Als echte Adventure-Freunde mussten auch wir uns Syberia 3 natürlich ganz genau anschauen. In unserem ausführlichen Test sagen wir euch, warum die Qualitätsunterschiede zwischen Story und Umsetzung uns beinahe um den Verstand gebracht haben und wir bis heute nicht sagen können, ob wir das Spiel nun eigentlich lieben oder abgrundtief hassen.
Es war einmal eine begeisterungsfähige Spieleredakteurin, die als bekennende Adventure-Freundin einen Steam-Code für Syberia 3 zur Verfügung gestellt bekam. Die Vorfreude, sich mal wieder einem längeren Test widmen zu können, wurde nur noch größer, als ihre Kollegen ihr von ihren vielen positiven Erinnerungen an die Vorgänger des Titels berichteten.
Und so begab es sich, dass sie sich, ein kurzes Spiel mit netter Story und einigen Rätseln erwartend, recht zeitnah auf die heimische Couch begab und den Titel startete. Hätte sie allerdings zu diesem Zeitpunkt gewusst, wie viel Nerven sie Syberia 3 noch kosten würde, hätte sie sich wohl ein hochprozentigeres Getränk bereitgestellt als ein schnödes Glas Saft. Doch was ist das für ein Adventure, das unseren jungen Schreiberling zwischen Hass und Liebe schwanken ließ und eine angemessene Wertung zu finden zu einer schier unlösbaren Aufgabe machte?
Kate Walker ist zurück
Aber bevor wir uns in der Schönheit und Grausamkeit dieses Spiels verlieren, beginnen wir diesen Test doch wie es sich gehört: mit einer Vorstellung des Inhalts. Syberia 3 ist für PC, Mac, PlayStation 4 und Xbox One erhältlich und entstand aus der Zusammenarbeit von Autor und Art Director Benoit Sokal und den Entwicklerteams Mikroids und Koalabs. Das Adventure baut auf den Geschehnissen der beiden Vorgänger Syberia und Syberia 2 auf, wobei Vorkenntnisse zum Verständnis des Titels nicht unbedingt nötig sind. Auch in diesem Teil begleiten wir Anwältin Kate Walker, die nach einem Unfall mit schweren Verletzungen von dem Nomadenstamm der Youkol gerettet und in eine nahegelegene Klinik gebracht wird.
Mit Kates Aufwachen aus der Bewusstlosigkeit beginnt das Spiel nun. Anstatt sich aber in Ruhe auf die eigene Gesundheit konzentrieren zu können, wird schnell klar, dass die junge Anwältin sich lieber um ihre Umgebung sorgen sollte. Denn die Ärzte in dieser Klinik sind nicht um die Genesung ihrer Patienten bemüht und halten sie stattdessen in dem Gebäude fest – seit vielen Jahren und mit allen Mitteln. Da wird dann schon einmal Aggression oder Paranoia unterstellt, die einzige Möglichkeit zur Flucht manipuliert oder dem vertrauensseligen Patienten eine schädliche Substanz injiziert. Nächstenliebe? Pah, die eigenen Motive sind wichtiger! Sie sind somit die einzigen Charaktere, die keinerlei Grauzonen aufweisen, sondern die undankbare Rolle der Unsympathen einnehmen und auch visuell mit typischem Bösewicht-Aussehen zu überzeugen wissen.
Wir sind die einzige Rettung in Sicht
Das Zimmer teilen wir mit Kurk, der ebenfalls den Youkol angehört und vom Personal an sein Bett fixiert wurde. Durch den Angriff des Militärs auf seinen Stamm verlor er einen Teil seines Beines und muss nun auf eine Prothese warten. Doch von dieser ist weit und breit keine Spur zu sehen und die Behandlungen scheinen den Jungen sogar noch weiter zu schwächen. Von nun an setzt Kate also alles daran, nicht nur selbst der Klinik zu entkommen, sondern auch Kurk zu retten und ihn nicht den Händen des wenig vertrauenswürdigen Personals zu überlassen. Das ist gar nicht so einfach, denn aus einer Aufgabe erwachsen immer wieder weitere und so kommt sie nur langsam voran.
