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Saints Row: Mörder, Wahnsinn, Explosionen! Das Reboot der Reihe im Test

Ab dem 23. August 2022 ist der lila Wahnsinn wieder auf den Straßen unterwegs. Saints Row, das Reboot der durchgeknallten Open-World-Actionspielreihe, kehrt zu den Anfängen zurück und hat sich selbst den Auftrag erteilt, der grenzenlosen Überzeichnung etwas Einhalt zu gebieten. Riesige Dildos, Aliens und fliegende Hexenbesen gehören damit der Vergangenheit an.

Doch glaubt nicht, dass das Spiel dadurch handzahm geworden ist. Der Humor, überdrehte Action sowie unrealistische Zukunftsvisionen, die zum Lachen anregen sollen, stehen noch immer im Vordergrund, man hält aber halt deutlich besser die Waage zwischen einem typischen GTA-Erlebnis und wahnwitzigem Schwachsinn.

Saints Row: Unser Test zu dem Action-Rollenspiel

Wir haben viele Stunden in das Werk von Volition gesteckt, haben alle Gebiete lila gefärbt, jeden Gegner in die Knie gezwungen und als Zeichen unserer unangefochtenen Macht einen wunderbar hässlichen Wolkenkratzer hochgezogen, der das Ende des Spiels untermalt. Keine Nebenmission, kein Auftrag, keine Spielerei wurde von uns auf dem Weg dorthin ausgelassen.

Was wir in dieser Zeit erlebt haben, was ihr also von dem, was manche als Saints Row 5 bezeichnen, erwarten könnt und was es sonst noch über diesen ambitionierten Titel, der das Herz am rechten Fleck trägt, sagen können, verraten wir euch in diesem ausführlichen Test.

Saints Row: Der Charaktereditor

Wer die Saints zur größten kriminellen Macht in der Stadt Santo Ileso werden lassen möchte, muss natürlich einen Boss erstellen, der dieser Aufgabe gewachsen ist. Da kommt der relativ umfangreiche Charaktereditor gerade recht, denn so könnt ihr euch eigentlich genau den Anführer/die Anführerin bauen, den/die ihr im Sinn habt.

Soll der neue Boss cool aussehen oder vollkommen bekloppt? Groß, klein, dünn, dick, schön, hässlich? Alles möglich. Menschenähnlich oder doch lieber mit bunter Hautfarbe? Ein Mann mit Brüsten, eine Frau mit Bart? Die Kombinationsmöglichkeiten sind gigantisch und unterm Strich gibt es nur einen einzigen Abzug: die Bärte.

Die Gesichtsbehaarung im neuen „Saints Row“ ist beinahe schon eine Beleidigung. Nicht wirklich zum Fremdschämen schlecht, wie, wenn jemand genau das Wort benutzt, dass dem Gegenüber das Herz bricht, aber schon unter der Gürtellinie. Hübsch ist also anders, aber im Grunde gilt das sowieso für die ganze Grafik des Spiels.

Dennoch sorgen die vielen Einstellungsmöglichkeiten dafür, dass ihr zumindest annähernd das zusammenschustern könnt, was ihr für den geeigneten Boss der Saints haltet. Abgerundet wird dies durch eine kleine Auswahl verschiedener Stimmen, die zwar nicht das ganze Spektrum abdecken, aber mehr als ausreichend sind.

Der Charaktereditor in Saints Row (2022)
©Deep Silver.

Saints Row: Die Handlung

Ihr seid eine kaltblütige Mördermaschine und eure drei besten Freunde, mit denen ihr zu Beginn der Handlung in einer WG lebt, sind kaum besser. Dinge in die Luft jagen, Zivilisten überfahren und Feinde auf brutale Art meucheln gehört zum Alltag und solche Aktionen werden fast durchgehend gelobt und sogar belohnt.

