Die Geschichte von South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe ist lang und steinig. Ursprünglich im Juni 2015 angekündigt, hätte die Fortsetzung zum Erfolgshit Stab der Wahrheit bereits Ende 2016 erscheinen sollen. Unzählige Verschiebungen später dürfen wir seit Mitte Oktober endlich ins neueste Abenteuer rund um Cartman, Kyle und co. schlüpfen und erneut allerlei wahnwitzige Abenteuer erleben. Wie sich das neue Superheldensetting schlägt und ob Entwickler Ubisoft in Kooperation mit den South Park Digital Studios an den Erfolg des Vorgängers anknüpfen kann, erfahrt ihr in unserem Test.
Die South-Park-Kinder leben den Civil War
Freunde des ersten Teils dürfen sich freuen, denn Rektakuläre Zerreißprobe setzt nahtlos an den Inhalt von Stab der Wahrheit an. Noch immer schlüpfen wir in die Rolle des neuen Mitschülers, der gemeinsam mit Cartman und seinen Freunden einzigartige Abenteuer erlebt. Nachdem der Stab der Wahrheit ins rollenspielorientierte Setting einlud, dürfen wir im neuen Teil das Superheldengenre richtig auseinandernehmen.
Im Fokus steht dabei Cartmans Bestreben ein eigenes Superhelden-Franchise lukrativ zu machen – das schließt selbstverständlich eigene Kinofilme, TV-Serien sowie Merchandise ein. Selbst Cartman ist sich dabei bewusst, dass ein solches Unterfangen durch Geld finanziert werden muss, weshalb er „Coon and Friends“ zusammenruft, um eine vermisste Katze samt 100 Dollar Finderlohn einzustreichen. Analog zu Stab der Wahrheit sind die Kinder von South Park weiterhin gespalten, denn die Freedom Pals, angeführt von Professor Timothy, stehen ebenfalls nicht still. Ohne zu viel Inhalt vorwegzunehmen, entfacht ein wahrer Civil War, der dem Marvel-Original in keiner Weise nachsteht.
Allein dieses Civil-War-Setting signalisiert beeindruckend auf welch lustige Art und Weise das gesamte Superheldengenre samt deren Verfilmungen auf die Schippe genommen wird. Wir mussten herzlich lachen, als Cartman bereits in den ersten 30 Spielminuten seinen Franchise-Plan samt 40 Film- und Serienprojekten in drei Phasen präsentierte – Marvel lässt an dieser Stelle grüßen. Andererseits kommen auch aktuelle Serienfans auf ihre Kosten, denn Teile des neuesten Ablegers schließen nahtlos an die Inhalte der kürzlich veröffentlichten Folge „Franchise Prequel“ der neuen Staffel an, die auch im deutschen Fernsehen (mit deutschen Untertiteln) ausgestrahlt wurde.
Subtiler Humor mit deutschen Stimmen
Wie nicht anders zu erwarten, geizt Rektakuläre Zerreißprobe nicht mit typisch schwarzem Humor, wie wir ihn auch aus dem Serienoriginal kennen. Über den Fäkalhumor wollen wir nicht einmal so viele Worte verlieren, denn es war viel mehr der subtile Humor, der uns über weite Strecken des Titels herzlich unterhalten hat. Um ein Beispiel (samt kleiner Spoilerwarnung) zu nennen: Wenn ein betrunkener, in Unterhose bekleideter Randy Marsh (Bossgegner!) mit Captain Diabetes, einem Viertklässler, kämpft, weil er von diesem seine Autoschlüssel zurückhaben will, so fragt man sich nicht selten, was mit den Charakteren nicht ganz richtig ist. Wobei richtig wundern tut es uns auch nicht – eine ganz seltsame Mischung.
Was im direkten Vergleich zum Vorgänger jedoch auffällt, ist, dass altbekannte South-Park-Elemente nicht so aufwendig in Missionen integriert wurden. Ohne Zweifel bieten uns alle Areale altbekannte Dinge zum Entdecken, doch dass diese Elemente wirklich Hauptbestandteil einer (Neben-)Mission sind, kommt unterm Strich doch deutlich seltener vor. Epische Boss-Fights wie gegen Schweinebärmann sind rar und wurden signifikant öfters durch neue Charaktere oder weniger bekannte Figuren ersetzt.
Richtiger South-Park-Flair entsteht hingegen wieder, wenn deutsche Gamer auf die bekannten Stimmen der deutschen Synchronisation zurückgreifen. Was ohne Zweifel ein dicker Pluspunkt ist, wird durch wahrgenommene Soundfehler leider wieder zur Nichte gemacht. An manchen Stellen wirken aufgenommene Sätze abgehackt und erzeugen so kein flüssiges Dialoggefühl. Dass sich beim Inhalt der Dialoge Mühe gegeben wurde, wird hingegen wieder deutlich. Selbst nach einigen Stunden Spielzeit fallen unterm Strich selten Sprüche, die bereits unzählige Male gefallen sind, denn seien wir ehrlich: Es gibt nichts schlimmeres als den gleichen Satz immer und immer wieder hören zu müssen. Stattdessen interagieren die einzelnen Charaktere wirklich gut miteinander und versprühen auch auf diesem Wege wunderbaren South-Park-Flair.
