Das Gesetz der Serie ist bekanntlich absolut unnachgiebig. Auch im Spielesektor schieben die Anbieter einen Nachfolger tendenziell früher als später nach, wenn etwas gerade offenbar im Trend liegt.
Das britische Entwickler-Studio Traveller’s Tales (kurz TT Games) kann davon ein Liedchen trällern. Die Spiele der LEGO-Reihe liefen nämlich (fast) alle extrem gut, egal, ob es darin um Harry Potter, Indiana Jones oder auch um einen der bislang zwei Teile zu „The Lego Movie“ ging. Bis zu drei große Ableger der Reihe erschienen bis 2019 – pro Jahr! Sogar Nintendos schwächelnde WiiU wurde, anders als von quasi allen anderen Third-Party-Herstellern, mit den LEGO-Spielen noch in den meisten Fällen bedient. Die Anzahl an veröffentlichten LEGO-Spielen innerhalb der letzten drei Jahre allerdings belief sich auf exakt null. Wieso? Weshalb? Warum? Das soll an dieser Stelle nicht das Thema sein, wohl aber LEGO Star Wars Die Skywalker Saga, mit dem die lange Seriendurststrecke nun ihr Ende findet. Ob sich die lange Wartezeit gelohnt hat, verrät unser Test.
Von Anakin bis Rey
In „LEGO Star Wars Die Skywalker Saga“ deutet der Name bereits an, dass ihr im Laufe des Abenteuers in die Rollen aller Charaktere schlüpft, die zur Skywalker-Sippe zählen.
Da ihr im Spiel jedoch alle wichtigen Stationen der neun Kinofilme der Kernreihe nacherlebt, also unter anderem am großen Pod-Rennen auf Tatooine teilnehmt, euch mit Darth Maul und Count Dooku messen müsst oder als Luke dem ersten und zweiten Todesstern den Rest gebt, geht das Angebot weit über Anakin, Luke und Rey hinaus. Ihr seid also unter anderem auch mit Prinzessin Leia (wobei die streng genommen auch ein Skywalker ist), Finn, dem abtrünnigen Soldaten der Neuen Ordnung aus der Sequel-Trilogie, Han Solo oder Obi-Wan Kenobi unterwegs.
Wie üblich in der Reihe verfügt jeder von ihnen über spezielle Skills, wobei TT Games diesmal eine Art Klassensystem etabliert. Nur Jedis können entsprechend die Macht nutzen und kämpfen mit einem Lichtschwert. Nur Dolmetscherdroiden wie C-3PO können auch die außergewöhnlichsten Sprachen verstehen wie übersetzen und sich noch dazu als einzige Klasse in zwei Teile zerlegen, sodass ihr Oberkörper und Beine getrennt voneinander bewegen und etwa zur Lösung von Schalterrätseln nutzen könnt.
Dieses Klassensystem ändert jedoch an sich wenig an den gängigen Mechanismen der LEGO-Reihe. Es bleibt also dabei, dass ihr immer wieder mal die besonderen Fertigkeiten verschiedener Alter Egos nutzen müsst, um weiterkommen zu können. Auf Jakku müsst ihr beispielsweise mit Rey zunächst als Schrottsammlerin aktiv werden, ihre Fähigkeiten (unter anderem kann sie an bestimmten Punkten Netze als Kletterhilfe spannen und sich einen Gleitschirm bauen) mit denen von BB-8 kombinieren, um die Aufgabe abschließen zu können.
Spielt ihr solo, wechselt ihr dafür entsprechend per Knopfdruck. Die Fähigkeitenkombi funktioniert aber auch im Koop-Modus mit einer Freundin oder einem Freund. Das klingt alles zunächst alles nach demselben Schema, das die Reihe so erfolgreich gemacht hat. Abseits der unbestreitbaren Parallelen bietet „Die Skywalker Saga“ jedoch auch eine Reihe von Neuerungen sowie kleinen bis mittelgroßen Verbesserungen, die das Spielgefühl zwar nicht radikal verändern, aber unterm Strich deutlich aufwerten.