Aber damit steht ihr nicht alleine da. Ganz Santo Ileso ist ein Irrenhaus und es ist schwer vorstellbar, warum in dieser verrückt-gesetzlosen Stadt überhaupt noch Menschen leben, die nicht zu den drei Verbrecherorganisationen gehören, die den Ort fest im Griff haben. Oder vielleicht haben wir das ja falsch verstanden, und jeder dort ist ein Gangster, manchmal aber halt in Zivil.

Das würde zumindest erklären, warum euren Feinden nie die selbstmordgefährdeten Irren ausgehen. Vielleicht haben alle Bewohner aber auch eine höchst lohnenswerte Lebensversicherung und die Bürger spielen mit ihren Verwandten eine Art Russisches Roulette. Wer stirbt, hat Pech, wer überlebt, wird reich. Freiwillig tut sich das doch sonst keiner an, oder?

Nun, die Story von „Saints Row“ ist kaum verrückter und unlogischer als dieses Gedankenspiel über die Motivation der NPCs. Drei Organisationen haben die Macht, aber alle drei sind dem Schwachsinn verfallen und zahlen elendig schlecht. Wer also über die Runden kommen und die Miete aufbringen will macht was? Genau, eine eigene Bande gründen.

Und so metzelt ihr euch durch die feindlichen Reihen, sprengt alles in die Luft, das sich vor Angst nicht schnell selbst weg sprengt – was durchaus schon vorgekommen ist – und eine verrückte Idee nach der anderen führt dazu, dass ihr in den Rängen der Stadt aufsteigt. Sinn ergibt rein gar nichts davon. Lustig ist es aber schon.

Erwartet also bitte nicht, dass die Handlung auch nur zu einem Hauch mehr gut ist, als euch zum Lachen zu bringen. Mehr muss sie aber auch gar nicht tun, denn irgendwie sind diese Psychopathen ziemlich liebenswert und man gönnt ihnen, dass sie ihre Gegner übers Ohr hauen. Und in die Rippen schießen. Und ins Gesicht stechen. Und…

Die Handlung von Saints Row 5 (2022)
©Deep Silver.

Saints Row: Die Open World

Die Stadt ist nicht ganz so groß, wie man es von vergleichbaren Titeln gewohnt ist, und, um ehrlich zu sein, hält sich die Abwechslung im Design auch in Grenzen. Der größte Teil der Welt besteht aus Wüste, Dreck, verriegelten Gebäuden und kleinen Häuschen, die Liebe zum Detail ist aber durchaus zu erkennen.

Die Schöpfer*innen dieses Spiels haben sich sichtlich Mühe gegeben, die Stadt lebendig wirken zu lassen, wirklich gut gelungen ist es ihnen aber nicht. Zumindest die vielen Easter Eggs und popkulturellen Anspielungen sind aber höchst lobenswert und machen es zu einem echten Spaß, jeden Garten und jeden Hinterhof zu untersuchen.

Außerdem gibt es eine Menge zu erleben, denn das Spiel ist mit Missionen und Minispielen vollgestopft, auch wenn ihr die meisten davon wahrscheinlich noch aus Saints Row 3 kennt. Aber auch neue Aufträge wurden implementiert, wodurch ihr über mehrere Tage gut beschäftigt sein dürftet, zumindest, wenn ihr es schafft, am Ball zu bleiben.

Gerade das wird euch nämlich stark erschwert, denn kaum eine dieser Nebenmissionen ist frei von Fehlern. Um genau zu sein, ist die Welt und ihre Inhalte so stark verbuggt, dass manche Aufträge schlichtweg nicht beendet werden können. Andere starten nicht und wieder andere funktionieren nur an Feiertagen.

Und dann wären da noch die NPCs. Diese Zivilisten, die zu Fuß oder in ihren Autos unterwegs sind, haben durch die andauernde Gewalteinwirkung der Gangs anscheinend ihren Verstand verloren oder sind schlichtweg unter so großem Stress, dass sie nicht mehr ordentlich denken und handeln können.

Die Open World von Saints Row (2022)
©Deep Silver.

