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Splinter Cell: Blacklist: Aus dem Schatten getreten

Blacklist kombiniert alte Stärken mit neuen Ideen und spielt sich angenehm flott und vielfältig. Serien-Veteranen dürfen dank unzähliger technischer Gadgets aus dem Schatten heraus zuschlagen, Neulinge werden durch ein niedriges Frustpotenzial motiviert und langsam an das Leben eines waschechten NSA-Agenten herangeführt. Wer nicht alleine schleichen möchte, kann gemeinsam mit einem Kollegen auf die Jagd nach Terroristen gehen.

Die Welt steht mal wieder kurz vor dem totalen Chaos. Terroristen mit dem selbst vergebenen Namen ‘The Engineers‘ verüben eine Serie verheerender Angriffe auf bestimmte amerikanische Standorte. Als Auftakt dient ein Anschlag auf die Andersen Airforce Base auf der Insel Guam. Ziel der terroristischen Vereinigung, die sich aus Mitgliedern verschiedener östlicher Staaten zusammensetzt? Nichts Geringeres als die Vernichtung der Vereinigten Staaten.

Klar, dass man sich dies auf amerikanischer Seite nicht einfach so gefallen lässt und kurzerhand die für solche Fälle am besten geeignete Person ins Rennen schickt. Die Rede ist selbstverständlich von NSA-Agent, Konfliktbeseitiger und Leisetreter in spe Sam Fisher. Um die sogenannte Blacklist aufzuhalten und herauszufinden, wer für die Anschläge verantwortlich ist, bereisen wir, mit allerhand technischem Schnickschnack ausgestattet, den halben Erdball und würgen, schießen und schleichen uns durch abwechslungsreiche Level mit zahlreichen Möglichkeiten unsere Missionen auf unsere Art und Weise zu beenden. Splinter Cell-Veteranen der aller ersten Stunde dürfen sich nach dem eher actionlastigen Conviction endlich wieder ihre Leisetreter überstreifen und mit Sam nervenaufreibende Missionen bestehen. Spieler, die es gerne lauter und schneller haben, kommen ebenfalls auf ihre Kosten.

Mucksmäuschenstill aus dem Schatten der Nacht zuschlagen, ohne dass es der Kollege dort drüben mitbekommt. Gegner per Hightech-Spielzeug ablenken, ungesehen in das Gebäude vor uns eindringen, die Zielperson erledigen und wieder lautlos entkommen. Sich wie ein Geist am Fenstersims vorbeischleichen und den eigenen Herzschlag spüren, wenn sich der freundliche Terrorist von nebenan in letzter Sekunde wieder in die andere Richtung dreht und von seinem Schicksal noch nichts ahnt.

Es sind solche Momente, die die Splinter-Cell-Serie ihrerzeit groß gemacht haben. Besonders heutzutage gibt es immer weniger solche Titel, da ‘langweilige‘ Schleichpassagen oft lieber durch Action-Sequenzen ersetzt werden. Schließlich verkaufen sich gewaltige Explosionen und adrenalingetränkte Gefechte einfach besser – man schaue nur einmal auf die Call-of-Duty-Reihe. Dies dachte sich wohl auch Ubisoft bei dem vorherigen Agenten-Ableger, der den Fokus deutlich mehr auf Action legte. Serien-Fans hingegen verteufelten den viel zu simplen Schwierigkeitsgrad und erinnerten sich wehmütig zurück an vorherige Splinter-Cell-Titel.

Mit Splinter Cell: Blacklist scheint Ubisoft nun wieder ein Einsehen gehabt zu haben und stillt die Gier der Spieler nach langen und kniffligen Schleichpassagen. Wer allerdings lieber etwas offensiver vorgeht, der kann dies genauso tun. Mit allerhand verschiedener technischer Gadgets und clever designter Schauplätze bietet Blacklist unzählige Möglichkeiten, eine Mission zu beenden.