So etabliert TT Games ein deutlich griffigeres Nahkampfsystem, in dessen Rahmen ihr (je nach Charakter) mit den Fäusten oder dem Lichtschwert Gegner auch mit Aufwärtshaken in die Luft schleudern und im Zuge des simpel gestrickten Kombosystems über dem Boden weiter bearbeitet oder mit charakterspezifischen Finishern den Rest gebt.
Ebenfalls besser fühlt sich der Fernkampf an, bei dem ihr mit Charakteren wie Chewbacca, Lando und etlichen anderen nun auch Trefferzonen gewinnbringend nutzen könnt, um mehr Schaden zu verursachen oder durch das Abschießen von Helmen weitere Schwachpunkte freizulegen.
Zum Einsatz kommt ferner ein Deckungssystem, wobei sich die Spielfiguren automatisch hinter Objekten verschanzen, um selbst schlechter von den Widersachern getroffen zu werden. Da der Anspruch der Kämpfe wie gehabt gering ausfällt und ihr selbst beim kompletten Entleeren eurer TP-Leiste nicht draufgeht, sondern direkt ohne Verlust wiederbelebt werdet, sind Trefferzonen und Deckungsmechanik primär ein atmosphärischer Mehrwert. Aber eben ein gewichtiger, durch den sich „Die Skywalker Saga“ befriedigender und vielfältiger im Kampf zu Fuß anfühlt.
Das gilt aber auch für die Luftschlachten, obgleich diese primär von ihrer effektreichen Präsentation und weniger von ihrem ebenfalls vielseitigen Angebot mit freien Flugsequenzen und eher railartigen Flucht- und Verfolgungsabschnitten profitieren.
Eine Trilogie nach der anderen
Zunächst einmal müsst ihr euch in der „Skywalker Saga“ entscheiden, mit welcher der drei Trilogien ihr beginnen möchtet. Ihr könnt also zwar nicht sofort mit Episode III, VI oder IX einsteigen, müsst aber nicht komplett chronologisch vorgehen. Tatsächlich könnt ihr auch mit Episode IV, also dem Startpunkt der Ur-Trilogie anfangen, dann aber zunächst mit Episode I weitermachen, bevor ihr euch „Das Imperium schlägt zurück“ widmet und sogar mitten in einer Episode auf eine der anderen, bereits freigeschalteten wechseln.
Der Storyfortschritt in jeder Episode wird separat, die im Rahmen der Geschichte erreichten Schauplätze genauso wie alle sonstigen Freischaltungen aber global, also Episoden-übergreifend festgehalten.
Der Ablauf der Storymissionen orientiert sich relativ genau an denen der Filmvorlagen. Es kommt also etwa zum legendären Duell zwischen Luke Skywalker und Darth Vader, in dem der dunkle Ex-Jedi offenbart, dass er Lukes Vater ist. Das Spiel spart jedoch auch Details aus oder schmückt Szenen aus, wo es Sinn ergibt. So liefert ihr euch in der Rolle Lukes unter anderem auch einen Bossfight mit Jabba the Hutt respektive dessen Schoßhündchen, obgleich der grüne Schleimbeutel in der entsprechenden Filmszene von Prinzessin Leia mit einer Kette erwürgt wird.
Auf Hoth steigt ihr in einen Snowspeeder und bringt mit Drahtseilen die AT-ATs zu Fall, zieht aber zuvor mit Han Solo aus und synchronisiert ein paar Antennen, um die Position des vermissten Luke zu eruieren.
Anders gesagt: Überraschungen gibt es keine, wohl aber Abweichungen, durch die man nicht das Gefühl hat, bloß Zeug nachzuspielen, das man aus dem Effeff kennt. Um Leias Zelle auf dem ersten Todesstern zu erreichen, baut ihr zum Beispiel eine Darth Vader-Statue zusammen und platziert sie vor einer Kamera, damit die zuvor deaktivierten Fahrstühle wieder in Betrieb genommen werden. Das funktioniert alles ziemlich gut und profitiert ganz besonders vom serientypischen Humor.
Slapstick at its best
Die „Skywalker Saga“ lebt zweifellos auch von der recht großen Abwechslung, den die Storymissionen mit Kämpfen im Raumschiff, zu Fuß oder auch mit vielen kleineren Rätseln oder Schalterpuzzles bieten. Das Tüpfelchen auf dem i des Unterhaltungswerts bildet neben der stilvollen Präsentation, der (auch auf Deutsch) guten Sprachausgabe und der Musik von Meisterkomponist John Williams der Humor.
