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State of Decay: The Walking Dead trifft auf GTA

Es ist das Zeitalter der Zombies, anders kann man es kaum mehr in Worte fassen. Egal wohin man sieht: Die schlurfenden Untoten sind nahezu in jedem Bereich vertreten. Spätestens mit dem Erfolg von The Walking Dead haben Zombies ihren Einzug in die Popkultur gehalten. Was früher gerade mal für einen trashigen B-Movie reichte, ist heute essenzieller Bestandteil unseres Unterhaltungsprogramms. Mit State of Decay schickte Entwickler Undead Labs einen Open-World-Titel auf die Xbox 360, der sich, dank eines reifen Konzepts, bereits zum Start im Juni diesen Jahres über 500.000 mal verkaufte. Die Mischung aus Zombie-Survival und GTA erhielt durchweg positive Kritiken und erschien am 20. September in Form einer Early-Access-Version endlich für den PC. Wir haben uns die Fassung für den Rechenknecht geschnappt und für euch ins Testlabor geschickt.

Vom Angelausflug zur Zombie-Apokalypse

Es hätte so schön werden können, dieses Wochenende weit weg vom Trubel der Stadt. Dies denkt sich auch Marcus, die erste Hauptfigur des Open-World-Survival-Games State of Decay. Zusammen mit seinem Kumpel Ed ist dieser gerade auf einem Angelausflug in den Wäldern der USA, als um sie herum plötzlich die Welt zusammenbricht. Zombies tauchen überall auf und sehnen sich nach Blut und frischem Fleisch. Nur mit ein paar Schlagwaffen bestückt bahnen wir uns in der Rolle von Marcus den Weg zum nahe gelegenen Forsthaus, wo die Lage nicht wirklich besser zu sein scheint. Irgendwas ist hier im Busch! Daher ist es wohl besser, wenn wir uns erst mal die Umgebung anschauen. Überall Zombies – Mist. Zum Glück aber finden wir hier und da brauchbare Gegenstände wie Essen, Waffen oder Medizin. Damit geht es zurück zum Forsthaus. Allerdings hören wir auf dem Weg dahin Schüsse. Gibt es doch noch weitere Überlebende? Wir trotzen den Zombies und eilen zur Hilfe – in letzter Sekunde. Dabei treffen wir auf Maya, die Verursacherin des Lärms und zweite Hauptfigur des Spiels. Widerwillig verbündet sie sich mit uns und folgt zum Forsthaus. Leider gab es hier wohl einen Angriff der „Freaks“, wie die Zombies bisher genannt werden. Alle Insassen hat es erwischt. Sie sind tot.. so sieht es zumindest aus. Als aber einer von ihnen wieder aufsteht und sich an uns satt essen will, ist die Katze aus dem Sack: Die Zombie-Apokalypse ist wahr geworden. Sichtlich bedrückt ziehen wir von dannen, bewaffnet mit einem Funkgerät, über das wir Kontakt zu weiteren Überlebenden aufnehmen. Sie haben eine Art Festung errichtet und könnten uns helfen.

Glücklicherweise müssen wir den gefährlichen Weg nicht zu Fuß meistern, sondern können ein nahestehendes Auto benutzen. Damit düsen wir zur nächstgelegenen Stadt, überfahren unterwegs etliche Zombies und kommen schließlich in der Kirche an – unserer neuen Heimat. Allerdings ist Ed verletzt und braucht dringend medizinische Versorgung. Diese ist allerdings, so wie fast alles, sehr knapp. Wenn wir uns der Zwangskommune anschließen wollen, müssen wir uns dafür an der Suche nach Essen, Medikamenten, Baumaterial und Benzin beteiligen. Willkommen in unserem neuen Leben, in der Welt von State of Decay!

Jäger und Gejagte!

State of Decay greift exakt die Idee auf, mit der Dean Hall seiner Zeit die erfolgreiche Mod DayZ für Arma 2 veröffentlichte: ein Zombie-Apokalypse-Simulator. Zu unseren Füßen liegt eine verhältnismäßig große Welt, mit drei Städten, viel Landwirtschaft, Wäldern, kleineren Hügeln und befahrbaren Straßen. Da die Zombiepest nahezu alles Leben dahingerafft hat, können wir uns auch frei bedienen. So cruisen wir mit einem geklauten Auto durch die Gegend, brechen in Häuser ein und versuchen so viele Ressourcen wie möglich zu sammeln. Dabei bekommen wir es immer wieder mit den Untoten zu tun, die wir mit ordentlich Waffengewalt zurück ins Grab schicken. Allerdings ist hier schon der erste Haken: Wir sind nicht unsterblich – die ollen Leichen machen sogar ziemlich viel Schaden. Der Gebrauch von Schusswaffen ist meistens eine effektive, aber auch eher schlechte Idee, da diese ziemlich viel Lärm verursachen und damit alle Zombies in der Region auf uns aufmerksam machen. So passiert es schnell, dass wir überrumpelt werden und das virtuelle Leben lassen. Spielstand neu laden? Gibt’s nicht! Wer tot ist, bleibt tot und scheidet aus der Handlung aus – ähnlich wie bei ZombiU. So dauert es nicht lange und unsere unbedarfte Vorgehensweise kostet Maya und Marcus das Leben. Schade. Aber gut, dafür kommen dann halt neue Charaktere ins Spiel, deren Kontrolle wir übernehmen. Praktisch ist, dass wir verlorene Ausrüstung wiederholen können. Schade dabei ist, dass wir sie nicht selbst erhalten, sondern der Heimatbasis zur Verfügung stellen müssen. Dort können wir dann mit sogenannten Einflusspunkten, die wir für das Erfüllen von Missionen erhalten, Waren wie Waffen, Nahrung oder Heilmittel erhalten – für unser Überleben auf der Jagd mehr als nützlich. Auf diese begeben wir uns entweder „Frei nach Schnauze“ oder gehen den Missionen nach, die uns Lilly – die Funkerin und Chefin der Basis – zukommen lässt. Dabei erleben wir auch so etwas wie eine Rahmenhandlung, die zwar trivial, aber hin und wieder interessant ist.