Bereits nach den ersten Schritten im Spiel fühlen wir uns heimisch, denn an der grundlegenden Splinter-Cell-Mechanik hat sich nicht viel verändert. Wir bewegen uns noch immer schnell und leise von Deckung zu Deckung und lauern gegnerischen Soldaten auf. Gut funktioniert der automatische Lauf von Deckung zu Deckung, den es zwar schon in dem Vorgänger Conviction gab, der die Missionen allerdings deutlich angenehmer gestaltet. Wer mag, kann natürlich auch auf die altmodische Art und Weise Deckungen manuell ansteuern. Allerdings kann der gute Herr Fisher noch deutlich mehr als nur von Deckung zu Deckung hechten.

Ähnlich wie in Assassin’s Creed dürfen wir hin und wieder Felsvorsprünge emporkraxeln, uns von Fenster zu Fenster hangeln oder ganze Häuserwände erklimmen. Zwar dürfen wir nicht jedes Gebäude in Sichtweite hinauf klettern und machen dabei auch längst nicht eine so gute Figur, wie unsere Assassinen-Kollegen, einen spielerischen Nutzen hat die Kletterei aber in jedem Fall. Ob völlig unbemerkt von Raum zu Raum zu gelangen, Gegner mit einem breiten Grinsen erst anzulocken und anschließend mit einem beherzten Wurf auf die angrenzende Straße zu befördern oder einzelne Terroristen per Takedown aus dem Hinterhalt auszuschalten – wir haben die Qual der Wahl.

Moderne Kriegsführung

Wer hingegen ungern handgreiflich wird und lieber die Technik für sich arbeiten lässt, bedient sich einfach der üppigen Agenten-Ausrüstung, die keine Fragen offen lässt und für jegliche Situation etwas Passendes bereithält.
Neben den obligatorischen tödlichen Waffen (Gewehr, Pistole) oder weniger tödlichen (Betäubungspistole) dürfen wir uns entscheiden, ob wir unsere Gegner mittels tödlichem oder nicht tödlichem Nahkampfangriff ruhigstellen. Per übersichtlichem Kreismenü wechseln wir bequem je nach Situation und Erfordernis unsere Herangehensweise. Wer sich verpflichtet sieht, ähnlich wie Batman, niemanden umzubringen, der knockt seinen Gegenüber nur vorübergehend aus. Als waschechter NSA-Agent können wir uns darüber hinaus aber auch recht nützlicher Hilfsmittel bedienen.

So werden sich Veteranen wahrscheinlich gerne an die gute, alte Haftkamera erinnern, mit deren Hilfe wir nicht nur erstklassig unsere Feinde ausspionieren können, sondern per Schlafgas auch wunderbar und gefahrlos ins Land der Träume befördern. Mithilfe von EMP-Granaten schalten wir nervige Lichtquellen aus, um Sams Sichtbarkeit, die durch ein Licht auf seinem Rücken angezeigt wird, zu verringern und Nutzen von unserem treuen Nachtsichtvisier zu machen. Welche Ausrüstung wir innerhalb der insgesamt 13 Missionen mit uns führenm ist dabei uns überlassen und hängt von der eigenen Spielweise ab. So dürfen wir vor jeder Mission unsere individuelle Ausrüstung auswählen und für Geld, das wir bei erfolgreichem Abschluss eines Auftrages erhalten, neue Gegenstände erwerben oder bereits vorhandene weiter aufrüsten. So erweitern wir beispielsweise unser Nachtsichtgerät durch ein zusätzliches Sonar sowie eine Wärmebildsicht.

Haben wir genug Stealth-Takedowns erreicht und damit unsere Anzeige gefüllt, dürfen wir dank der bekannten praktischen Mark & Excute-Funktion gleich mehrere markierte Gegner per Knopfdruck ausschalten. Allerdings sollten wir dabei darauf achten, dass unsere Gegner keine Helme tragen. Genauso uneffektiv ist übrigens der Angriff mittels Elektroschockpistole auf Terroristen mit Helm. Der Kollege schaute uns daraufhin nur kurz griesgrämig an, bis er dann das Feuer eröffnete. Selbst Spieler mit einer eher offensiveren Spielweise sollten übrigens den direkten Schusswechsel vermeiden. Schon auf dem untersten Schwierigkeitsgrad schluckt Sam nur sehr wenige Kugeln, ehe er in die ewigen Agenten-Jagdgründe verschwindet und an den letzten Checkpoint zurückgesetzt wird.

