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Mit dem Teenie-Slasher „Until Dawn“ gelang Supermassive Games 2015 der Durchbruch. Das neue Spiel der Briten, „Man of Medan“, schlägt spielerisch in eine ähnliche Kerbe. Ob das bewusst eher kurz gehaltene Abenteuer auf einem verfluchten Geisterschiff mit dem Vorbild mithalten kann, erfahrt ihr in unserem Test.
Fünf Helden und ein Geisterschiff
Kapitänin Fliss hatte sie im Vorfeld noch davor gewarnt, dass die Ruhe der Toten nicht gestört werden darf. Doch ihre vier amerikanischen Gäste wussten es besser und tauchten im Südpazifik dennoch zu einem Wrack aus dem Zweiten Weltkrieg hinab. Die Konsequenzen lassen nicht lange auf sich warten: Erst überfallen Fremde ihr Boot und zu allem Überfluss taucht dann auch noch ein Geisterschiff wie aus dem Nichts auf.
Fortan kämpfen wir mit den fünf spielbaren Helden in „Man of Medan“, dem Auftakt von Supermassive Games‘ „The Dark Pictures Anthology“, ums Überleben und gegen einen uralten Fluch …
Until Dawn in anders
Bevor ihr in „Man of Medan“ die Geschicke der fünf Hauptfiguren leitet, werdet ihr im spielbaren Prolog Zeuge dessen, wie sich im Jahr 1947 der Fluch an Bord eines US-Militärschiffs ausbreitet. Ein rätselhafter Dunst bringt die Besatzungsmitglieder um den Verstand, erzeugt grausige Visionen, die schließlich alle das Leben kosten sollen.
Mehr als 70 Jahre später landet ihr mit Alex, dessen Freundin Julia, seinem kleinen Bruder Brad auf einem der Atolle in Französisch Polynesien. Mit dabei ist auch Julias Bruder Conrad, ein Sprücheklopfer vor dem Herrn, der nichts besseres zu tun hat, als die einheimische Kapitänin Fliss anzubaggern und Bier zu trinken. Obgleich Supermassive Games sich mit den fünf jungen Erwachsenen von den Teenie-Charakteren in „Until Dawn“ entfernt, ist das Spielprinzip im Grundsatz dasselbe. Vornehmlich mit Dialogentscheidungen beeinflusst ihr den Gemütszustand der Helden, zwischen denen ihr regelmäßig vom Spiel vorgegeben wechselt, und deren Beziehungen zueinander.
Mit Conrads plumpen Anmachsprüchen bringt ihr Fliss zunehmend gegen ihn auf. Seid ihr mit Alex immer schön nett zu Julia (und umgekehrt), macht er seiner Herzensdame später womöglich einen Heiratsantrag. Einen großen Einfluss auf den Kernverlauf der Handlung nehmt ihr mit der Dialogauswahl oder Entscheidungen, ob ihr in einer späteren Fluchtsequenz den linken oder rechten Korridor nehmt, nicht. Es geht mehr um das Gefühl, die Zügel in der Hand zu halten, und um sich besser mit den Helden zu identifizieren.
Ein Ansatz, der Supermassive Games damit vorbildlich gelingt. Wesentlich zentraler im Spielverlauf sind, neben kleineren Erkundungsabschnitten in einer Third-Person-Ansicht, die Quick-Time-Events. Beim Erklimmen einer brüchigen Leiter müsst ihr Knöpfchendrücken, um rechtzeitig wieder Halt zu finden. Versteckt ihr euch vor einem Verfolger, tippt ihr im Takt mit eurem Herzschlag auf die Aktionstaste, um nicht entdeckt zu werden.
Ein komplexes System ist das erwartungsgemäß nicht gerade. Die Entwickler bemessen die Zeitspanne, innerhalb der ihr den richtigen Button pressen müsst, aber auffällig knapper als im spielerisch ähnlich gelagerten Until Dawn. Sterben könnt ihr bei Fehlern zwar nur bei den wenigsten QTEs, ihr werdet aber wohl ähnlich wie wir deutlich häufiger zu spät am Drücker sein. Ein kleiner Stolperer hier, ein fehlgeschlagenes Versteckspiel dort; auch wenn nicht der Spielertod die Folge ist, werden die Fehler euren Puls in die Höhe treiben.
Starke Inszenierung
Was Supermassive Games beinahe durchweg gut gelingt, ist die audiovisuelle Kulisse. Hervorzuheben sind dabei besonders die Spielfiguren, die allesamt von echten Schauspielern verkörpert werden. Der Bekannteste der per aufwändigem Motion Capturing digital ins Spiel übertragene Akteur ist Shawn Ashmore, unter anderem bekannt aus dem X-Men-Filmen. Aber auch der Brite Pip Torrens ist kein Unbekannter. Er spielt in „Man of Medan“ den Kurator, der ähnlich wie Dr. Hill in „Until Dawn“ in Kurzintermezzos durch das Abenteuer führt.
Der Qualität der Schauspieler entsprechend fällt auch die Güte der Sprachausgabe aus. Ganz erreicht das vollständige deutsche Voiceover diese Klasse nicht, große Abstriche müsst ihr aber nicht machen. Stark ist auch die von Jason Graves komponierte Musik, die stets gekonnt die Dramatik der Szenen untermalt.
Auch die Umgebungsgrafik kann sich überwiegend mehr als sehen lassen, punktet mit sehr guten Licht- und Schatteneffekten sowie einer insgesamt hohen Texturqualität. Das Niveau im Letztgenannten Bereich schwankt in einzelnen Spielszenen jedoch. Unschön sind zudem die regelmäßig sichtbaren Texturnachlader – ein Phänomen der Unreal Engine, von dem man zuletzt eigentlich hoffen durfte, dass es nicht mehr so massiv auftritt wie in „Man of Medan“. Viel zu meckern gibt es bei Grafik und Sound unterm Strich jedoch nicht.