Lange hat man in den Studios der RPG-Entwickler von Bethesda Softworks bzw. ZeniMax wohl mit vielen Konzepten und Ideen geliebäugelt, in ihre Richtung geschielt und ist dann doch der großen Herausforderung aus dem Wege gegangen. Sich tatsächlich in aller Öffentlichkeit zum Vorhaben, ein eigenes MMORPG zu entwickeln, zu bekennen – das fiel dem Studio bisher nämlich schwer. Dabei ist der Ruf nach einem im The Elder Scrolls-Universum angesiedelten Online-Rollenspiel seit Monaten, gar Jahren, groß. Genau hier liegt auch der Knackpunkt der Geschichte. Das ganze Vorhaben ist letztlich die perfekte Mischung aus unvoreingenommener Wagnis und riskanter Risikobereitschaft, so unsere Meinung.
Gefeierten Identitäten eine virtuelle Welt für gemeinsames Spielen zu schenken bleibt beliebtes Hobby von Publishern und Entwicklern, wie schon Age of Conan oder Der Herr der Ringe zeigten. Letzter Präzedenzfall für Online-Umsetzungen großer Marken: die Akte The Old Republic. Was zu Anfang ein sprudelnder Brunnen der Vorfreude war, vergeht immer mehr zur Gerüchteküche um Negativ-Meldungen, sinkende Abonnentenzahlen und somit auch unzufriedene Kunden.
Dafür, dass Namen von großem Rang im Online-Geschäft zerbersten, ist SWTOR dankenswerterweise noch kein Beweis. Allerdings zeigt BioWares Schöpfung die Anfälligkeit für Schrammen und Kratzer. Ein MMORPG braucht mehr als das Fundament eines guten Rufs. Je mehr Spieler als Fans gelten, umso größer ist auch die Gefahr, langjährigen Anhängern die Stimmung durch unerfüllte Erwartungen zu vermiesen.
Vor einem solchen Schicksal ist auch The Elder Scrolls Online nicht sicher, so unsere Befürchtung. Keinesfalls wollen wir die Vorfreude unserer Leser auf ein Minimum schmälern, wenige Tage nach Ankündigung ist hingegen trotz weniger durchgesickerter Informationen bereits der ideale Zeitpunkt erreicht, um die Bremse für subjektive Hormonexplosionen zu ziehen und aus objektiver Angst vor Überbewertungen zu warnen. Zu gerne lässt man sich schließlich zum Tragen der rosaroten Brille verleiten.
Wer also schon gegenwärtig die Tage zum noch unangekündigten Release zählt, der sei zum eigenen Schutze auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Ruft man sich nämlich bereits zum Mega-Fan aus, steht man am Ende als der Dumme dar, wenn nicht nur der Informationsfluss der PR-Meldungen, sondern später auch das Spiel selbst, offenbart, Standardbrei im Mantel eines bekannten Universums zu sein. Paradoxerweise ist ebenso wie die Vorfreude auch Skepsis unangebracht, denn noch weiß schließlich niemand so ganz genau, woran hinter verschlossenen Türen gearbeitet wird.
Rationale Argumente sprechen letztlich aber für das Prinzip der Vorsicht, denn wodurch will man abseits der einzigartigen Atmosphäre punkten? Nur wenigen Titeln gelingt der Branchendurchbruch. Betrachtet man obendrein den Fortschrittsoptimismus des Genres, dann fallen bei der Analyse der letzten Jahre allenfalls die zunehmende Relevanz dynamischer Spielinhalte und die verbesserte technische Seite ins Auge. Guild Wars 2 kommt mit großer Dynamik und einem tollen PvP daher, SWTOR punktet mit Synchronisation, The Secret World mit einem wirklich taufrischen Setting abseits der sonst so verbreiteten Fantasy-Art und TERA überzeugt mit seinem Kampfsystem. Die Nischen für Neuentwicklungen sind bei diesem innerhalb von zwölf Monaten veröffentlichten und beträchtlichen Paket immer geringer und daher könnte The Elder Scrolls Online nur schwerfällig atmen. Die Super-Kombination sämtlicher dieser Innovationen wäre nun zudem nicht mal mehr innovativ, sondern schon wieder abgeschaut und ein teurer Spaß. Aber lieber schlecht kopiert als gut blamiert.
