Mit The Banner Saga erschien dieser Tage ein Indie-Titel der besonderen Art: Komplett via Kickstarter finanziert, sehnt sich Entwickler Stoic nach alten Tugenden. Während moderne Rollenspiele wie Skyrim, Dragon Age oder The Witcher auf die volle Portion Freiheit und Action setzen, hat The Banner Saga andere Pläne. Man will nämlich lieber eine tolle Geschichte erzählen und dem Spieler ein interaktives Szenario bieten. Exakt dies gelingt wunderbar und sorgt dafür, dass The Banner Saga bereits jetzt ein Geheimtipp für das noch junge Jahr 2014 ist. Das Rollenspiel soll in drei Teilen erscheinen, ähnlich wie es auch bei The Walking Dead gemacht wird. Der erste Abschnitt erschien am 14. Januar und wir zeigen euch in diesem Artikel nun, was euch in diesem Game alles erwartet.
Tote Götter und ewiger Winter
Ein Wort vorweg: The Banner Saga ist kein Spiel für Action-Fans oder AAA-Fetischisten. Wer auf cineastische Inszenierungen oder Hochgeschwindigkeits-Kämpfe steht, der ist hier gänzlich falsch. Stoic Studios spannen den Bogen anders und es wirkt fast so, als ob man hier eine sehr alte Videospiel-Tradition zurückholen möchte. Aber dazu kommen wir später.
The Banner Saga spielt in einer nordisch angehauchten Fantasy-Welt, in der Menschen und Riesen relativ friedlich zusammenleben. Es gibt nur ein Problem: Die Sonne scheint nicht mehr und es herrscht ewiger Winter. Das Ganze hat auch einen guten Grund: Die Götter sind nämlich gestorben und überließen die Welt ihrem Schicksal. Okay, das ist schon mal ziemlich düster. Als Spieler schlüpfen wir in die Rolle einer Gruppe Riesen, die gerade noch rechtzeitig den Mord an einem König verhindern kann. Dieser will natürlich, dass alle Verräter ausgemerzt werden und so beginnt das erste Glied einer langen Kette von Ereignissen. Die Geschichte von The Banner Saga ist nämlich alles andere als linear und hält einige Überraschungen bereit.
No English, no party!
Allerdings verbirgt sich hier auch schon die erste Reifeprüfung des Spiels. Anstatt euch von einem Ort zum anderen laufen zu lassen, um voreingestellte Sequenzen abzuspielen, läuft das Spiel fast nahezu komplett in Dialogketten ab. Dabei haben wir immer mehrere Antwortmöglichkeiten zur Auswahl und jede einzelne davon verändert den Ablauf der Geschichte. Natürlich nicht immer gleich dramatisch, aber eben doch so, dass wir jeden Satz gründlich überlegen müssen. Nicht gerade leicht macht es dabei der Umstand, dass das Spiel nur auf Englisch verfügbar ist und sich die Entwickler kein Bisschen um Vereinfachung geschert haben. Wer also nur über mittlere Sprachkenntnisse verfügt, muss das eine oder andere Mal ein Wörterbuch zurate ziehen, um alles zu verstehen. Immerhin sind die Dialoge selbst dafür auf das Wesentlichste beschränkt.
Relativ schnell sammeln sich so einige Charaktere (bis zu 25) an, die sich uns, je nach unserer Entscheidung, anschließen und die Reise mit uns zusammen bestreiten. Das ist auch bitter nötig, denn die Kämpfe bei The Banner Saga laufen im klassischen rundenbasierten Stil ab. Mit bis zu sechs Figuren können wir dabei in die Schlacht ziehen, die wir alle einzeln steuern müssen – natürlich schön geordnet nacheinander. Dabei kommt auch keine Eile auf. Das System ist recht einfach gehalten und wird zu Beginn ausgiebig erklärt. Zusätzlich können wir unsere Helden noch verbessern und ihre Fähigkeiten anpassen. Ganz wie in einem Rollenspiel eben. Die Charaktere unterteilen sich in sieben Klassen, besitzen verschiedene Fähigkeiten und müssen strategisch korrekt eingesetzt werden.