Stadterkundungen mit Easter-Egg-Potenzial
Analog zum Stab der Wahrheit dürfen wir uns als Neuling in ganz South Park frei bewegen, wobei sich die Karte kaum bis gar nicht geändert hat. Neben der Möglichkeit mit allen Bewohnern der Stadt zu interagieren und Selfies mit ihnen zu sammeln, bietet die Stadt allerlei kleine Rätsel und Nebenmissionen, die nicht nur ein bisschen Grips, sondern auch Ausdauer von uns verlangen.
Klar sein sollte im Vorfeld, dass es sich bei Rektakuläre Zerreißprobe um keinen Rätseltitel handelt – in den meisten Fällen sind Hindernisse schnell überwunden und wirklich selten haben wir ein Rätsel erst einmal ausgelassen, um uns später daran die Zähne auszubeißen. Weiterhin nett ist das Feature, dass uns das Spiel mitteilt, wenn wir bestimmte Rätsel mit den aktuellen Fähigkeiten noch nicht lösen können.
Ansonsten bleibt alles wie gehabt: Wer nur an der Geschichte rund um das Superhelden-Franchise interessiert ist, wird mit den Hauptmissionen wunderbar klarkommen. Richtige South-Park-Fans haben im Rahmen der Nebenmissionen hingegen die Möglichkeit wirklich coole Easter-Eggs zu entdecken, die die eine oder andere Erinnerung an eine alte Folge zurückholen. -Genau diese Mischung, die einerseits Neulinge aber auch Hardcore-Fans anspricht, stellt auch für diese Fortsetzung einen starken Pluspunkt dar.
Taktische Superheldenkämpfe mit rudimentären RPG-Elementen
Wie auch bei Stab der Wahrheit zieht ihr gemeinsam mit euren Superheldenfreunden innerhalb eines rundenbasierten Kampfsystems in die Schlacht. Im Direktvergleich zum Vorgänger wirkt das System aber insgesamt viel ausgereifter und komplexer. Das fängt schon mit der Tatsache an, dass wir als Neuling eine Klasse wählen und im späteren Verlauf die Möglichkeit haben, neue Klassen zu erwerben und diese nach Belieben zu kombinieren.
Der Kampf selbst präsentiert sich dann als wahre Herausforderung und taktisches Feuerwerk. Angriffe und Positionsstellungen müssen mit großer Voraussicht geplant werden – besonders im Rahmen von schweren Angriffen, die eine Runde Vorbereitungszeit brauchen, muss stets weise durchdacht werden, ob ein Angriff wirklich sinnvoll ist oder eine ausgesetzte Runde möglicherweise doch sinnvoller wäre. Was in der ersten Hälfte des Titels noch nicht derart wichtig ist, gewinnt mit stärker werdenden Gegnern immer mehr an Bedeutung – besonders wenn Rektakuläre Zerreißprobe auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad gezockt wird.
Die restlichen RPG-Elementen beschränken sich dagegen auf ein rudimentäres Minimum. Gearbeitet wird mit sogenannten Artefakten, die eure Machtpunktzahl und somit eure Kampffertigkeit beeinflussen. Von tatsächlichen Ausrüstungsgegenständen mit damit verbundenen Werten wurde sich komplett distanziert und auch neue Kostüme bringen einzig und allein optische Veränderungen mit sich. Das Crafting wird eigentlich nur benutzt, wenn es wirklich sein muss und auch anderweitige RPG-Elementen werden nur grob eingeführt. Man merkt insgesamt, dass der Fokus auf das Storytelling beziehungsweise die Aufmachung des Superhelden-Franchises selbst gelegt wurde. Wir persönlich haben aber auch zu keinem Zeitpunkt das Gefühl gehabt, dass Rektakuläre Zerreißprobe ein Hardcore-RPG-Titel sein möchte.
Technische Darbietung (und Probleme)
Mit Minimalforderungen eines Intel Core i5 2400 beziehungsweise eines AMD FX 4320 Prozessors sowie sechs Gigabyte Arbeitsspeicher kommen selbst Besitzer eines schwächeren PCs in den Genuss dieses Titels und müssen dabei eigentlich nichts nennenswertes missen. Die visuelle Darbietung wurde eins zu eins von der Originalserie adaptiert und auch die Soundqualität ist – abgesehen von den bereits erwähnten Synchronisationsproblemen der deutschen Sprache – wirklich gut.
Negativ aufgefallen ist uns jedoch, dass wir uns während der Testphase mit einigen Bugs herumschlagen mussten. Zwar konnten diese in den meisten Fällen mit einem simplen Neustart behoben werde, doch über Spielstunden hinweg hat sich die Anzahl solcher Fälle gehäuft. In manchen Fällen streikte beispielsweise das Laden der Karte (und somit der Möglichkeit weiterzugehen), in anderen Fällen scheiterte der Titel beim Schießen von Selfies daran Coonstagram zu starten und ließ uns hilflos mit einem grinsenden South-Park-Charakter zurück. Keine weltbewegenden Fehler, aber hier und da hat der Titel mit Schwächen zu kämpfen, die nach derart vielen Verschiebungen eigentlich nicht mehr hätten auftreten dürfen. Dieses Fazit wird unter anderem noch von der Tatsache untermauert, dass selbst deutsche Untertitel teils grobe Tippfehler haben – schade!