Mit dem Start der E3 haben wir aber spätestens die Gewissheit, was uns aufgetischt wird. Gerade aber beim Thema der gesunden Vorfreude gilt es nochmals zu betonen, dass das 2013 für PC und Mac erscheinende Game kein Skyrim wird. Wer gerne seine eigenen Geschichten schreibt und die Geschicke seiner Spielwelt selbst leitet, der wird in einer Onlinewelt schnell an seine Grenzen stoßen. Gelingt den Entwicklern hingegen die nahtlose Transformation dieses Gefühls auf die Server von The Elder Scrolls Online, dann würde dies auch an einem Wunder grenzen. Selbiges gelingt schließlich selbst nicht einmal Dynamik-Paradebeispiel Guild Wars 2. Zwar ist der Einfluss auf die Prozesse der Welt größer, wer es aber wagt, sich auszuloggen, der kehrt zurück in eine Welt, die nicht mehr die selbige ist wie die vor wenigen Stunden. Vorbei sind dann auch die Savegame-Zeiten für The Elder Scrolls. Letztlich muss hier auch gefragt werden, was denn die Stärke eines Skyrims ist. Es ist eben auch die Geschichte, die viel zur Epik beiträgt. Sobald die Kunden von The Elder Scrolls Online, sei es kostenpflichtig oder free2play, aber merken, wie ihnen die Geschicke der Handlungsstränge aus den Händen gleiten, könnte Wehmut aufkommen – Zeiten, in denen man lieber wieder die Skyrim-Disc ins Laufwerk schiebt.
Betrachtet man den wohlmöglichen Werdegang des Titels also derart mit Misstrauen, wie wir es an dieser Stelle gerade vorzeigen, so hat das neue MMORPG in der Tat einen schweren Stand. Innovation – das geht scheinbar in Anbetracht der aktuellen Blockbuster-Flut nur noch schwer. Dynamik – der Skyrim-Fan würde schreiend davon laufen. Statik – das Spiel wäre als altbacken verschrien. Bei so viel Gewissenskonflikt ist es eine reine Frage des Willens und Wollens, wie The Elder Scrolls Online aussehen soll. Das Gute an der Sache ist, dass an dieser Stelle, wo sich Online-Rollenspieler und Hardcore-Skyrim-Fans die Zähne ausschlagen würden, die Entwickler ins Spiel kommen. Sie wurden dafür geboren, Kreationen zu schaffen, die ihren Vorstellungen einer Kunst-Schöpfung entsprechen und sie entscheiden, was The Elder Scrolls Online ist und wird und wen es anspricht. Zuletzt sollte man auch bedenken, dass die Schnittmenge von MMORPG-Spielern und Skyrim-Fans keine geringe ist. Folgerichtig steht so auch fest, wo sich der neue Titel positioniert, denn, was beide Genres verbindet, ist das großgeschriebene RPG im Namen. So kämen wir fast ins Schwärmen von einem Sandbox-Game, doch ehe wir uns an dieser Stelle noch weitere 1000 Meter zu weit aus dem Fenster lehnen, warten wir doch lieber ab was die E3 und der Juni für uns bereithalten – und zwar für Spieler sämtlicher Generationen und Interessen und nicht nur für DIE eine Fangemeinde. Dass sich ein gutes Produkt abzeichnet, ist unumstritten, ebenso wenig die Tatsache, Freude zeigen zu dürfen – die Frage bleibt, wie das Gesicht dieser Freude aussieht.