Doch es geht nicht nur um Kate und Kurk, auch der Stamm der Youkol benötigt dringend Hilfe, sieht er sich doch immer wieder den rassistisch motivierten Anfeindungen der Stadtbewohner ausgesetzt. Ein Volk, das nicht sesshaft werden will, stattdessen auf Geister hört und mit ihren Schneestraußen durch die Welt zieht? Die können ja nichts Gutes im Schilde führen, jawohl! Und überhaupt, wie können sie es wagen, Waren günstiger anzubieten als die hiesigen Bewohner? Diebe, Scharlatane, Abschaum, Gesindel! Hinfort mit ihnen, koste es, was es wolle!
Als wäre es nicht schon schlimm genug, manipulativen Ärzten und einer geifernden Meute entkommen zu müssen, wird Kate zudem von ihrer Vergangenheit verfolgt, die sie endgültig einzuholen droht.
Eine Geschichte mit Potenzial
Jede Menge Stoff also für ein Adventure und genau das ist auch die große Stärke von Syberia 3: die Geschichte. Trotz vieler Probleme, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen, schafft es der Titel, uns viele, viele Stunden bei der Stange zu halten: einfach aus dem Bedürfnis heraus, wissen zu wollen, wie es weiter geht. Einen Teil der Spannung machen natürlich auch die vielen Rätsel aus, die es zu lösen gilt und die glücklicherweise sehr abwechslungsreich und vor allem unterschiedlich schwer und in den Kontext eingebunden sind, also durchaus logisch sind und nicht völlig deplatziert wirken. Meist weiß man als Spieler zumindest grob, was zu tun ist. Frustrierende Passagen, in denen wir ziellos herumirren und Gegenstände suchen oder Kombinationen ausprobieren, gehören der Minderheit an.
Stimmige Atmosphäre
Gespeichert wird automatisch und zu Beginn des Spiels könnt ihr euch zwischen zwei Modi entscheiden, je nachdem ob ihr Tipps und visuelle Hinweise wünscht oder eben nicht. In jedem Fall könnt ihr euch aber auf die stimmige musikalische Untermalung von Komponist Inon Zur freuen, der unter anderem schon bei Fallout 4, Dragon Age, Prince of Persia und Syberia 2 am Soundtrack werkelte. Die Hintergrundmusik ist angenehm atmosphärisch und passt sich den jeweiligen Situationen an. Beinahe immer präsent und doch herrlich unaufdringlich unterstreicht sie das eher rustikale Setting.
Während unserer langen Reise passieren wir verschiedene Orte, die alle detailreich und liebevoll gestaltet wurden. Blätter ranken sich an heruntergekommenen Gebäuden empor, dreckiger Schnee schmilzt in den Straßen vor sich hin und ansprechbare NPCs füllen die Straßen mit Leben. Kate reagiert ab und an auf die Kälte und reibt sich fröstelnd die Oberarme, wenn wir sie zu lange nicht bewegen – ein kleines, aber sehr stimmiges Detail. Wer sich zum Kauf entschließt, darf sich auf verschiedene Städte, Gebäude, einen radioaktiv verseuchten Vergnügungspark, die See, aber auch einen Teil der Unterwasserwelt freuen. Zu wenig Schauplätze oder Abwechslung gibt es in Syberia 3 jedenfalls nicht!
Charaktere, die wir so schnell nicht vergessen werden
Auch die Figuren, die in einigen Fällen tolle, teils verbraucht aussehende Charaktergesichter haben, wissen größtenteils zu überzeugen, sind sie doch liebevoll gestaltet und haben alle irgendeine kleine Eigenschaft, die wiederkehrend und charakteristisch ist. So ist Kate beispielsweise selbstbewusst und bestimmt und die Art starker Führer, die wir uns für ein Spiel gewünscht haben. Gerade dass sie kein typisches Opfer ist und trotzdem im Kontakt mit ihren Widersachern an ihre Grenzen gerät, macht sie so menschlich und authentisch.
Die Youkol, die von den rassistischen Bewohnern drangsalierten Sympathieträger des Spiels, wechseln zwischen der unsrigen Sprache in schlechter Grammatik und der eigenen Sprache hin und her, die wiederum so niedlich klingt, dass sie zum Nachahmen animiert, took took! Die Nomaden sind auch für den einen oder anderen Lacher gut, sei es nun durch ihre Unbedarftheit, ihre Begeisterungsfähigkeit oder auch ihre schrullig-lüsterne Schamanin, die es im Laufe des Spiels auf einen unserer Freunde abgesehen hat.