Zum Teil sind die einzelnen Missionen recht knifflig und setzen vor allem in den höheren Schwierigkeitsgraden Durchhaltevermögen und gute Kenntnisse über die lokalen Örtlichkeiten voraus. Besonders wenn mal wieder eine ganze Terroristengruppe den Weg versperrt und partout nicht weiterziehen möchte, sind Improvisationstalent und eine gehörige Packung Frustresistenz gefragt. Gerade auch weil die KI recht clever agiert und uns das Leben verdammt schwer macht. Nicht nur, dass die Kerle sehr treffsicher sind, sie rufen auf mit Freude weitere Verstärkung herbei oder leuchten unsere dunklen und sicher gedachten Verstecke mit ihren Taschenlampen ab. Doch gerade das Ausprobieren verschiedener Vorgehensweisen macht den Reiz der Serie aus und motiviert zum Mehrfachspielen.

Zu Beginn einer jeden Mission befinden wir uns gemeinsam mit unserem Einsatztrupp an Bord der Paladin. Dabei dient die fliegende Kommandozentrale im Grunde als allgemeine Schaltzentrale des gesamten Spiels. Von hier aus wählen wir unsere Missionen beziehungsweise die verschiedenen Multiplayermodi und können per Karte unseren Zielort bestimmen. Zudem spielt sich hier der Großteil der Handlung ab.

Allerdings hat die Paladin auch einen spielerischen Nutzen. So können wir vor einer Mission mit unserer Kollegin Grimm sprechen und unser hart verdientes Geld dazu verwenden, neue Technik zu erwerben, um beispielshalber zusätzliche Waffen zu kaufen, nach Treffern schneller zu heilen oder per nützlichem Radarbildschirm die Positionen unserer Gegner zu verfolgen.

Wie bei Conviction dürfen wir uns auch in Blacklist gemeinsam mit einem Kollegen in Koop-Missionen werfen, die zumeist einen Nebenstrang der Haupthandlung  verfolgen, meist allerdings auch alleine funktionieren. Einige dieser Missionen müssen jedoch als Team bewältigt werden. Wer alleine vorstürmt, endet höchstwahrscheinlich bereits an der nächsten Ecke und muss auf die Wiederbelebungsqualitäten des Partners hoffen.

Zurück ins Dunkle

Splinter Cell: Blacklist sieht nicht hässlich aus, besonders die Licht- und Schatteneffekte in den zumeist bei Nacht spielenden Missionen können sich durchaus sehen lassen und sorgen gemeinsam mit der guten Soundkulisse für eine dichte Agenten-Atmosphäre. Bei Tag werden allerdings die Schwächen der nicht mehr ganz taufrischen Grafik-Engine deutlich. Besonders verwaschene Texturen und Farben lassen unweigerlich das Bedürfnis aufkommen, mit Sam lieber wieder in den Schutz der Dunkelheit zurück zu schleichen. Am auffälligsten werden die Schwächen der Grafik in den sehr gut inszenierten Zwischensequenzen deutlich.

Trotz aufwendigem Motion-Capture-Verfahren wirken die Gesichter emotionslos und erinnern eher an Puppen. Freunde der Splinter-Cell-Serie werden trotz einiger kleinerer technischer Mängel dank spannender und knackiger Schleichmissionen voll auf ihre Kosten kommen.

Patrik Hasberg

Schreiberling, Spieleentdecker, praktizierender Perfektionist und Mann fürs Grobe. Außerdem laufender Freizeit-Hobbit, der Katzen liebt. – Hunde gehen auch. „Auch sonst eigentlich ganz ok“.
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