Da schmeißen sich erschrockene Fußgänger*innen einfach vor euer Auto und zwar manchmal sogar reihenweise. Fahrzeuge biegen plötzlich ab und brettern euch unprovoziert in den LKW voller Giftmüll. Was andere Autofahrer*innen so schlimm zu erschrecken scheint, dass sie ebenfalls freidrehen und euch zusätzlich rammen.

Andere versuchen dieses Szenario zu umgehen, indem sie einfach aus der Existenz schwinden. Ganze Straßen, die direkt vor euren Augen leergefegt werden. Autos, die einfach zu dünner Luft werden, nur, damit komplett andere Fahrzeuge ihren Platz einnehmen. Die aber immer noch auf die Geister ihrer Vorgänger reagieren, was euch manch eine tempogeladene Fahrt enorm erschwert.

So fühlt man sich ganz schnell umringt von einem Meer aus Bekloppten, die allesamt auch noch unwirkliche Verhaltensmuster an den Tag legen, wie beispielsweise spontane Levitation, das Verlorengehen in Zeit und Raum, theatralisches das eigene Leben beenden und noch viele weitere höchst spannende aber auch nervende Aktionen.

Und alles will euch in die Luft jagen. Und damit meinen wir nicht via Explosionen, sondern wortwörtlich. Die Ecke von nem anderen Auto falsch gerammt? Zehn Meter in die Luft. Über einen Wasserhydranten gefahren? Fünfzig Meter in die Luft. Die falsche Aktion am falschen Ort? Auf zu den Sternen und noch viel weiter.

Die meiste Zeit kann man darüber lachen, doch weniger witzig ist es, wenn dadurch eure Mission gefährdet oder sogar unmöglich wird. Klar bleibe ich innerhalb der Missionsbegrenzung, aber dann lasst meine Feinde doch nicht zweihundert Meter außerhalb, auf einem zig Meter hohen Highway auftauchen, wo ich sie unmöglich von ihrem Leid erlösen kann.

Ja, all dies und noch viel mehr passiert in diesem Spiel. Und doch wirkt die Stadt, wenn sie denn mal funktioniert wie sie soll, wie aus einem Guss und es bereitet Freude, durch ihre Straßen und Landschaften zu brettern, fast alles zerstören zu können, was in Kontakt mit eurem fahrbaren Untersatz kommt, und den Ort zum eigenen Sielplatz zu machen.

Positiv untermalt wird der Aufenthalt in Santo Ileso durch die Implementation eurer Taten. Selbst kleine Nebenaufgaben werden im Radio erwähnt und Unternehmen eurer Gang haben zumindest geringen Einfluss auf das Stadtbild. Die Dominanz eurer Gang in eroberten Stadtgebietn könnte besser dargestellt werden, aber es reicht, um sich zu fühlen, als hätte man etwas erreicht.

Action in dem Reboot von Saints Row (Test)
©Deep Silver.

Saints Row: Die Waffen und Autos

Saints Row wartet erwartungsgemäß mit einer Vielzahl an Waffen auf, die allesamt nicht mehr so bekloppt sind, wie ihr sie aus vergangenen Spielen vielleicht in Erinnerung habt. Doch es gibt Ausnahmen. Neben den gewöhnlichen Gewehren, Schrotflinten, Raketenwerfern und anderen Instrumenten der Todeskunst gibt es gewisse Sonderlinge.

Altertümliche Waffen wie ein Repetiergewehr sind durchaus vorhanden, die Boxhandschuhe Gottes auch und ebenfalls ein Football, der Gegner via Schubdüse durch die Luft schleudert. Das ist zwar alles etwas handzahmer als in den Vorgängern, macht aber dennoch Spaß, vor allen Dingen, wenn ihr die waffenspezifischen Herausforderungen geschafft habt.

Dann bekommen eure Knarren und Schlaginstrumente nette Zusatzeffekte, die den Spielspaß noch einmal deutlich erhöhen. Genauso wie ihre Effizienz. Gleiches gilt übrigens für die Fahrzeuge, die genauso mit Verbesserungen versehen werden können, wodurch sie euren Anforderungen besser gerecht werden.

