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The Evil Within: Trip in die Tiefen des menschlichen Verstandes

Ein Trip in die tiefsten Tiefen des menschlichen Verstandes und noch ein Stückchen darüber hinaus. Shinji Mikami schickt den Spieler mit The Evil Within auf eine nervenaufreibende Achterbahnfahrt quer durch die schlimmsten Albträume des menschlichen Denkens. Chronische Munitionsknappheit, groteske Monster und adrenalingeladene Gefechte machen aus dem Werk einen klassischen Survival-Titel, der auf Bewährtes setzt und dabei nur wenig falsch macht. Für erfahrene Grusel-Freunde in jedem Fall eine Reise wert.

Der Wahnsinn lässt herzlich grüßen

Bereits der Beginn von The Evil Within ist alles andere als angenehm. In der Rolle des Polizisten Sebastian Castellanos werden wir zu einem schrecklichen Tatort in einer Nervenheilanstalt gerufen. Aus Erfahrung wissen wir, dass solche Einrichtungen meist nichts Gutes vermuten lassen. Leider bewahrheitet sich unsere Vermutung und bevor wir uns versehen, befinden wir uns kopfüber an einem Seil hängend in einer Art provisorisch eingerichteten Metzgerei. Auch der Betreiber ist nicht allzu weit entfernt. Wenige Meter vor uns hackt dieser zum Klang von klassischer Musik auf einer Gestalt herum, die frappierend einem Menschen ähnelt. Die Kettensägensammlung des Hobbymetzgers im Hintergrund beachten wir schon gar nicht mehr. In erster Linie zählt jetzt nicht als Mittagessen zu enden und irgendwie aus dieser brenzligen Situation zu entkommen.

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Okay, wir hatten es schon vermutet: Einmal losgeschnitten und auf der Flucht, fällt unserem Verfolger plötzlich ein, uns seine Sammlung an motorisierten Sägen zeigen zu wollen. Uns reichen aber bereits die vielen Fallen, die unser Vorankommen nicht unbedingt einfacher gestalten.

Wahrscheinlich hat es der findige Leser bereits erraten: trotz erfolgreicher Flucht verändert sich unsere schon sehr ungünstige Gesamtsituation nicht wirklich zum Besseren. Nach weiteren sehr unerfreulichen Schauplätzen und einem wortwörtlichen Blutbad schaffen wir es aber doch den rettenden Ausweg zu erreichen. Aber mal ganz ehrlich, wer erwartet an dieser Stelle, dass alles glatt verläuft?

Keiner, genau! Plötzlich bricht das Chaos erst richtig los und wir entkommen samt Krankenwagen und unseren Kollegen in letzter Sekunde – kurz bevor unsere Welt endgültig in sich zusammenbröselt. Nach einem ungeplanten Unfall finden wir uns schließlich in einem finsteren Wald wieder und sind auf uns gestellt. Na so eine Freude.

Wem das Beschriebene nun schon mehr als genug war, sollte The Evil Within vielleicht gar nicht erst beginnen, denn eines ist klar: Einfacher wird es in keinem Fall. Das Werk von Shinji Mikami, der sich unter anderem für die Survival-Horror-Serie Resident Evil verantwortlich zeigte, ist ganz sicher nichts für schwache Nerven. Munitionsknappheit, purer Horror in seiner ausgeprägtesten Form, blanke Panik und heftige Splattereffekte am laufenden Band sprechen da eine ganz klare Sprache.

Zwar erfindet der Titel, der in Japan Psycho Break genannt wird, sich und das Genre nicht neu, verbindet dafür aber bekannte Elemente von Resident Evil, Silent Hill und Filmen wie Saw und The Texas Chainsaw Massacre zu einem adrenalingeladenen Trip durch menschliche Albträume.

Eigentlich hieß es, dass das Genre des Survival-Horrors tot sei, man denke nur an Capcom, die in die neuen Resident Evil-Ableger immer mehr Action einfließen ließen. Schließlich verkaufen sich schnelle und spannende Schusswechsel allgemein besser als Titel, bei denen chronische Munitionsknappheit herrscht. Umso erfreulicher, dass Bethesda Mikami die Gelegenheit geboten hat mit The Evil Within noch einmal in diese Sparte zu schlagen und dabei alle möglichen Tugenden des Genres in einem Topf zu einem Spiel verschmelzen zu lassen.

The Evil Within ist zwar kein besseres Resident Evil, weiß aber trotzdem genau das zu bieten, was von den Spielern im Vorfeld gefordert und erwartet worden ist. Tatsächlich spielt sich der Titel vom Gameplay her angenehm flüssig und macht eine Menge Spaß.

Eine zündende Sache

Zu Beginn nur mit einer Lampe, einem Messer und einem Revolver ausgerüstet, stehen wir vor unserer ersten Herausforderung. Es gilt ein riesiges Holztor zu öffnen. Das Problem an der Sache sind die zwischen uns und dem Tor stehenden Kreaturen, die quasi eine Mischung aus den Zombies aus The Walking Dead, Resident Evil und den Klickern aus The Last of Us darstellen. Wer jetzt ohne Sinn und Verstand nach vorne prescht und den Rambo raushängen lassen möchte, muss seine Eingeweide später alleine zusammen suchen. Besonnenes und taktisches Vorgehen steht als Tagesordnungspunkt auf dem Plan. Wir schalten also in den Schleichmodus. So dürfen wir Gegner auch leise und effektiv von hinten ausschalten, ohne dass wir Aufmerksamkeit erregen. Zur Sicherheit lassen sich erledigte Gegner zudem per Streichholz innerhalb von Sekunden verbrennen.

