Wir hatten die letzten Tage, zusammen mit einigen anderen Medien, die exklusive Möglichkeit, eine nahezu finale Version von The Elder Scrolls Online anspielen zu dürfen. Ohne Einschränkungen, sogar mit Erlaubnis für eigene Screenshots und Videos. Dem Ruf sind wir natürlich gefolgt, nicht zuletzt um zu klären, wie gut das lang ersehnte Online-Rollenspiel von ZeniMax Online nun wirklich ist. Gerade nach dem Stresstest-Wochenende wurde ja viel gemunkelt und einiger Unmut kam auf. Daher stellen wir die alles entscheidende Frage: Hat ESO das Zeug zum Star oder verrennt sich Bethesda in einem Irrtum, der zu einem kolossalen Desaster werden könnte?
Um Verwirrung vorzubeugen: Es handelt sich hierbei um Eindrücke aus dem PvE. PvP- und RvR-Inhalte werden wir in Zukunft noch unter die Lupe nehmen.
Auf Messers Schneide
Und wieder einmal verschlägt es uns in die mystische und geheimnisvolle Welt Tamriel, in der schon seit vielen Jahren die epochalen Geschichten der Elder-Scrolls-Spielereihe erzählt werden. Vor allem Skyrim dürfte hier einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Mit The Elder Scrolls Online geht diese Reise nun in einer bisher noch ungeahnten Größenordnung weiter. Wo man zuvor alleine durch die Länder streifte, tummeln sich nun viele Hundert andere Spieler in Form eines Online-Rollenspiels. Für das Genre ist es eine der größten Neuerscheinungen dieses Jahr und ein ambitionierter Kandidat für den nächsten Hit-Titel. Wird World of Warcraft endlich vom Thron gestoßen? Die nächsten Monate werden mehr als spannend! Allerdings eilt dem glorreichen Ereignis, das uns am 04. April erreicht, ein eiskalter Wind voraus. Anders als bei Guild Wars 2 oder Star Wars: The Old Republic, scheint sich der Hype diesmal in zwei Lager zu spalten. Es gibt, wie so oft, eben jene, die es kaum noch erwarten können und vor Vorfreude glatt Purzelbäume schlagen und eben die, die dem ersten MMO von Bethesda Softworks keine glorreiche Zukunft prophezeien. Wo sonst die graue Einheit der gemeinsamen Euphorie herrschte, zeigt sich nun, dass vieles letztendlich als Schall und Rauch enden könnte.
Ob The Elder Scrolls Online nun ein Hit wird oder eben auch nicht, das zeigt sich wohl erst nach Release. Fest steht aber schon: Das Unterfangen die überdimensionale Welt von Elder Scrolls in ein MMORPG zu verpacken ist riskant und steht auf Messers Schneide. Immerhin muss der Neuling von ZeniMax Online den Vorstellungen zweier unterschiedlicher Gemeinschaften entsprechen. MMO-Spieler, die von ESO nicht weniger erwarten, als dass es das größte Online-Rollenspiel aller Zeiten wird und Elder-Scrolls-Fans, die sich noch gar nicht so recht an den Gedanken gewöhnen können, dass ihre Lieblingsreihe nun ein MMORPG, also ein WoW-Spiel, wird. Die hätten nämlich viel lieber einen Mehrspieler-Modus für Skyrim gehabt, anstatt eines MMOs.
Tamriel wir kommen!
Aber gut, wie bereits erwähnt, müssen wir wohl hier auf den Release warten, um eine endgültige Antwort zu erhalten. Dennoch möchten wir vorab die Chancen abstecken, die ESO hat und daher waren wir sehr dankbar, als Bethesda uns zu einem Beta-Wochenende ausschließlich für Medienpartner eingeladen hat. Mehrere Tage lang konnten wir Elder Scrolls Online ohne Wenn und Aber testen. Dabei wurde uns, nach Aussagen von Bethesda, eine nahezu finale Version präsentiert. Da wir euch schon in den vergangenen Artikeln eine grobe Vorschau auf das MMO und die ersten Spielminuten gegeben haben, wollen wir dieses Mal etwas mehr ins Detail gehen.
