, an dem sich Zahlen befinden, nach oben. Die Zahlen repräsentieren die Bundstäbe, die angeschlagen werden müssen um die Enten zu töten – und glaubt uns, ihr WOLLT die Enten abknallen. Während ihr hier nur die tiefe E-Saite anschlagen müsst, werden in "Super Ducks" alle sechs Saiten der Gitarre verwendet, was natürlich auch den Schwierigkeitsgrad erhöht. Insgesamt acht dieser Minigames sind enthalten, darunter auch ein kleiner Plattformer und ein Dr. Mario-Klon. Wem das zu verspielt ist, der greift einfach auf zwölf weitere Übungen zurück, die sich voll und ganz dem Erlernen von Palm Muting, Barré-Akkorden etc. widmen. Macht also euer Wohnzimmer zum Proberaum, mit einer Stunde Üben am Tag macht man erstaunliche Fortschritte, versichert uns Peter Cross. Rocksmith soll sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene und Profis ansprechen, die mit der Zeit lernen anspruchsvollere Stücke in Angriff zu nehmen. Über 40 Songs sind in der Verkaufsversion enhalten, euren musikalischen Horizont könnt ihr mit DLC erweitern.

Hier in Europa erscheint Rocksmith mit gut einem Jahr Verspätung, auf der anderen Seite des Atlantiks kam der Titel schon im vergangenen Oktober in den Handel. Das liegt unter anderem daran, dass wir die Erweiterung für E-Bässe bereits kostenlos zusammen mit der Retail-Version bekommen. Amerikanische Zocker müssen den Content nämlich als DLC zum Preis von 2400 MS Points / ca. 30 Euro zusätzlich erwerben. Da drückt man gerne ein Auge zu und wartet ein weiteres Jahr. Für lokalen Multiplayer braucht ihr logischerweise auch zusätzliche Gitarren oder Bässe, entweder um gegeneinander oder kooperativ Lead- und Rhythmus-Parts aufzuteilen. Für ca. 200 Euro könnt ihr Rocksmith im Bundle mit einer Epiphone Les Paul Junior erwerben, damit ihr auch sofort in die Seiten greifen könnt. Wem Guitar Hero und Konsorten bisher zu banal waren und sich schon immer für Rockmusik interessierte, darf gerne einen Blick wagen. Günstiger als regelmäßiger Gitarrenunterricht kommt es euch in jedem Fall.

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