Auf diese Art und Weise sparen wir übrigens auch kostbare Munition. In The Evil Within müssen wir uns nämlich zu jeder Zeit Gedanken darüber machen, ob wir beispielshalber die zwei letzten Revolverpatronen wirklich einsetzen wollen oder in einer späteren Situation besser gebrauchen können. Nichts ist ärgerlicher, als wenn plötzlich ein Gegner vor uns steht und unserem Revolver nur noch ein hämisches Klicken entweicht. Warum wir allerdings immer nur eine geringe und begrenzte Anzahl an Streichhölzern mit uns führen könne, wir uns wohl immer ein Rätsel bleiben. Am Gewicht der Zündhölzer sollte es jedenfalls nicht liegen.

Glücklicherweise lohnt es sich unsere Umgebung nach nützlichen Items abzusuchen. Überall verteilte Holzkisten enthalten häufig wertvolle Munition, Gesundheitsspritzen oder den begehrten grünen Schleim, auf den wir später noch eingehen werden. Ebenfalls nützlich und oft sogar überlebensnotwendig, sind die in den Arealen verteilten unterschiedlichen Fallen. Wie wir mit denen umgehen, ist dabei uns überlassen. Entweder wir entschärfen diese und nehmen dabei ab und an ein Minigame in Kauf und erhalten bei Erfolg wichtige Komponenten, die wir später noch sehr gut gebrauchen können oder wir nutzen die Fallen zu unserem Vorteil indem wir Gegner hineinlocken.

Neben weiteren Waffen, die wir im Spielverlauf erhalten, werden sich die meisten Spieler wohl über die sogenannte „Qualen Armbrust“ freuen. Interessant ist hier die Tatsache, dass wir verschiedene Bolzen mit unterschiedlichen Eigenschaften nutzen dürfen. Besonders cool ist der Sprengbolzen, der seinem Namen alle Ehre macht und einen getroffenen Gegner in eine wandernde Annäherungsmine verwandelt bevor dieser explodiert. Sehr gut eignet sich die Armbrust für hartnäckigere Gegner, die nicht mit sich reden lassen und grundsätzlich nicht klein bei geben. Wer nicht hören will muss halt fühlen!

Wie ihr das Tor übrigens schlussendlich geöffnet bekommt, verraten wir an dieser Stelle natürlich nicht. Nur so viel: Man trifft sich im Leben immer zweimal, oder halt noch ein paar Mal mehr.

Spieglein, Spieglein

Solche adrenalingeladenen Gefechte, in denen wir kaum zur Ruhe kommen und ständig in Bewegung bleiben müssen, wechseln sich regelmäßig mit subtileren Horror-Passagen und kleineren Rätseln ab, die in der Regel aber nicht wirklich fordernd sind. Wir freuen uns trotzdem hier und da einen Gang herunterschalten zu dürfen. Abseits der Areale dürfen wir zudem nicht nur kurz durchatmen, sondern per Spiegel in ein altes und bereits bekanntes Sanatorium reisen, um dort unseren Charakter sowie unsere Waffen zu verbessern. Als Währung benötigen wir hierfür den eben erwähnten grünen Schleim. So dürfen wir zum Beispiel unsere Sprintfähigkeit verbessern, erlangen mehr Gesundheitspunkte oder erhöhen den Schaden, den unser Revolver austeilt.

The Evil Within wird zwar ganz bestimmt keinen Schönheitspreis gewinnen und kann auf technischer Seite nicht immer ganz überzeugen, weiß seine Makel dafür aber meist sehr gut zu verbergen. Trotzdem stören hier und da plötzlich aufploppende Texturen, gelegentliche Ruckler, Clipping-Fehler, matschige Texturen und verschiedene Bugs, wie Gegner oder NPCs, die in unserem Protagonisten stecken bleiben. Sehr zu der grandiosen Atmosphäre tragen die Licht- und Nebeleffekte bei. Wenn wir uns hier und da sogar vor unserem eigenen Schatten erschrecken, dann ist die passende Stimmung vorhanden.

Tolle Atmosphäre mit technischen Schwächen

Neben der Optik hört sich der Horror-Schocker einfach schrecklich schön an. Dauernd drehen wir uns panisch herum, weil wir hinter uns einen Gegner vermuten. Holzdielen knarren unter unseren Schritten und Gegner hören sich genauso an, wie sie ausschauen. So muss sich eine Soundkulisse in einem Horror-Titel anhören. Auch die deutschen Synchronsprecher müssen sich nicht verstecken und liefern einen sehr guten Job ab.

In Sachen Handlung möchten wir euch natürlich in keinem Fall spoilern, wobei wir die ersten Stunden sowieso meist eher im Dunkeln tappen und keinen blassen Schimmer haben, was hier eigentlich gerade passiert. Nach und nach kommen wir der Wahrheit allerdings auf die Spur. Mit rund 15 Stunden Spielzeit bekommen Spieler für ihr Geld einiges geboten. Danach hat man sich eine Entspannung in jedem Fall mehr als redlich verdient.

Patrik Hasberg

Schreiberling, Spieleentdecker, praktizierender Perfektionist und Mann fürs Grobe. Außerdem laufender Freizeit-Hobbit, der Katzen liebt. – Hunde gehen auch. „Auch sonst eigentlich ganz ok“.
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