Allerdings haben die Youkol die Angewohnheit, in fast jeden Satz die Anrede „Kate Walker“ einzubinden, was bei kurzen Gesprächen zwar ganz liebenswert rüberkommen mag, auf die Dauer aber kein charmanter Spleen mehr ist, sondern einfach nur nervt. Zum Glück nehmen die langen Unterhaltungen im Laufe der Geschichte ab und wir können uns ohne innerliches Augenrollen auf das Wesentliche konzentrieren.
Dialogoptionen mit Konsequenzen
Apropos Gespräche: In der Interaktion mit den Charakteren schauen wir nicht einfach nur passiv zu, sondern haben die Wahl, wie wir antworten und uns verhalten. In der Regel gibt es drei Dialogoptionen, aus denen es eine auszuwählen gilt. Unsere Worte haben direkte Konsequenzen, denn ist unser Gegenüber verärgert oder von unseren Absichten nicht überzeugt, verweigert er die Unterstützung und wir müssen alternative Wege finden, um ihn umzustimmen.
Die Dialogoptionen sind zwar definitiv ein Pluspunkt, allerdings noch nicht so ganz ausgereift, denn in der Regel ist es kaum möglich, sich überhaupt die Antwortmöglichkeiten durchzulesen, bevor die Charaktere auch schon losquengeln, dass man gefälligst antworten solle. Der vorwurfsvoll-schnippische Ton und die Penetranz der Wiederholungen sorgten da auf dieser Seite des Bildschirm schon mal für das eine oder andere genervte Stöhnen.
Trotzdem klingt das bisher Geschilderte doch prinzipiell sehr solide, warum also hat Syberia 3 unsere tapfere Redakteurin an den Rand des Wahnsinns getrieben? Ganz einfach: Die Umsetzung des Konzepts ist das Problem, nicht der Inhalt an sich. Und wo sollen wir da nur anfangen?
Die Synchronisation
Ausnahmsweise ist die deutsche Vertonung tatsächlich angenehmer als die englische Alternative, dafür hapert es aber an der Umsetzung: Die Lippensynchronisation ist in der deutschen Sprachausgabe ein Totalausfall. Ton und Bild stimmen nicht annähernd überein und das Ganze wirkt dadurch absolut unprofessionell. Schlimmer noch: Immer wieder verschlucken die Charaktere im Gespräch ganze Wörter oder brechen mitten im Satz ab, sodass wir dem Inhalt oft nur über die Untertitel folgen können. Diese wiederum scheinen auch etwas buggy zu sein, unterscheiden sie sich doch immer mal wieder deutlich von dem Gesagten oder wechseln gar die Sprache. Apropos Sprache: Wer auch immer für die Übersetzung der Trophäen verantwortlich war, sollte sich definitiv nochmal mit den Grundregeln der deutschen Sprache, besonders aber der Groß- und Kleinschreibung, auseinandersetzen, denn kaum eines der zu erreichenden Achievements ist derzeit korrekt geschrieben.
Die Steuerung
Während man über die Vertonung noch hinwegsehen könnte, sollte sonst alles passen, ist die Steuerung eine solche Katastrophe, dass wir sie beinahe als Körperverletzung beschreiben möchten. Auch in der PC-Version wird ein Controller empfohlen, der allerdings zum derzeitigen Zeitpunkt noch keine große Erleichterung verschafft. Mit Maus und Tastatur steuert sich die gute Kate, die wir aus der Third-Person-Perspektive heraus beobachten, aber tatsächlich noch schlimmer.
Zum Einen reagiert die Steuerung zeitverzögert. Die Maus bewegt sich nur schwerfällig und die Protagonistin hat bewegungstechnisch ihren eigenen Kopf. Die Zeitverzögerung ist besonders nett, wenn die Szene wechselt, wir also beispielsweise eine Treppe hochlaufen. Ähnlich wie in Heavy Rain müssten wir nun in die andere Richtung steuern, da die Tastatur aber nicht sofort reagiert, läuft Kate einfach weiter… und damit zurück in die alte Kulisse. Das Spiel wiederholt sich dann auch gerne noch ein paar Mal, bis wir in kleinen Staccato-Schritten auf den Bildschirmrand zutapsen, um endlich weiterspielen zu können.