In Sachen PvE (PvP konnten wir noch nicht austesten) baut The Elder Scrolls Online auf zwei elementare Dinge auf: Die Hauptstory erleben und die Spielwelt erkunden. Dabei läuft alles so ab, wie wir es aus Skyrim und Co. kennen. Wir folgen einer interessanten, aber nicht allzu spannenden Geschichte, die sich um die Bekämpfung des daedrischen Prinz Molag Bal dreht. Morrowind-Spieler werden hier sicherlich hellhörig werden. Diese kommt, wie üblich, zu Begin nur langsam in Schwung und wir verbringen die meiste Zeit damit, uns bei den Oberhäuptern diverser Ortschaft beliebt zu machen. Wir selbst sind zuvor aus einem Gefängnis geflohen, wo wir den Propheten befreien mussten. Dieser Teil des Spiels diente als Tutorial, in dem wir die wichtigsten Spielmechaniken lernen und auch schon erste Gegner und Zwischenbosse beseitigen. Die Einführung ist hübsch in Szene gesetzt und nicht zu lang.
Neben der Hauptstory wartet jedes Gebiet mit unzähligen Nebenaufgaben auf. Diese erhalten wir genretypisch von allerlei NPCs aus der Umgebung. Inwieweit man sich von der Mainquest trennen und seine eigenen Wege gehen kann, ohne die Hauptgeschichte verfolgen zu müssen, konnten wir leider noch nicht feststellen. Die Nebenquests sind, zumindest in den Startgebieten, eher durchschnittlicher Natur. Oft braucht eine Person einfach nur unsere Hilfe und wir müssen Handlangerarbeiten erledigen. Sprich: Töte hier, hol mir von da oder sprich mal mit dem. MMO-Standardkost eben. Dabei ist der Aufbau der Quests nicht wirklich dynamisch, sondern eher das, was man auch schon aus Hunderten anderen dieser Games kennt.
Das Startgebiet entscheidet sich je nach Wahl unseres Volkes. In dieser Beta haben wir uns für einen Nord Dragonknight entschieden, der seine Reise auf der schneebedeckten Insel Bleakrock beginnt. Das Tutorial-Gebiet, ein tiefer Kerker im klassischen Elder-Scrolls-Look, ist für jeden Spieler gleich. Dabei fällt uns sofort auf, dass sich ZeniMax Online wirklich Mühe gegeben hat, die Welt sehr atmosphärisch zu gestalten. Es macht richtig viel Spaß, einfach nur die Schuhe fest zu schnüren und die Landschaften zu erkunden. Zwar reichte unsere Zeit nicht aus, um einen intensiven Eindruck von Tamriel zu erhalten. Ein wohliges Gefühl kam aber doch auf. Dazu gesellt sich auch noch die entzückende Tatsache, dass es etliche begehbare Häuser und Höhlen gibt. Dort findet man überall Schränke, Kisten und andere Lager, die man leer räumen kann. Ebenso auch unzählige Dokumente, wie Bücher oder Schriftrollen, die es zu lesen gibt. Hier zeigt ESO definitiv ein seiner größten Stärken: Die offene und lebendige Welt.
Bleibt zu hoffen, dass die Entwickler dieses Urerlebnis der Elder-Scrolls-Spiele nicht aus den Augen verlieren und die freie Wahl der Abenteuer und die zum Erforschen einladende Welt wirklich einen festen Platz im Spieleraltag findet.
Ein Kampfsystem, wie wir es schon immer gewünscht haben
Ein wahres Spektakel empfanden wir beim Kämpfen. Selten hat es so viel Spaß gemacht, die Gegner mit verschiedenen Kombinationen anzugehen und neue Strategien auszuprobieren. Im Gegensatz zu vielen anderen MMOs läuft dieses nämlich aktiv ab und verlangt von uns auch eine gehörige Portion Movement. Bis zu fünf Fähigkeiten können wir in die Schnellleiste legen sowie mit rechter und linker Maustaste agieren. Gegner zuvor anvisieren müssen wir als Nahkämpfer nicht. Als Dragonknight kämpfen wir, ganz Nord, natürlich mit einem Zweihänder oder wahlweise mit Schwert und Schild. Dabei bewirkt das längere Drücken der Schlagtaste zusätzlich eine mächtige Attacke, wie wir es eben aus Elder-Scrolls-Spielen gewohnt sind. Allerdings nur solange, bis unsere Ausdauer aufgebraucht ist. Das aktive Blocken, das bei wiederholtem Klicken der rechten Maustaste auch für Schildschläge und zur Zauberunterbrechung genutzt werden kann, verleiht dem ganzen Kampfsystem eine unheimliche Dynamik. Besonders in der Gruppe macht entpuppt sich die wahre Tiefe, denn wir können einige Attacken auch kombinieren, um damit nützliche Buffs oder andere Boni zu erhalten.