Grundlegend läuft unser Alltag im Spiel so ab: Der Basis fehlt es zum Beispiel an Nahrungsmitteln, also öffnen wir die Karte, auf der wir die Stadt natürlich zuvor inspiziert haben und gucken, wo man diese beschaffen könnte. Dann sorgen wir für ausreichende Ausrüstung, schnappen uns einen Wagen und düsen zum markierten Zielort. Dort brechen wir möglichst leise in das Haus ein, erledigen die dort lebenden Zombies und schnappen schnell die Ressourcen. Dann wieder in den Wagen und alles in die Heimat bringen. Klingt simpel, ist aber sehr gut durchdacht – es kommt nämlich wie immer auf die Feinheiten an. Wenn ihr zum Beispiel zu laut seid – eine Art Sensor zeigt euch den Umkreis an, in dem Zombies euch wahrnehmen können – kann es sein, dass ihr ruckzuck von zwei Dutzend Untoten umringt seid. Das wäre der sichere Tod. Auch das Auto ist eine eher laute und aufmerksamkeitserregende Art der Fortbewegung. Das Spiel rät euch zwar davon ab, wir stellten aber fest, dass ihr mit dem Auto oft besser dran seid, da euch die Untoten zu Fuß früher oder später einholen.

Missionsvielfalt

In State of Decay habt ihr diverse Möglichkeiten, euren Alltag zu bestreiten. Entweder helft ihr dabei die Basis weiter auszubauen, was für den weiteren Spielverlauf sehr wichtig ist, da ihr so eure Autos reparieren könnt, mehr Schlafplätze für Überlebende bietet, eine bessere medizinische Versorgung erhaltet und selbst Waffen und Nahrung herstellen könnt. Für die Ausbauten benötigt ihr Ressourcen, die euch in der Basis angezeigt werden. Das sind quasi die ganz einfachen Jägerjobs. Ihr könnt euch aber auch, wenn ihr auf Action aus seid, um die Infektionsherde in der Gegend kümmern, die immer mal ausbrechen. Dort müsst ihr alle in der Nähe befindlichen Untoten zur Strecke bringen und die überaus nervigen Kreischer bezwingen, deren Schreie (wie der Name schon vermuten lässt) noch mehr Zombies anlocken.

Eine weitere Möglichkeit ist es, nach neuen Verbündeten zu suchen, mit denen ihr euere Lager-Bevölkerung steigert. Dafür könnt ihr euch entweder in der Welt umsehen und andere Überlebende, durch kurze Missionen, davon überzeugen, euch zu unterstützen. Oder ihr fragt eure Funkerin, ob sie – gegen Bezahlung – den Äther nach Freiwilligen absucht. Allerdings hat eure Heimatbasis nicht genügend Platz für alle, weshalb ihr leer stehende Häuser zu Außenposten oder weiteren Heimatbasen umwandeln könnt. Ihr müsst aber auch nicht zwingend alle Menschen von euch überzeugen, sondern könnt euch auch darauf beschränken, mit ihnen Handel zu treiben. Damit erspart ihr euch das Erarbeiten von Ruf.

Zu guter Letzt gibt es dann noch die Story-Missionen, die euch von Lilly gegeben werden. Hier geht es darum, mit anderen Städten und Überlebenden Kontakt herzustellen, ihnen zu helfen oder irgendwo nach dem Rechten zu sehen. Diese Quests führen euch auch automatisch durch die Spielwelt und geben euch immer mal wieder Tipps, wie ihr eure Basis ausbauen könnt. Am Ende jeder Mission gibt es Einfluss – die Währung im Spiel – und Moral-Punkte. Nur wenn die Moral weit oben ist, sind die Leute im Lager gut drauf.

