Artikel

Scarlet Blade: Billiger Softporno meets MMO?

Scarlet Blade ist mit Fug und Recht eines der umstrittensten MMOs diesen Jahres. Schon erste Screenshots und Wallpaper zeigten, mit welchem „Kernfeature“ man hier Kunden locken will: Titten. Publisher Aeria Games betonte hingegen, dass dies nicht der Hauptaspekt des Spiels sei und verwies auf das Gameplay des MMOs. Man soll ja bekanntlich nicht voreilig sein, daher habe ich gewartet, bis ich selbst eine Runde in den „Genuss“ des Spiels kam, um mich von den Qualitäten von Scarlet Blade zu überzeugen. Welchen Eindruck ich nach den ersten Stunden im Spiel hatte, erzähle ich euch jetzt.

Der Porno-Wolf im MMO-Pelz?

Es vergehen bei Scarlet Blade gefühlt keine fünf Minuten, ohne dass man pralle Brüste, nackte Haut, dralle Popos oder andere sexistische Anspielungen serviert bekommt. Teilweise komischer Natur, teilweise einfach nur lächerlich. Das beginnt schon bei der Charaktererstellung, in der einem die streckenweise recht gute Vertonung doppeldeutige Sprüche ins Gesicht haucht. Dieses Spiel strotzt einfach nur so vor Sex, dabei habe ich es noch keine zehn Minuten gespielt. Wer hier von prüder Kritik spricht, hat wohl ein anderes MMO vor der Nase als ich. Aber okay, es ist ja nicht so, dass ich nicht schon genug nackte Haut gesehen habe, dass mich das wirklich schocken kann. Bekanntlich kommt es ja auf die inneren Werte an und in diesem Feld darf sich Scarlet Blade nun gerne beweisen. Eigentlich handelt es sich bei dem Spiel um das von Liveplex entwickelte Queens Blade, welches von Aeria Games nach Europa und Amerika gebracht wurde und wegen Schwierigkeiten mit dem „Queens“ im Namen auf Scarlet Blade unbenannt wurde. Hintergrund der Handlung ist eine nach einem nuklearen Krieg zerstörte Welt, in der die Erdenmutter nur einige wenige Frauen dazu auserkoren hat weiterzuleben. Männer gibt es keine, zumindest noch nicht. Ein entsprechendes Update wurde in Asien aber bereits angekündigt.

Entscheidungen, die keine sind

Ich mag Entscheidungen, ehrlich, solange es nicht um die optische Gestaltung meines Charakters geht. Hier macht es einem Scarlet Blade zum Glück (oder auch nicht?!?) sehr leicht, denn es gibt zwar einige Bereiche, die man anpassen kann, so richtig in die Tiefe, wie in etwa bei Neverwinter, Dragon's Prophet oder AION, geht das System nicht. Schade also, wenn ihr euch schon darauf gefreut habt, am Regler für die Brustgröße herumzudrehen. Aber keine Angst, die sind auch so schon mehr als groß genug! Während die Erstellung an sich noch okay ist, entpuppt sich der Charakter-Hintergrund als ziemlich marode. Zwar bietet euch das Spiel an, euch für eine der beiden Fraktionen (Protectors oder Mavericks) zu entscheiden, so wirklich relevant ist diese Option für den Verlauf des Spiels aber nicht. Es ist mehr eine persönliche Vorliebe, ob ihr rebellisch seid oder gerne unter der Führung der Erdenmutter steht. Interessant ist, dass sich ansonsten quasi nichts verändert. Sowohl die Namen der NPCs, die Gebiete, die Klassen und deren Aussehen, Handlungsstränge und eigentlich alle Abläufe im Spiel bleiben gleich. Nur wenige Details in den Dialogen ändern sich. Das ist schon im Startgebiet sehr billig, wenn man als Protector einen Maverick mit Namen Cherry antrifft und als Maverick exakt die gleiche Cherry, mit dem gleichen Aussehen und der gleichen Handlung, eben nur als Protector, vorfindet. Da hätte sich das mit den Fraktionen schon geschickter lösen lassen, wenn man am Ende doch sowieso nur eine strikte Handlung für jeden Charakter hat.