Kurzum: Das Kämpfen war bisher einer unserer größten Highlights bei ESO. Neue Angriffe und Fertigkeiten erhalten wir im Übrigen nicht von einem Lehrer, sondern von Skillpunkten, die wir für jedes Levelup erhalten. Dazu gibt es auch noch die Skyshards. Das sind Fragmente, die überall in der Welt zu finden sind. Haben wir drei von ihnen gesammelt, erhalten wir ebenfalls einen Punkt. Diese Menge ist auch wichtig, da wir die Punkte nicht nur in neue Skills investieren, sondern damit auch unsere Rüstungsfertigkeiten ändern können. Wie in der Serie üblich können wir nämlich mit jeder Klasse alle Arten von Waffen oder Rüstungen tragen. Je nach Benutzen oder eben durch das Verteilen von Punkten werten wir diese Fähigkeiten auf. Auf den ersten Blick wirkt das System recht kompliziert und man muss sich wirklich einarbeiten. In der kurzen Zeit haben wir ehrlicherweise noch nicht alle Feinheiten dessen verstanden, was uns hier geboten wird. Da muss etwas mehr Testzeit her!
Wie sieht es mit den Dungeons aus?
Schon relativ früh im Spiel besucht man den ersten Dungeon zusammen mit einer Gruppe, die aus insgesamt vier Spielern besteht. Recht frisch ist dabei, dass man diesen nicht zwingend am Ende einer langen Questreihe erreicht, sondern auch einfach so hinein kann und trotzdem die Geschichte der Orte erfährt. Zumindest die erste Instanz konnte uns nicht wirklich in Angst und Schrecken versetzen. Man bekommt eben das, was man kennt. Trash-Horden, Zwischenbosse und am Ende einen Obermotz. Interessant dabei war, dass die Dungeons mit Fallen gespickt sind (ähnlich wie in Neverwinter) und dass man hier und da von einem Event überrascht wird. Mehr als „kloppen wir sie alle tot“ erwartet einem dennoch nicht. Natürlich ist so eine Neuerung keine Pflicht, allerdings mischt sich so diese Erfahrung mit in den „Das haben wir schon so oft gesehen“-Einheitsbrei ein.
Fazit: Zwischen Himmel und Hölle
Hach Elder Scrolls, so wirklich wissen wir nicht, was wir mit dir anfangen sollen? Zum einen gibt es wenig zu meckern und definitiv stimmige Momente, die wir in der kurzen Testzeit erleben durften. Vor allem das Kampfsystem und die liebevoll gestaltete Spielwelt haben es uns echt angetan. Der Rest verschwimmt leider ziemlich, da man all diese Inhalte schon in ganz vielen anderen MMOs genauso erlebt hat. Wie so oft fehlt der frische Wind und leider will sich auch keine übermäßige Vorfreude einstellen. Kann The Elder Scrolls Online ein Hit werden? Sicherlich, Fans gibt es genug. Allerdings beschleicht uns das Gefühl, dass ESO das gleiche Schicksal wie Guild Wars 2 ereilen könnte und das ambitionierte MMO im Schatten der Masse verschwindet, damit das Spiel letztendlich zum Geheimtipp avanciert.
Auch wenn wir uns nicht in die Reihe der voreiligen Pessimisten eingliedern wollen, hinterlässt auch dieser Testlauf ein mulmiges Gefühl fehlender Euphorie. Dazu passt ein Zitat von uns aus der Kolumne: „Warum wir keine neuen MMOs mehr brauchen“, in der wir abschließend sagten: „Das Zeitalter der persistenten Onlinespiele hat gerade erst richtig begonnen, aber es wird kein Zeitalter für noch mal zehntausend EverQuest-Klone sein.“
Umso mehr sind wir gespannt auf den 04. April, wenn Elder Scrolls Online erscheint und sich zeigt, wie groß der Hype ist und wie viele Spieler sich vom Online-Rollenspiel einfangen lassen. Trotz der mäßigenden Worte gehört ESO für uns zu den wichtigsten Neuerscheinungen 2014 und daher hoffen wir, dass sich unsere Sorgen nicht bestätigen und uns Großes bevorsteht.