Oft ist es nötig, die Maus an den Bildschirmrand zu bewegen, damit Kates Blickwinkel sich verändert. Den Blick in Phasen der Ahnungslosigkeit schweifen zu lassen, lohnt sich also. Die Idee ist zwar nett, aufgrund der behäbigen Steuerung aber anstrengend. Besonders nervenaufreibend ist diese bei manchen Rätseln, bei denen wir schnell und präzise handeln müssen, was die Maus aber nicht zulässt. Da kommt es dann schon mal vor, dass wir dem Entwickler bei einem gewissen Eisbrecher-Rätsel wünschen, dass er fortan jeden Tag auf einen besonders fiesen Legostein treten möge…
Intuitive Interaktion statt schnödem Point & Click-Prinzip
Auch anstrengend: Objekte sind nicht jederzeit anklickbar, selbst wenn wir uns in der Nähe befinden. Mal sind wir zu nah dran, mal zu weit weg und müssen dann in Millimeterarbeit den richtigen Abstand finden, damit wir endlich handeln können. Findet die Interaktion mit den Gegenständen dann endlich statt, ist sie wiederum sehr positiv zu bewerten, denn wir interagieren nicht schlicht per Mausklick. Stattdessen müssen wir beispielsweise an Schubladen tatsächlich ziehen, beim Durchsuchen von Kartons erst andere Gegenstände zur Seite schieben und an Kurbeln drehen. Dies verschafft uns nicht nur ein realistischeres Spielgefühl, sondern ist auch eine angenehme Alternative zum oft vertretenden Point & Click-Prinzip. Die intuitive Interaktion mit Objekten ist also definitiv ein Pluspunkt, der aber die bestehenden Probleme nicht wettzumachen vermag.
Bugs, Bugs und noch mehr Bugs
Als wären unsere Nerven nicht schon genug strapaziert, bekommen wir es auch noch mit jeder Menge Bugs zu tun. Da kann Kate auf einmal keine Treppen mehr steigen, weswegen wir nicht mehr voran kommen und das Spiel neu starten müssen oder sie hängt an scheinbar unüberwindbaren Grasbüscheln oder Steinen fest. Damit nicht genug: Der Bildschirm friert immer mal wieder kurz nach einer Interaktion ein und in Cutscenes wimmelt es von abgeschnittenen Köpfen und merkwürdigen Kameraeinstellungen, die so einfach nicht gewollt sein können. Mehrere User berichten zudem von Problemen, das Spiel überhaupt starten oder den gespeicherten Spielstand laden zu können. Kombiniert das mit dem einen oder anderen Ladebildschirm des Todes, ab und an auftretenden Soundfehlern und einem generell offenbar wenig erprobten Gameplay und es ist verständlich, dass Syberia 3 von vielen Spieleredaktionen praktisch in der Luft zerfetzt wurde.
Hin und her gerissen zwischen den Bedürfnis, das Spiel weiterzuspielen, weil es eigentlich wirklich Spaß macht und wir unbedingt wissen wollen, wie es endet und dem Drang, den geliebten Laptop laut schreiend an die Wand zu pfeffern, ist nach 20 Stunden und dem x-ten Freeze dann auch unsere Geduld am Ende: Wir brechen ab und sehen uns die restlichen Szenen bei tapferen Let's Playern auf YouTube an, die das Spiel tatsächlich beenden konnten und so dafür sorgen, dass auch wir die liebgewonnenen Charaktere bis zum Schluss begleiten können.
Verschüttetes Potenzial mit hohem Preis
Story und Charaktere haben zwar theoretisch ein absolutes Erfolgspotenzial, können aber gegen die Steuerung aus der Hölle nicht bestehen. Je weiter das Spiel voran schreitet, desto schlimmer wird es und man muss sich wirklich fragen, ob Syberia 3 vor Release überhaupt auch nur einmal ernsthaft geprüft wurde. Zum derzeitigen Zeitpunkt ist das Spiel so wirklich unspielbar und seine 40 Euro nicht wert.
Microids hat sich bereits zu der Kritik geäußert und arbeitet an einer Verbesserung des Spiels. Der erste Patch erschien bereits, die meisten der von uns bemängelten Probleme bestehen aber derzeit noch. Wir werden die Entwicklung im Auge behalten und geben euch Bescheid, sobald wir ein Licht am verbuggten Horizont sehen.