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Sekiro: Shadows Die Twice: Der Erzfeind einer jeden Sterbeversicherung – Test

Shinobi-Künste

Auch wenn „Sekiro: Shadows Die Twice“ die RPG-Elemente stark entschlackt, gibt es noch immer verschiedene Optionen, unsere Spielfigur zu individualisieren. Für besiegte Gegner sammeln wir Erfahrung, die wir in abwechslungsreichen Talentbäumen in neue Fähigkeiten investieren.

So erlernen wir beispielsweise einen Wirbelwind-Hieb, dank dem wir mehrere Feinde gleichzeitig schädigen oder erhalten die Möglichkeit, einen Lanzenschlag zu kontern. Am Ende eines jeden Talentbaumes wartet dann eine besonders mächtige Fähigkeit. Die Wahl der richtigen Talente will allerdings gut überlegt sein, denn sind unsere Punkte einmal verteilt, gibt es kein Zurück mehr.

Auch die verschiedenen Modifikationen für unsere Armprothese erweisen sich als nützlich. Viele der Funktionen in „Sekiro: Shadows Die Twice“ müssen wir aber selbst herausfinden, mit Tutorials oder Hilfestellungen hält sich das Spiel nicht auf.
Bei einem vergleichsweise kleinen Zwischenboss mussten wir erst unzählige Male ins Gras beißen und waren schon kurz davor, den Controller an die Wand zu schmeißen, bis wir spaßeshalber die Feuermodifikation ausprobiert haben.

Und siehe da: Schon war der Obermotz keine allzu große Gefahr mehr. Das sorgt für ein unglaubliches Erfolgsgefühl, einen schweren Gegner nach zig Anläufen endlich in die Knie gezwungen zu haben – mehr noch sogar als es in „Dark Souls“ jemals der Fall war.

Macht das überhaupt Spaß?

Doch „Sekiro: Shadows Die Twice“ hat ein gewaltiges Problem. Gerade bei den beeindruckend inszenierten Bosskämpfen verschafft uns keine der Fähigkeiten einen wirklich spürbaren Vorteil. Im Endeffekt läuft es immer darauf hinaus, das perfekte Parieren feindlicher Angriffe zu verinnerlichen.

Gelingt uns das nicht, kommen wir schon relativ früh im Spiel nicht mehr weiter. Und dann gibt es auch keine Möglichkeiten, etwas daran zu ändern – wir laufen sprichwörtlich in eine Sackgasse. In „Sekiro: Shadows Die Twice“ gibt es eben keine anderen Waffen, die sich vielleicht besser eignen würden und keine Option, uns durch Grinden einen Vorteil zu verschaffen.

Waren die Kämpfe in „Dark Souls“ noch jederzeit berechenbar und war unser Bildschirmtod immer ganz alleine unser Fehler, ist das hier leider nicht immer der Fall. Regelmäßig haben wir bemerkt, dass Feinde innerhalb einer Bewegung die Richtung ändern und uns so trotz perfektem Ausweichschritt doch treffen.

Das wurde vor allem im Kampf gegen einen angeketteten Oger spürbar, der uns regelmäßig mit einem beherzten Sprung zu Boden ringen will. Während wir zur Seite auswichen, änderte der Koloss im Sprung seine Flugbahn und erwischte uns dennoch – ziemlich nervig.

Auch auf die Unterstützung von Mitspielern via Internet verzichtet das Spiel konsequent. Wir sind immer auf uns alleine gestellt. Wer das knackige Kampfsystem und das perfekte Timing allerdings meistert, bekommt mit „Sekiro: Shadows Die Twice“ das bislang vielschichtigste und motivierendste Spiel des japanischen Studios, das vor allem mit herausragend inszenierten Bosskämpfen punktet.

Die Handlung des Spiels nimmt ebenfalls endlich einen höheren Stellenwert ein, unsere Aufgaben sind jederzeit klar und deutlich erkennbar, während wir beim Erkunden der Welt auf Erinnerungen stoßen, die uns mehr über die Hintergründe verraten. Obendrauf spendiert From Software teils atemberaubende Zwischensequenzen, die sogar mit deutscher Sprachausgabe daherkommen.

Eine wunderschöne Reise

Ganz allgemein ist „Sekiro: Shadows Die Twice“ aus technischer Sicht ein echtes Brett und zaubert wunderschöne Lichtstimmungen und Szenerien auf den Bildschirm. Regelmäßig mussten wir während unseres Tests an Ort und Stelle verharren, um die einzigartige Atmosphäre aufzusaugen.

Detailarme Texturen oder Einbrüche in der Framerate, wie es sie in vielen vorangegangenen From Software-Titeln gab, suchen wir hier vergebens. „Sekiro: Shadows Die Twice“ flimmert jederzeit butterweich über den Bildschirm und versetzt uns fast im Sekundentakt ins Staunen. Auch beim Design der Bosse haben sich die Macher wieder einmal selbst übertroffen.

Bei den normalen Feinden hätten wir uns allerdings ein wenig mehr Abwechslung gewünscht, immerhin konfrontiert uns das Spiel immer wieder mit denselben Gegnertypen. Auch das Design der Level hätte ein wenig mehr Varianz vertragen können, doch das ist Meckern auf extrem hohem Niveau.

Glücklicherweise leistet sich die Vertonung keine Patzer. Die deutschen Sprecher liefern hervorragende Arbeit ab, doch gerade der erstklassige Soundtrack trägt perfekt zur dichten Atmosphäre des Spiels bei. Schöner haben wir das feudale Japan jedenfalls noch nie in einem Spiel bereist.

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Philipp Briel

Liebt Games und Serien auf allen Plattformen. Klemmt sich bevorzugt hinter das Lenkrad virtueller Rennwagen oder erholt sich an den Gewässern offener Spielwelten. Fühlt sich im Auenland aber genauso heimisch, wie in Battle-Royale-Shootern oder der nordischen Mythologie.
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