The Banner Saga: Wenns mal wieder länger dauert!
Generell benötigt man für The Banner Saga viel Zeit. Die Handlung, die komplett innerhalb der Dialoge erzählt wird, kommt nämlich relativ schleppend voran. Ständig müssen wir Entscheidungen treffen, und wenn wir nicht aufpassen, rafft es schnell mal einen unserer Helden dahin. Ohne Rückfahrschein! Die Geschichte passt sich einfach den Gegebenheiten an, egal wie sehr unsere Kinnlade auch den Teppich streichelt. Da kann es mal eben passieren, dass wir unseren Lieblingshelden geradewegs ins Verderben schicken. Allerdings ist genau diese Tatsache einer der Punkte, die dieses Spiel ausmachen. Die Erzählung erfolgt in mehreren Kapiteln, beginnend mit den schon genannten Riesen. Zeitgleich macht sich am anderen Ende der Spielwelt eine Gruppe Menschen in ihr eigenes Abenteuer auf. Von Kapitel zu Kapitel springen wir immer hin und her, bis sich ihre Wege schließlich kreuzen.
Die Handlung von The Banner Saga ist dabei ganz klassische Fantasy-Kost und damit meinen wir wirklich klassisch. Alleine die Animationen, die wirklich sehr gelungen sind, erinnern an Zeichentrickfilme aus den frühen 80er-Jahren. Die Verschmelzung von Zwischensequenzen und Spiel ist den Entwicklern nahezu nahtlos gelungen. Damit zeigt sich aber auch, dass The Banner Saga eben nur für Fans dieser traditionellen Fantasy-Erzählungen gedacht ist. Wer auf CGI-Sex-Appeal steht, wird nicht nur nicht bedient, sondern rücklings aus der Kneipe geschmissen. Die aufwendigen Hintergründe und Figuren sind dabei natürlich handgezeichnet, was das optische Erlebnis abrundet.
Einfache Bedienung mit schweren Folgen
Viel Freiraum haben wir dabei leider trotzdem nicht. Eigentlich verbringen wir die meiste Zeit damit die einzelnen Dialoge der Hanlungsorte durchzuklicken, an den Strategie-Kämpfen zu knobeln, unserer Meute beim automatischen Wandern zuzugucken und bei immer wieder auftretenden Ereignissen alles zu verstehen, um die für uns richtige Entscheidung treffen zu können. Das hat schon etwas von einem typischen Text-Adventure, so nach dem Motto: "Ihr steht vor einer großen Tür und habt drei Möglichkeiten". So wirklich etwas falsch machen kann man dabei nicht, nur bestraft uns das Spiel schnell, indem sich die Handlung in eine Richtung entwickelt, die wir so nicht vorgesehen haben und unsere Helden Charakterzüge annehmen, die uns überhaupt nicht gefallen. Spielerisch gesehen ist das natürlich keine absolute Neuerung, es passt aber dennoch wunderbar in dieses Konzept und wertet das Spiel auf. Wer hier keine Lust auf „Texte lesen“ hat, der kann ebenfalls sein Geld in der Tasche lassen. Es hat schon was von einer Konzentrationsprobe, wenn jeder Dialog mit Adleraugen begutachtet werden muss, damit wir die für uns richtige Wahl treffen.
Wie bereits erwähnt, gibt es derzeit keine deutsche Sprachausgabe oder Lokalisierung. Zwar schließen die Entwickler dies nicht gänzlich aus, wer aber gleich in den Genuss von The Banner Saga kommen will, der muss eben mit dem Umstand des Englischen leben. Dafür ist diese Sprachvariante aber gelungen, vor allem in der Vertonung. Alle Sprecher machen einen super Job und schaffen damit eine grandiose Atmosphäre. Auch der Soundtrack passt sehr gut ins Bild. Finanziert wurde The Banner Saga übrigens via Kickstarter. Satte 700.000 US-Dollar kamen für das Spiel zusammen. Die Investition hat sich auch mehr als gelohnt. Schon vor seinem Release gehörte das Game in Fankreisen zu einem der heiß erwarteten Titel für Anfang 2014.