Wenn ihr den Story-Missionen folgt, wird euch auch so was wie eine Handlung des Spiels nähergebracht. Diese ist natürlich weit davon entfernt, mit einem The Last Of Us mitzuhalten, kann aber dennoch an einigen Stellen Spaß machen, zum Beispiel wenn ihr euch fragt, warum sich die Armee eigentlich so komisch verhält und nicht gewillt ist, der armen Bevölkerung zu helfen. Auch lernt ihr so einige interessante Charaktere kennen.

Alleine oder in der Gruppe

Leider gibt es in State of Decay keine Möglichkeit – online oder offline – mit euren Freunden zusammenzuspielen und den Überlebenskampf im CoOp zu genießen, was mehr als schade ist. Dafür bietet euch das Spiel diverse Möglichkeiten, mit verschiedenen Charakteren zu interagieren. Sobald ihr nämlich neue Bewohner für eure Basis gewinnt, könnt ihr sie als spielbare Charaktere benutzen und mit ihnen losziehen. Dies ist auch von Nöten, da nach einer Weile die Erschöpfung einsetzt und daher ein anderer Held auf die Jagd gehen muss. Aber auch hier seid ihr nicht zwangsläufig alleine, sondern könnt euch gegen Einfluss Helfer an die Seite rekrutieren. Gerade im späteren Teil des Spiels ist das mehr als überlebenswichtig. Wichtig ist auch, dass ihr jeden eurer spielbaren Charaktere skillt. Das läuft ähnlich wie bei Ultima direkt durch das Spielen ab. Wenn ihr also eine gewisse Zahl an Nahkampfangriffen ausgeführt habt, steigt euer Level in diesem Bereich. Es ist mehr als praktisch, hier für hohe Werte zu sorgen, damit euer Überleben abgesichert ist. Wenn ein Charakter stirbt, geht dieser Fortschritt leider flöten und kann nicht übertragen werden. Passiert euch das nach vielen Stunden Spielzeit, ist dies gleich doppelt ärgerlich und lässt sogar ein wenig Trauer aufkommen.

Intelligenter Ideenklau

Was bei State of Decay wirklich positiv hervorsticht und den Open-World-Titel nicht nur als DayZ-Klon hinstellt, ist das wirklich durchdachte Gameplay. Es ist, als hätte man viele Eigenschaften aus der Zombie-Mod, GTA und der erfolgreichen The-Walking-Dead-Serie zusammen gerührt und etwas durch und durch Funktionelles erschaffen. Egal ob Autos, die nach mehrfachen Crashs unbrauchbar werden, Krankheiten und Verletzungen, die sich euer Held einfangen kann, das geschickte Verhindern von Geräuschen oder sozialen Entscheidungen in der Basis: Schon nach wenigen Spielstunden merkt man, dass sich hinter State of Decay etwas Gewaltiges verbirgt. So müsst ihr zum Beispiel immer dafür sorgen, dass euer Zuhause vor den Angriffen der Zombies gut geschützt ist. Dafür müssen mehr Bewohner her. Die brauchen aber wiederum Schlafplätze und streiten sich oft untereinander, was ihr schlichten müsst. Ebenso brauchen sie alle 24 Stunden Nahrung, die beschafft werden muss. Um Experten zum Erhalt höherwertiger Ressourcen zu schaffen, muss eine Bibliothek her. Ein Fuhrpark für Autos, die ihr später auch selbst wieder reparieren könnt, ist eine gute Sache für erfolgreiche Missionen. Wollt ihr weniger auffallen? Dann benutzt Waffenaufsätze, zum Beispiel Schalldämpfer. Die Liste könnte noch weiter fortgesetzt werden, aber ihr seht schon: State of Decay ist kein einfaches Zombiespiel, es ist intelligenter Ideenklau für ein großartiges Gesamtergebnis.

Technische Mängel

Genug der lobenden Worte: Zeit für Kritik! Wie wir ja wissen, kommt State of Decay von der Xbox 360, hat daher also keine AAA-Grafik. Allerdings ist das optische Erscheinungsbild noch viel schlechter, als wir es von modernen Xbox-Titeln gewohnt sind. Einige Spieler gehen sogar soweit und bezeichnen die Grafik als aufpolierte PS2-Optik. Leider stimmt das hier und da, da einige Texturen arg verwaschen, die Animationen eher so lala und die Autos alles andere als detailliert sind. Das wird auf dem PC, trotz übertriebener 4k-Auflösung, nicht besser. Grafisch also bestimmt kein Meisterwerk, zumal die Performance im Early-Access streckenweise auch bei neueren PCs dürftig ist. In Sachen Sound erwarten uns auch keine Auswüchse. Alles ist eher schlicht gehalten, teilweise wirken die Geräusche sehr billig und die englische Vertonung ist auch eher lieblos. Was das Gameplay unglaublich aufwertet, macht die Technik leider ziemlich trübe. Wer auf „geile Grafik“ steht, wird hier bestimmt nicht viel Freude haben.

Derzeit ist die PC-Version nur mit einem Xbox-360-Controller oder einen äquivalenten Gerät spielbar. Tastatur- und Maus-Erweiterung wird aber noch folgen.

 

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