An dessen Art ändert sich letztlich sogar am wenigsten. Die unzähligen (beim ersten Durchgang nicht überspringbaren) Cutscenes sind also in erster Linie von Slapstick-Einlagen geprägt, wenn beim imperialen Angriff auf Hoth etwa ein Rebellenoffizier sein Fernglas benutzt, das seine Untergebenen mit Farbe beschmiert haben.
Als R2D2 und C-3PO zu Beginn von Episode IV versuchen, das Rettungsshuttle zu erreichen, finden sie hinter den anderen Türen Sturmtruppler, die im Whirlpool sitzen oder vergnügt unter der Dusche pfeifen. Als die Hand des Imperators dramaturgisch unterstützend im Gespräch mit Kylo Ren zittert, rutscht ihm die LEGO-Klaue zunächst aus dem Arm, bevor er sein düsteres Schauspiel fortsetzen kann. War diese Art des Humor in den früheren LEGO-Spielen schon nicht euer Ding? Dann Hände weg von „Die Skywalker Saga“. Mögt ihr den Humor genauso sehr wie wir, dann werdet ihr wenigstens regelmäßig schmunzeln oder, so wie wir, regelmäßig laut auflachen müssen. Sogar bei Jar Jar Binks, der auch uns in den Filmen vor allem nervte, im neuen LEGO-Spiel aber einen echten Mehrwert darstellt.
Reichhaltiges Universum
Für den Abschluss der einzelnen Episoden benötigt ihr auf dem direkten Weg durch die Storymissionen lediglich rund 90 Minuten im Schnitt. Das klingt zunächst nach wenig, ergibt bei neun Episoden aber bereits gut 14 Stunden, in denen noch dazu praktisch nie Langeweile aufkommt. „Die Skywalker Saga“ bietet jedoch weit mehr als das. Denn jeden über die Episoden freigeschalteten Schauplatz, also Tatooine, Jakku, Dagobah, Endor und etliche mehr, könnt ihr praktisch jederzeit erneut bereisen und frei erkunden. Das geht auch innerhalb des Storymodus, so lange ihr die nächste Handlungsmission nicht manuell gestartet habt, jederzeit aber im bereits früh freigeschalteten Freien Modus.
Auf den einzelnen Planeten und sonstigen Schauplätzen könnt ihr euch dann unzähligen Nebenaufgaben widmen und sogar um Äther der Planeten an optionalen Schlachten teilnehmen oder Asteroiden in ihre Einzelteile zerlegen, um den ein oder anderen Bonusstein abzustauben. Zum Teil sind die Bonusaufgaben generisch gestaltet, wiederholen sich also in Teilen. Ihr findet aber immer wieder auch kreative und einzigartige Rätsel, Challenges in Form eines Schießstandes oder solche, in denen ihr mit der Macht eines Jedi Objekte verschiebt, um die Wasserversorgung der Rebellen wiederherzustellen.
Zudem könnt ihr, neben den in den Hauptmissionen freigespielten Charakteren noch weitere Spielfiguren oder auch Fahrzeuge freischalten, mit denen ihr dann durchs Weltall düst oder einfach nur die riesige potenzielle Sammlung an Raumschiffen, Bodenfahrzeugen und so weiter vervollständigen könnt.
Da steckt wirklich viel Arbeit und Mühe drin, und trotzdem macht TT Games davon nichts zur Pflicht. Ihr mögt das anders sehen, aber wir finden das sehr löblich. Denn zu optionalem Kram möchten wir nicht gezwungen, sondern dazu ermuntert werden, uns freiwillig darum zu kümmern. Und genau das ist möglich, was zumindest unsere Motivation erhöht, noch die ein oder andere Extrastunde zu investieren.
Übrigens, auch wenn es lediglich eine Schätzung unsererseits ist: wer 100 Prozent erreichen will, der kann wahrscheinlich auch 80 oder sogar hundert Stunden in „Skywalker Saga“ verbringen. Nach etwa 20 Stunden war für uns die Luft jedenfalls längst noch nicht raus.