Die Autos, Motorräder, Monstertrucks und andere Verkehrsmittel zeigen sich ebenfalls realistischer, aber auch hier gibt es die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Ihr könnt also auch auf einem Hoverboard unterwegs sein, in einem High-Tech-Panzer oder auf einem fliegenden Motorrad. Oder eben mit dem Fast-Food-Truck von dem verrückten Hot-Dog-Stand.

Die Nahkampf-Action kommt dafür leider etwas zu kurz und es gibt nur wenige Möglichkeiten, eure Feinde mit bloßen Händen oder mit Nahkampfwaffen zu vermöbeln. Eure Finisher, die euch auch heilen, sind zwar sehr nett gemacht und sehen auch schön aus, werden aber schnell langweilig, da sie sich zu oft wiederholen.

Die Waffen in Saints Row 5 (Test)
©Deep Silver.

Saints Row: Der Koopmodus

Wer mit einem Freund/einer Freundin zusammen spielt, darf sich darüber freuen, dass alles deutlich mehr Spaß macht. Ihr könnt in das Spiel von anderen rein- und wieder rausspringen wie es euch gefällt und, sofern ihr die Optionen entsprechend eingestellt habt, können andere dies bei euch auch tun.

Doch zusammen mit dem Spielspaß nehmen auch die Bugs im Koop deutlich zu. Bis zu einem Punkt, wo „Saints Row“ kaum noch spielbar ist, weil dauernd irgendwer im Boden versinkt, zu den Sternen fliegt, die Waffen nicht mehr benutzen kann, NPC sich plötzlich in Luft auflösen und Fahrtwege nicht mehr angezeigt werden.

Finisher konnten wir beim Testen gar nicht mehr ausführen, weil unsere Gegner beim Versuch stets einen Meter im Boden versunken sind, nur, um dann einfach tot umzufallen. Ein höchst bedenkliches und sehr unhöfliches Verhalten. Wer also zu zweit spielen will, braucht eine Menge Humor und viel Geduld.

Cutscene aus Saints Row Reboot (2022)
©Deep Silver.

Saints Row: Das Hauptquartier

Recht früh in der Kampagne bekommt ihr euer eigenes HQ, das ihr nach eigenem Ermessen dekorieren könnt. Dafür findet ihr überall in der Welt des Saints-Row-Reboots Objekte, die ihr fotografieren müsst, um sie in eurem Hauptquartier aufstellen zu können. Eine nette Idee, die nur leider einen Haken hat.

Das Spiel liefert nämlich viel zu wenige Orte, an denen solche Objekte präsentiert werden können. Obwohl der Platz vorhanden wäre, beschränken sich eure Möglichkeiten, zum Inneneinrichter/zur Inneneinrichterin zu werden, auf wenige Stellen. Was frustrierend ist, schließlich gibt es massig Ausstellungsstücke, aber nur eine handvoll Orte, um sie zu platzieren.

Das HQ selbst beginnt in einem baufälligen Zustand, wird aber insgesamt dreimal ausgebaut, sofern ihr als kriminelle Organisation groß genug geworden seid. Am Ende habt ihr einen waschechten Palast, der jedoch gute, nutzbare Fläche mit hässlichen Vasen, scheußlichen Sesseln und anderen Geschmackverirrungen blockiert.

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Im Endgame gibt es eine Möglichkeit, der eigenen Kreativität etwas mehr Freiraum zu bieten, doch diesen Punkt müsst ihr erst einmal erreichen. Was gar nicht so einfach ist, denn die vielen Bugs hindern euch kontinuierlich daran, eure unschuldigen Träume von Tod und Gewalt in die Tat umzusetzen und zum neuen Superschurken in Santo Ileso zu werden.

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Heiner Gumprecht

Roter Magier des Lebens und grauer Jedi unter den Gruftis. Liebt alle Formen von Spielen, allen voran JRPGs und Pen and Paper. Cineast mit starken Gefühlen für den Mainstream und Dr. Nova der Philosophie. Ewiger One-Piece-Fanboy.
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