Artikel

Solstice Arena: Zynga stilsicher im MOBA-Genre?

Einmal durch den Steam-Katalog zu blättern kann überraschende Früchte tragen. Hier hat Gaming-Gigant Zynga mit Solstice Arena in der vergangenen Woche nämlich still und heimlich die erste eigene MOBA eingenistet. Auch wenn eine kriegerische Arena noch immer nicht zum standhaften FarmVille-Image passen will, haben wir den Entwicklern mit einem spontanen Besuch auf dem Schlachtfeld aber doch eine vorurteilsfreie und echte Chance gegeben. Lohnenswert ist dies auf alle Fälle, denn nach gestandenen Stunden der schnellen Action muss man überrascht sein, wie wenig sich das Team an Größen wie League of Legends oder Dota 2 zu orientieren versucht – das wiederum bringt Vor- und Nachteile mit sich.

Immer zu haben für Überraschungen

Eigentlich sitzt der Schock, eine MOBA von Zynga gespielt zu haben, noch immer tief, denn als erfahrener Videospieler wollte man sich von dem Unternehmen in der Vergangenheit nicht angesprochen fühlen. Dass Zynga nun eine MOBA auf den Markt wirft, könnte der Vorläufer weiterer Überraschungen sein. Immerhin hat man in den vergangenen Monaten unter Beweis gestellt, nicht mehr nur in eine Schublade geschoben werden zu wollen. Da ist der Release von Solstice Arena nach Neuveröffentlichungen wie Zynga Poker nur der logische Schluss. Keinesfalls garantiert dies aber bereits Lobeshymnen für die Entwickler. Eine Sache haben diese aber auf alle Fälle richtig gemacht, indem sie auf das klassische DotA-Gameplay verzichten und stattdessen eine "Speed MOBA" mit 3-vs-3-Begegnungen etablieren. Geschickt hat man so vermieden, sich an Größen wie League of Legends messen lassen zu müssen. Außerdem bleibt der vorerst gesättigte Markt von weiteren DotA-Klonen verschont.

Daran, dass es die feindliche Basis zu zertrümmern gilt, ändert sich aber nichts. Bloß fällt der Weg zum Stützpunkt des anderen Teams in Solstice Arena bedeutend kürzer aus. Das Spiel kennt weder unterschiedliche Lanes, noch einen Nebel des Krieges, noch einen Dschungel. Lediglich zwei Lager, die von einem kleinen Teich getrennt werden, schmücken die Welt der Speed MOBA. Binnen weniger Sekunden ist die Reise von A nach B damit abgeschlossen.

Am ersten Tag schuf er das Tutorial

Nach dem Download des niedlichen Clients macht man natürlich auch in Solstice Arena keinen Fehler damit, einen Abstecher in das Tutorial zu wagen. Eine Einführung in die ungewohnte MOBA entpuppt sich vielmehr als kleiner Vorteil, denn die Arena kann sich als stolzer Besitzer einiger Eigenheiten bezeichnen. Den größten Unterschied bilden wohl die in der Basis und in der Spielfeldmitte verteilten Buffs. Auf dem Weg in den Kampf können die Helden mal eben Heilung nutzen, vorübergehend den Angriff stärken oder an Geschwindigkeit zulegen. Außerdem sind in der Arena Attributpunkte verteilt, die die individuellen Fähigkeiten verbessern. Unterschiedliche Charaktere setzen auf ebenso verschiedene Elemente. Der Bogenschütze Artharion als Kombination von Caster und Kämpfer sammelt beispielsweise Sonnen-Verstärkungen zur Erhöhung des Schadens sowie zur Reduktion von Abklingzeiten und Erdenpunkte für die Umwandlung von ausgeteiltem Schaden in Heilung. Mit dieser zufälligen Verteilung von Buffs und Power-Ups auf der Karte macht Solstice Arena mit einem einfachen und doch tiefgründigen System alles richtig. Wer nämlich glaubt, derartige Stärkungen zu ignorieren, der hat auf kurz oder lang das Nachsehen.

