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Sniper: Ghost Warrior 2: ‚Tango down‘ – Ziel um Meilen verfehlt

Der Sniper-Shooter aus dem Hause City Interactive versucht begangene Fehler zu vermeiden, stolpert dabei über massenhaft technische Probleme und patzt spektakulär bei der deutschen Übersetzung. Ob es sich trotzdem lohnt, das Scharfschützengewehr zu schultern, erfahrt ihr in unserem Test zu Sniper: Ghost Warrior 2.

„Waidmanns heil“, ruft uns unser Spotter entgegen. Verdutzt bringen wir nur ein „Waidmanns dank!“ hervor und schauen zur Sicherheit noch einmal auf unserer Spieleverpackung nach. Aber doch, dort in roten und weißen Lettern prangt der Schriftzug: Sniper: Ghost Warrior 2. Wir sind also nicht beim deutschen Jägerbund gelandet, sondern ärgern uns über die schlechte deutsche Synchronisation und Übersetzung des Scharfschützenspiels.

Nun gut, denken wir uns zu Beginn des Spiels noch und stempeln die Szene unter „kann ja mal passieren“ ab, schultern unser Gewehr und folgen brav unserem Kollegen durch das dichte Gestrüpp des philippinischen Dschungels. Auf den ersten Blick gefällt uns die gebotene Urwaldkulisse, in saftigen Grüntönen gehalten, und wir beobachten, wie einige Sonnenstrahlen durch das dichte Blattwerk dringen und den Waldboden vor uns erreichen. Kein Wunder, basiert Ghost Warrior 2 doch auf der brandneuen CryEngine 3, die gerade erst in Crysis 3 eindrucksvoll unter Beweis stellte, wie moderne Titel heutzutage aussehen können. Die Erwartungen sind also hoch, zumal die auf der Rückseite versprochenen Lobpreisungen einen echten Top-Titel vermuten lassen.

Nach ersten Gehversuchen laufen wir als der Scharfschütze Cole Anderson unserem Spotter hinterher und machen uns mit der Steuerung vertraut, die im Grunde eigentlich keiner großen Erklärung bedarf. Mucksmäuschenstill knipsen wir die ersten Gegner aus – ganz nach dem Call-of-Duty-Prinzip in der berühmt berüchtigten Chernobyl-Mission in Modern Warfare. Unser Kamerad schaltet den Linken, wir den zu unserer Rechten aus.

Während wir wie ein Busch getarnt unserer Mission nachgehen, dessen näheren Sinn wir nach gefühlt einer Minute wieder vergessen haben, wohl aber Terroristen und gefährliche Biowaffen darin keine ganz unwesentliche Rolle spielen, und dabei nach bestem Gewissen versuchen, den Worten unseres KI-Kollegen Folge zu leisten, stellt sich schnell Ernüchterung ein. Sniper: Ghost Warrior 2 spielt sich nicht wirklich anders als der bereits enttäuschende Vorgänger, obwohl Entwickler City Interactive laut eigener Aussage bekannte Schwächen behoben hat. Zwar gibt es die extrem nervigen Action-Einlagen nun nicht mehr und es wird krampfhaft versucht, uns mehr Schleichsequenzen zu bieten, wirklich zu funktionieren scheint dies im fertigen Spiel allerdings nicht.

Steam-Pflicht
Sniper: Ghost Warrior 2 muss über die Spieleplattform Steam aktiviert werden.

Beschränkte Gegner & Möglichkeiten

Unsere Gegner sind alles andere als clever und hören uns nicht einmal, wenn wir lauthals hinter ihrem Rücken herumspringen und ein Lied trällern. Zwar scheinen die bösen Buben eine Menge Zielwasser geschluckt zu haben und treffen uns, ob mit Scharfschützen- oder normalem Gewehr, auf jede Distanz absolut zuverlässig, zu lachen hat die gegnerische KI allerdings nur sehr wenig. Denn unsere Geheimwaffe ist mitnichten unser allseits begleitendes Scharfschützengewehr, sondern viel mehr unsere Sekundärwaffe. Selbst auf hoher Entfernung schalten wir mit unserer Pistole sämtliche Gegner schnell und effizient aus. Dabei reicht meist ein einzelner Schuss, um die gegnerischen Soldaten schlafen zu legen. Da stellt sich die Frage: Warum Drumherum schleichen, wenn wir einfach die gesamte vor uns marschierende Patrouille ohne Probleme ausschalten können? Viele andere Möglichkeiten werden uns jedoch auch nicht wirklich eingeräumt. Anders als in der „Scharfschützensimulation“ Sniper Elite bekommen wir keinerlei Extras an die Hand, um beispielshalber Gegner mit Steinen abzulenken oder unseren Rücken durch nützliche Claymores abzusichern.