Gameplay und Grafik von 2005

Ganz davon ab, dass die Story völlig unpassend in die Gebiete eingearbeitet ist und glücklicherweise als nötiges Übel ohne Relevanz im Hintergrund verschwindet, ist das Design der Quests sehr altbacken. Ich habe persönlich nichts gegen Standard-Aufgaben, solange sie einem nützlichen Zweck dienen. Kommunikatormodule aus Sporensprossen zu looten tut das aber nicht. Ganz im Gegenteil: Es ist einfach nur sinnlos und dient einzig und alleine dazu, den Spieler durch die Stufen zu treiben. Generell ergibt die Hintergrundgeschichte keinen Sinn. Gepaart mit der Tatsache, dass ich gleich zwei Quests bekomme, ein und denselben Gegner (in verschieden hoher Anzahl) zu erledigen, macht das Ganze zu einer Farce. Weiter fehlt es den Aufgaben an sämtlichen Effekten oder sonstigen Aufmachern, die selbst andere Asia-MMOs schon lange im Gepäck haben. Ich arbeite halt Missionen ab und frage am besten nicht warum und wieso. Glücklicherweise brauche ich das auch nicht, denn die automatische Bewegungsführung trägt mich einfach zum nächsten Standort – wenn sie nicht gerade an der nächsten Wand festhängt. Aber gut, immerhin befinden wir uns ja quasi noch in einer Beta-Phase, da kann ich mit kleineren Problemen leben. Immerhin spielt sich das Kampfsystem recht spaßig und auch die Animationen können gut überzeugen, wenngleich die restliche Grafik des Spiels eher so mittel ist. Vor zehn Jahren wäre das so noch locker durchgegangen, aber heute ist es schon fraglich, warum man so ein veraltetes Ding überhaupt noch auf den Markt loslässt.

Sex an jeder Stelle

Auch wenn viele Fans betonen, dass gerade das PvP bei Scarlet Blade sehr gut sei, muss ich zugeben, dass zwei wählbare Modi zwar durchaus für Spaß sorgen können, auf die Dauer aber dennoch die Abwechslung fehlt. Es scheint fast so, als läge der Hauptfokus einzig und alleine darauf, die Spieler mittels „Titten-Bonus“ zu ködern und hoffentlich zu halten. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum man derart viele Anspielungen und offensichtliche Szenen im Spiel hat. Nahezu jeder Charakter ist von der Erdenmutter mehr als gut bestückt worden und ziert sich nicht, dies zu zeigen. Als wäre das auf die Dauer nicht schon penetrant genug, hält sich das Spiel in Sachen doppeldeutige Dialoge nicht zurück. „Wir können uns später noch darum streiten, wer oben und wer unten liegt“, „Ich besorg's dir im Handumdrehen.“, „Wurd ich einst entjungfert, warum nicht von dir?“ und „Ich weiß, dass du es eilig hast, also belassen wir's bei 'nem Quickie“ sind so Dinger, die mir bereits nach fünf Minuten im Spiel um die Ohren schlugen. Die üppige Auswahl an indirekten Nippel-Betonungen war ebenfalls gewaltig. Es kommt einem quasi so vor, als würden sich die Charaktere und NPCs die ganze Zeit gegenseitig anbaggern, während ihnen Speichel aus dem Mund tropft – so richtig billig eben, da kann selbst Gina Wild nur schwerlich mithalten. Nennt mich prüde, aber wer hier noch davon redet, dass das Spiel „ein bisschen“ Brust zeigt und auf ganz andere Features setzt, ist wohl schlichtweg blind. Das ganze Marketing zielt auf diesen einen Fakt ab. Das wäre in gewissen Maßen noch ganz lustig, käme es nicht einfach nur als lächerliche Testosteron-Falle herüber. Vor allem da Publisher Aeria Games auch MMOs und andere Spiele im Angebot hat, die auf ein jüngeres Publikum abzielen, macht es die Sache sehr bedenklich. Auf Facebook zumindest wirbt man mit einem Spiel für Erwachsene, auch im Game selbst schlägt man vor, Scarlet Blade nur zu zocken, wenn man bereits volljährig ist. Dieser Hinweis ist ziemlich panne, da das MMO selbst keine Altersbeschränkung hat und so dennoch für jeden zugänglich ist.

 

Fazit: Wer's braucht, kann es benutzen

Mein Ersteindruck zu Scarlet Blade fällt eher mäßig aus. Rein spielerisch bietet der Titel wenig Anreiz. Die einzigen Reize liegen in denen der Damen, die selbst rüberkommen, als seien sie einem 80er-Jahre-B-Softporno entsprungen. Billige Sprüche und nackte Haut quasi überall. Das geht selbst dem stärksten Ballermann-Proleten auf den Keks. Wo der Spielerfang sich alle Mühe gibt, schwächelt der Rest des MMOs total und kann kaum bis gar nicht mit aktuellen Free-2-Play-Titeln wie Dragon's Prophet oder Neverwinter mithalten. Wer allerdings einen schwachen Rechner, kein Problem mit billiger Anmache und altbackenem Gameplay hat, sollte sich dieses Machwerk ruhig mal geben. Schlecht ist das Spiel nicht direkt – die Kernelemente funktionieren durchaus. Allerdings hätten sie das genauso eben auch schon vor 10 Jahren. Da wurde das Rad nicht nur nicht neu erfunden, sondern einfach ein altes aus dem Keller geholt.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"