Viel mehr allzu überraschende Eigenheiten hat danach aber auch das Tutorial von Solstice Arena nicht zu bieten. Lediglich der Ingame-Shop verdient einige Sätze, da er anders als gängige MOBA-Titel dem Spieler nicht mal eben 6 Item-Slots zur freien Verfügung stellt. Stattdessen sind die 6 Plätze zweckgebunden: Jeweils nur ein Objekt ist für Kopf, Brust, Füße, Schmuck, Haupt- und Nebenhand erlaubt. Ohnehin ist die Auswahl an Gegenständen und Item-Upgrades beschränkt, was auch Casual-Spielern den nötigen Überblick verschafft. Für Fans von Schuhwerk existiert lediglich ein Basisgegenstand, der sich je nach gewünschtem Attribut in fünf Richtungen verbessern lässt. Nach der einmaligen Aufbesserung ist Schicht im Schacht. Auch hier aber ein Lob an die Entwickler. Als selbst ernannte Speed MOBA mit einer durchschnittlichen Match-Länge von ungefähr 10 Minuten lässt das kostenlose Onlinespiel schließlich nicht viel Zeit für lange Einkäufe. Die meisten Spieler werden ohnehin das Feature einschalten, das einem den Einkauf automatisch erledigt. Schaden dürfte dies nicht, denn die taktische Vielfalt ist wie gesagt sehr beschränkt. Apropos beschränkt: Wir wünschen viel Spaß mit der KI der Teammitglieder im Tutorial und Offline-Modus. Die kleben einem nämlich am Hintern und warten mal eben am Stützpunkt, während eure Leiche sich über 30 Sekunden hinweg vom Tod erholt. In Anbetracht der gegnerischen Intelligenz aber kein Problem.

Hero-Mania

Das Trauerspiel nimmt aber mit dem Erreichen von Account-Stufe 3 sein Ende, denn ab hier ist – Gott sei Dank – auch der Online-PvP-Modus kein Tabu mehr. Anders als beispielsweise in League of Legends entscheidet ihr euch in Solstice Arena für einen Helden, bevor ihr damit beginnt, eine Gruppe zu suchen. Zwar bleibt damit auch hier einmal mehr die taktische Ausrichtung des Spiels auf der Strecke, doch andererseits hindert euch niemand an der Wahl eures Lieblings-Champions. Aktuell müsst ihr euren Favoriten noch aus 25 Helden bestimmen. Wie eingangs erwähnt, ist die MOBA von Zynga erst in der vergangenen Woche an den Start gegangen. Neulinge müssen die Champions zwar erst nach und nach freischalten; erste Eindrücke der vielen Charaktere können aber durchaus gesammelt werden, weil einige von ihnen zum Ausprobieren angeboten werden. Sonst müssten Neueinsteiger ständig dieselbe Figur steuern, was traurig wäre. Freischalten lassen sich neue Helden übrigens wahlweise mit erspielter Ingame-Währung oder aber mit Gems, die für echtes Geld stehen.

Auf in die Schlacht

Nach einer kurzen Warteschlange ist man dann schon mitten im Geschehen. Keine Creeps. Keine mehrminütige Phase zum Warmmachen. In Solstice Arena fliegen schon in der ersten Minute die Fetzen, wenn sich die Teams à drei Spielern in der Mitte begegnen, um als erstes die Vorherrschaft über die wiederkehrende Gold-Truhe zu erwerben. Tote sind bei diesem Treffen nicht ausgeschlossen. So ist das Leben in einer Speed MOBA, was zugegeben ein noch immer recht alberner Begriff ist. Zu Beginn fallen die Wiederkehrzeiten für Verstorbene aber noch sehr human aus. Ehe das Match nach rund 10 bis 15 Minuten zum Abschluss kommt, verzeichnet ein Team auch gerne mal mehr als 20 Tote.