Einzig über ein Nachtsicht- beziehungsweise Wärmebildvisier verfügen wir von Mal zu Mal und kommen uns damit ausgerüstet eher wie ein übermächtiger Hacker in dem Zombie-MMO The WarZ vor. Und warum wir nicht einmal gegnerische Waffen aufheben können, obwohl Anderson vor kurzem die gesamte Ausrüstung gemopst worden ist und über Munitionsknappheit jammert, bleibt uns ein Rätsel.

Während uns in den beiden unteren Schwierigkeitsgraden eine rote Markierung innerhalb unseres Scharfschützenvisiers angezeigt wird und uns bereits Windgeschwindigkeit, Entfernung und Schwerkraft miteinberechnet, verfügen wir auf der dritten Stufe über keinerlei optische Zielhilfe. Dies ist allerdings auch gar nicht nötig. Halten wir den Atem an, schaltet das Spiel in Zeitlupe und wir bekommen alle Zeit der Welt, unser Blei großzügig zu verteilen. Treffen wir mal nicht beim ersten Mal, sitzt eben der zweite, dritte oder der vierte Schuss. Zeitnot gibt es so gut wie nie und während wir seelenruhig auf irgendeiner erhöhten Position lauern und warten bis unsere Feinde brav ihren Kopf aus der Deckung strecken, kommt unweigerlich Langeweile auf.

Während wir zu Beginn noch einigermaßen unterhalten werden und über die Synchronisation schmunzeln, nutzt sich das Spielprinzip innerhalb kurzer Zeit ab. Wir laufen einige Meter, richten unsere Position ein, installieren unser Scharfschützengewehr und räuchern entweder ganze Dörfer aus, geben unseren Teamkameraden Deckung oder machen einfach beides gleichzeitig. Von Abwechslung ist weit und breit keine Spur. Zwar sind die Schauplätze abwechslungsreich – mal laufen wir durch einen Urwald, mal durch alte Klosteranlagen im Tibet. Dank matschiger und verwaschener Texturen bleibt aber zu jeder Zeit das Gefühl, dass Ghost Warrior 2 dank CryEngine 3 deutlich besser aussehen könnte.

Zwar verwöhnen uns auf den ersten Blick hübsche Lichteffekte und eine sehr gute Weitsicht, bei genauerem Hinsehen fallen aber schnell hässliche Details wie aufgeklatschte Texturen, massenhaft Clippingfehler oder Glitches auf. Zwischensequenzen reißen uns gerne aus gerade stattfindenden Dialogen, nur um uns kurz drauf wieder zu früh aus dieser herauszuschmeißen und uns verdutzt und verwirrt irgendwo in einer Mission alleine zu lassen. Logiklücken, KI-Aussetzer und gelegentliche Abstürze runden das wohlige Spielvergnügen angenehm ab und fallen angesichts solcher Mängel kaum noch ins Gewicht.

Realitätsverlust

Das größte Problem stellt allerdings weniger die Technik dar, sondern viel eher die bereits zu Beginn erwähnte katastrophale deutsche Synchronisation und Übersetzung. So wird „Good Hunting“ tatsächlich mit „Waidmanns heil“ übersetzt, obwohl wir keinen deutschen Jäger verkörpern, sondern in dem Ghillie eines Marines stecken. Nachdem sich Anderson im späteren Spielverlauf erfolgreich durch ein ganzes Bataillon an Soldaten gekämpft hat, entgegnet dieser: „Alle ordentlich unter den Teppich gekehrt!“

Wo sich der Sinn mit einiger Grübelei noch herausfiltern lässt, ergeben manche Dialoge schlicht gar keinen Sinn. Als ein vor uns stehender Söldner plötzlich wie aus dem Nichts heraus entgegnet: „Es ist scheiße hier.“, konnten wir nur mit der Nase rümpfen und erlösten den armen Mann schließlich von seinem unendlichen Leid. Anscheinend rebelliert sogar die KI und es würde uns nicht wundern, wenn diese bald eine Gewerkschaft gründen würde und in einen Streik tritt. Uns wäre es recht, obwohl das Spiel mit gut fünf Stunden Spielzeit schon sehr mager ausfällt.

Vielleicht könnte man bei solchen groben Schnitzern noch das eine oder andere Auge zudrücken und darüber hinwegsehen, kämen nicht die total überzogen und markig klingenden Sprecher hinzu, gegen die sich ein Captain Price aus Call of Duty wie ein kleiner verschüchterter Schuljunge anhört.

Werden wir von unserem Spotter gerade mal nicht gemobbt, beleidigt oder wie ein Praktikant behandelt, spricht uns dieser im späteren Spielverlauf plötzlich mit dem Plural an, als wären wir plötzlich zu einem englischen Lord mutiert. Wir fühlten uns zwar geehrt, doch so ganz konnten wir uns mit dem ungewohnten Adelstitel dann doch nicht anfreunden.

Patrik Hasberg

Schreiberling, Spieleentdecker, praktizierender Perfektionist und Mann fürs Grobe. Außerdem laufender Freizeit-Hobbit, der Katzen liebt. – Hunde gehen auch. „Auch sonst eigentlich ganz ok“.
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