In unserem Test zu Spider-Man: Miles Morales haben wir uns der Frage gewidmet, ob der kommende PS5-Launchtitel inhaltlich zu überzeugen weiß. Abseits dessen möchten wir jedoch ein Problem diskutieren, das in einem solchen Test nichts verloren hat und deswegen extra Raum bekommen sollte.
Das Problem: Wir haben Miles Morales komplett durchgezockt
Als Spielejournalisten bekommen wir regelmäßig die Möglichkeit Spiele noch vor Release zu zocken, um euch pünktlich vor Release unseren Test präsentieren zu können, in dem wir möglichst objektiv bewerten, ob wir eine Kaufempfehlung aussprechen können oder nicht. Bei der Masse der Spiele und der Länge solcher Titel schaffen es Spieletester nur in den seltensten Fällen das Spiel komplett durchzuspielen. Denken wir nur an Extremfälle wie Assassin’s Creed Odyssey zurück, das einem Spieler über 100 Stunden abverlangt, bis tatsächlich 100 Prozent Spielfortschritt erreicht werden.
An dieser Stelle wollen wir keine Diskussion darüber führen, welchen Umfang Videospiele heutzutage haben sollten. Im Endeffekt ist es egal, ob ein Spiel 50 oder 100 Stunden veranschlagt, sofern das Gameplay überzeugt. Das Problem an dieser Stelle ist, dass Miles Morales ins andere Extrem ausschlägt: Spieler werden rund 10 Stunden benötigen, um 100% Gesamtfortschritt zu erreichen. 26 Stunden nach Abschluss unseres Downloads bzw. nach 10 Stunden Spielzeit waren wir komplett durch – und ja, wir haben geschlafen.
Zur Erinnerung: Miles Morales lässt sich aktuell noch für 60 Euro bei MediaMarkt, Saturn und Amazon vorbestellen. Es ist ein Vollpreistitel. Miles Morales reiht sich in ein Segment neben Titeln wie Assassin’s Creed: Valhalla und Cyberpunk 2077 ein. Die Spieldauer sollte nie ein reines Kriterium für die Qualität eines Spieles sein, sofern das Gesamtpaket stimmt. In unserem Test zu Miles Morales zeigen wir aber auch auf, dass der große Quantensprung ausbleibt und das Preisleistungsverhältnis in diesem Fall somit ad absurdum geführt wird.
Wirre Diskussionen nach Ankündigung
Es passt zu diesen extrem wirren Diskussionen, die nach der Ankündigung geführt wurden. Ja, was ist Miles Morales denn nun? Nur eine Erweiterung? Ist es jetzt ein Vollpreistitel? So richtig mit der Sprache herausrücken wollte niemand. Auf TheVerge ist ein Statement von Insomniac Games nachzulesen, das wir euch direkt auf Deutsch übersetzt haben:
„Wir wissen, dass viele von euch wissen wollen, wie groß dieses Spiel ist. Unser Team bei Insomniac hat unglaublich hart daran gearbeitet, euch ein fantastisches Miles Morales-Abenteuer zu bieten, seit wir die Entwicklung von Marvel’s Spider-Man abgeschlossen haben. Mit Miles erlebt ihr einen ganzen Handlungsbogen, der eher einem Spiel wie Uncharted: The Lost Legacy ähnelt, was den Gesamtumfang betrifft. Marvel’s Spider-Man: Miles Morales ist eine wichtige, von Herzen kommende, emotionale und wesentliche Erfahrung für die Erweiterung des Marvel’s Spider-Man-Universums. Und wir hoffen, dass dies auch für euch so sein wird.“
Die Spielzeit von Uncharted: Lost Legacy wird auf selbiger Seite mit einer Wert von 7-10 Stunden beziffert, was sich auch mit unserer Spielerfahrung deckt. Vollkommen vernachlässigt wurde jedoch die Tatsache, dass „Uncharted: Lost Legacy“ einen offiziellen Verkaufspreis von 39,99 US-Dollar hatte. Das sind 66,66 Prozent des Preises, der nun für Miles Morales abgerufen wird.
Wie teuer darf ein Spin-off sein?
Dieses Problem ist überraschenderweise wegen Konkurrent EA transparent geworden. Erst kürzlich veröffentlichte das Unternehmen Star Wars: Squadrons auf diversen Plattformen. Zur Überraschung vieler bezifferte das Unternehmen den Titel mit 39,99 US-Dollar, also einem Preis, der deutlich unter dem typischen Standardpreis von 59,99 US-Dollar liegt. Es ist ein Phänomen, bei dem der Publisher anerkennt, dass der Titel einfach nicht dem Umfang eines Vollpreistitels entspricht und dementsprechend auch einen geringeren Verkaufspreis abrufen sollte. In der Regel wissen die Spieler das dann auch zu schätzen: In unserem Test zu Star Wars: Squadrons machen wir zwar deutlich, dass bei der Auswahl von Modi hier und da Abstriche gemacht wurden, setzen dies dann aber auch ins Verhältnis.
Die Frage, die sich an dieser Stelle stellt, ist, wie teuer ein solches Spin-off sein darf? Muss ein Titel mit geringerem Umfang zwangsweise weniger kosten? Die Antwort ist schlichtweg: Nein. Nein unter der Voraussetzung, dass in diesem verringerten Umfang genug Wert verpackt wird, der einen solchen Verkaufspreis rechtfertigt. Eine wirklich mitreißende Story mit neuen, innovativen Gameplay-Elementen können auch in einem 10-Stunden-Titel verpackt sein. In diesem Fall besteht beim Konsumenten aber auch die Erwartungshaltung, dass ein richtiger Hammer abgeliefert wird.
Der Problemfall Miles Morales
Genau dieser Hammer wird bei Miles Morales schlichtweg um Meilen verpasst. In unserem Test thematisieren wir, dass Sony und Insomniac Games hinsichtlich der visuellen Darstellung brillant abgeliefert haben. Zufällig genau dann, wenn der Release der PlayStation 5 ansteht und die Köpfe wissen, dass sich alle diesen Launch-Titel zulegen werden. Gleichzeitig wissen aber auch genau jene Personen, dass abseits der Story und Grafik der große Sprung ausbleibt – was übrigens absolut verständlich ist, wenn das brandneue Erlebnis für ein potenzielles Spider-Man 2 aufgehoben wird.
Umgekehrt führte das bei uns während des Tests kontinuierlich zum Gedanken, dass wir uns verdammt betrogen gefühlt hätten, wenn wir den Vollpreis für Miles Morales bezahlt hätten. Mit einem Verkaufspreis von 60 Euro reiht sich der Titel willentlich zu anderen AAA-Titeln ein und behaupten von sich, einen vergleichbaren Wert für den Konsumenten zu liefern wie andere Titel des gleichen Preissegments. Übrigens kostet Miles Morales somit exakt so viel wie Spider-Man damals zum Release – gleichbleibender Preis bei einem Statement von Jason Schreiner, der zugibt, dass Miles Morales ungefähr die Hälfte des Umfangs von Spider-Man besitzt.