Ein Wunder ist das bei Weitem nicht, denn die Heldenfähigkeiten in Solstice Arena liegen irgendwo zwischen lächerlich und "Was zur Hölle?". Mit besagtem Bogenschützen genügt ein Klick auf W, gefolgt von einem Drücken von E, um einen Charakter von vollen Lebenspunkten ins Grab zu verfrachten. Das ist dann wohl Hardcore-Causal. Schön für den, der nicht stirbt und sich wie der King der Könige fühlen darf. Selbst MOBA-Schwachmaten, wie ich es bin, stehen teilweise aber auch mit 13 Kills und 0 Deaths am Rundenende da. Das Balancing hat hier so seine Tücken, wobei Balancing in dem Fall meint, dass alle Champions auf dem gleichen Niveau "overpowered" sein müssen. Womöglich liegt der Fehler aber auch am Matchmaking. Insgesamt gelingt es in Solstice Arena aber nur selten, das Schicksal im scheinbar verlorenen Match zu wenden, zumal die Türme in der Basis kaum Schaden austeilen. Die Taktik in der MOBA ist ohnehin ein Graus. Zwar kann man sagen, dass Teamplay belohnt wird. Andererseits kann man auch als Einzelgänger mal eben drei Feinde gleichzeitig abmurksen. Die Absprache erfolgt lediglich über Ping-Symbole, weil Zynga auf einen Chat verzichten wollte. Das hat wohlgemerkt einen Grund, der für uns keine Rechtfertigung ist und ordentlich am Spielspaß eines gemeinsamen Online-Erlebnisses kratzt: Solstice Arena steht auch auf mobilen iOS-Geräten zur Verfügung – und das schon etwas länger.

Das iPhone-Experiment

Da haben wir uns eine Proberunde natürlich nicht nehmen lassen. Auf dem iPhone 5 kann Solstice Arena dabei natürlich nur mäßig begeistern. Hat man gerade einige Stunden in der MOBA auf einem 23-Zoll-Bildschirm verbracht, dann ist der Wechsel doch schon wundersam. Zwar ist die Bewegung per Touchscreen auch kein Ding der Unmöglichkeit, aber natürlich weitaus unangenehmer – gerade in präzisen Momenten, während welcher sich drei Feinde auf einem Haufen ansammeln. Zwar läuft Solstice Arena auch hier flüssig, doch mündet dies in einem Gefrickel für Feinmotoriker. Wir können uns aber vorstellen, dass die Runden auf einem iPad durchaus Freude bereiten und eine gemütliche Alternative sind, wenn man gerade Pausen füllt oder auf der Couch herum lungert.

Zynga und der Shop – Alarmglocken-Alarm

Kann es sein, dass man sich auch als Online-Redakteur vor einem von Zynga stammenden Shop fürchtet? Natürlich, wie ich feststellen darf. Auch wenn man sich vorurteilsfrei an die ganze Geschichte wagt, hätte man sich sicherlich eine andere Gestaltung der Preise gewünscht. Zwar können Champions nicht nur mit echtem Geld, sondern auch mit erspielten Punkten freigeschaltet werden, doch auch hier sind die Beträge demotivierend. Die Summen reichen von rund 9.000 bis 30.000 Einheiten der Währung. Die untere Schranke empfinden wir hier noch als durchaus human. Nach oben hin wird die Luft aber dünner. Rund fünf Stunden Spielzeit haben uns zu Besitzern von gerade mal 4.800 "Münzen" werden lassen. Schlägt man stattdessen mit echtem Geld beim Heldenkauf zu, so kosten die Einzelstücke zwischen 5 und 10 Dollar in dem leider nur in englischer Sprache verfügbaren Videospiel. Einzelne Skins sind durch die Bank für rund 10 Dollar pro Outfit zu haben. Wir hätten uns einen leichteren Zugang zur Freischaltung der Helden gewünscht. Die Höhe der Skinpreise legen wir dann tatsächlich mal in die Hände von Zynga, denn immerhin verkaufen diese schon mal keine spielbeeinflussenden Güter.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"